27/04/2020

Unter den Wolken

Nachnutzungen von Tegel und anderen Flughäfen in Berlin

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27/04/2020

TXL, Panorama – Zwei Leuchtturmprojekte sollen ein halbes Jahr nach der endgültigen Schließung des Flughafens umgesetzt werden.

©: Emil Gruber

Flughafen Tegel, Abflughalle

©: Emil Gruber

Nachdem die Sowjets 1948 die Berlin Blockade errichtet hatten, stellten die drei restlichen Alliierten mit der legendären „Luftbrücke“ die Versorgung Westberlins sicher. Nicht ganz 280.000 Flüge absolvierten vorwiegend US-amerikanische und britische Piloten bis zum Ende der Luftbrücke im September 1949.
Gatow, Tempelhof und Tegel waren die drei Flughäfen in der westlichen Zone Berlins.
Tegel war zwar schon am Beginn des 20. Jahrhunderts ein Luftschiffhafen für Zeppeline. Im NS-Regime Raketen-Testgelände wurde es gegen Ende des Zweiten Weltkriegs durch Bombardierungen völlig zerstört. Innerhalb von nur drei Monaten wurde 1948 Tegel neu erbaut, mit 2.428 Metern bekam der Flughafen damals sogar die längste Start- und Landebahn in Europa.
Gatow blieb, bis die Alliierten endgültig aus Berlin abzogen, unter Kontrolle der Royal Air Force. 1994 wurde der Flugverkehr dort eingestellt. Die Nachnutzung des Geländes erfolgt teilweise durch die Bundeswehr, die dort eine Kaserne und das Militärhistorische Museum betreibt. Der Großteil des Areals ist heute ziviles Wohngebiet inklusive Infrastruktur und Golfplatz. Einmal im Jahr gibt es ein großes Flughafenfest auf den ehemaligen Start- und Landebahnen.

Tempelhof hat eine deutlich durchwachsenere Geschichte. Der ordentliche Flugverkehr begann 1923. Anfang der 1930er hatte Tempelhof bereits das größte Verkehrsaufkommen aller europäischen Flughäfen. 1941 wurde das von Ernst Sagebiel geplante neue Lufthafengebäude zum flächengrößten Gebäude der Welt. Schon im August 1945 nahm die US Air Force den Flugbetrieb am schwerbeschädigten Areal wieder auf, 1946 begann auch wieder der zivile Flugverkehr. Nachdem Tegel immer weiter ausgebaut wurde, stellte man aus Kapazitätsgründen 1975 zivile Flüge in Tempelhof ein. Die Wieder-Wiedereröffnung 1981 bedeutete ein neues Lebenszeichen für die spektakulären An- und Abflügen aus dem Zentrum Berlins. Nach heftigen Diskussionen hob im November 2008 endgültig das letzte Flugzeug vom Tempelhofer Feld ab.
Nach weiteren heftigen Diskussionen für die Nachnutzung bleibt Tempelhof bis heute ein äußerst heterogener Hotspot für Berlin. Sport- und Freizeitaktivitäten mischen sich mit sozialen Begegnungs-Stätten wie Heimgärten oder Outdoor-Ateliers. Zwischen 2015 und 2018 beherbergte das Gelände ein großes Containerdorf für Flüchtlinge. Regelmäßig finden Messen und Ausstellungen in den Gebäuden und außerhalb statt. Begehrlichkeiten für Bauobjekte an den Rändern des Geländes werden ebenso weiterhin sehr aktiv betrieben, wie andererseits der Grüngürtel im Herzen des Tempelhofer Felds nachweislich für das Stadtklima vorteilhafte Auswirkungen hat.

Der Flughafen Tegel ist damit der letzte aktive der drei großen ehemaligen Westberlin-Flughäfen. Mit dem Flughafen Schönefeld, bis 1989 noch Bestandteil Ostberlins, teilt Tegel sich aktuell noch das Flugaufkommen Berlins. Während Schönefeld als Teil des neuen Großflughafen Berlin-Brandenburg (BER) bestehen bleibt, geht für Tegel die Nutzung zu Ende. Eigentlich hätte der nach dem seinerzeitigen Berlin Bürgermeister und späteren Bundeskanzler Willy Brandt benannte Flughafen schon 2012 eröffnet werden sollen. Planungsfehler und Management by Chaos verursachten ein long-distance-Warten. Angeblich landen und starten im heurigen Oktober nun endgültig erste Flugzeuge vom und am BER.
Für die Nachnutzung Tegels gibt es natürlich auch schon längst viele Interessenten. Seit 2008 wird in Standortkonferenzen über den Zukunftsraum TXL geplant, nachgedacht und diskutiert. 2011 gibt es einen vom Berliner Abgeordnetenhaus beschlossenen Flächenwidmungsplan und ein Landschaftsprogramm. Aus dem 2013 abgesegneten Masterplan entstand ein städtebauliches Entwicklungskonzept, immer wieder mit Bürgerbeteiligung feingetunt.

Zwei Leuchtturmprojekte sollen ein halbes Jahr nach der endgültigen Schließung von TXL umgesetzt werden:

The Urban Tech Republic
Dieser Technologiepark besiedelt die Bestandsgebäude. Rund um die Beuth Hochschule für Technik mit erwarteten 2.500 Studierenden werden für junge Unternehmen wie auch Start-ups Möglichkeiten zu Forschung, Entwicklung und Produktion geschaffen. Die Erwartungshaltung der Betreiber, der Tegel Projekt GmbH, ist ambitioniert. Insgesamt sollen in der Anfangsphase rund 5.000 Menschen hier studieren und arbeiten. Im gesamten Entwicklungszeitraum, der auf 25 Jahre angelegt ist, werden an die 20.000 Arbeitsplätze erwartet. Ausgearbeitet ist auch ein eigenes Niedrigtemperaturnetz. Es wird nicht nur den Technologiepark, sondern auch die Wohnungen, die auf einem anderen Areal Tegels, dem Schuhmacher Quartier, entstehen werden, versorgen. Das LowEx-Netz wird Energie aus einer Kombination aus Solar- und Geothermie sowie Abwärme-Rückgewinnung erzeugen.

Das Schumacher-Quartier
5.000 klimaneutrale Wohnungen für 10.000 Menschen sind im ersten Schritt mit Baubeginn 2022 geplant, vierzig Prozent davon gefördert. Ein städtebaulicher und landschaftsplanerischer Wettbewerb wurde 2016 von scheuvens + wachten plus planungsgesellschaft mgh aus Dortmund gemeinsam mit den Landwirtschaftsarchitekten WGF Nürnberg gewonnen. Die Siedlung wird autofrei, am Bebauungsrand entstehen Quartiersgaragen. Infrastruktur reiht sich entlang einer grünen Spange, die die BewohnerInnen auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln verbindet, auf. An einem Mobility-Hub können E-Cars und E-Bikes, die via Sharing zur Verfügung stehen, aufgeladen werden. Das Areal selbst wird mit Fuß- und Fahrradwegen durchzogen sein mit einem großräumigen Park im Zentrum der Siedlung. Ein Park wird temporär zu einem See, um Überflutungen von Nutzflächen bei Starkregen zu verhindern. Geht es nach der Berliner Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher, wird nach letztem Entwicklungsstand der klimaneutrale Schumacher-Kiez gänzlich in Holzbauweise mit begrünten Dächern für einen Temperaturausgleich errichtet.

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