13/05/2003
13/05/2003

Die Thalia 1997, Electronic Lounge von pelziq im Rahmen des Festivals film+arc graz
Foto: (c) Peter Eder

Die Thalia 1997, Electronic Lounge von pelziq im Rahmen des Festivals film+arc graz
Foto: (c) Peter Eder

Plakataktion am Opernring gegenüber der Thalia im Winter 2000 zur Ausschreibung eines offenen Wettbewerbes

Thalia Graz: Wer schützt die Beschützerin der Kunst und Wissenschaft?

Präsentation Projekt Thalia:
Wohn²Center im Rathaus Graz
Datum: DO 15 | 05 | 03
Uhrzeit: 19:30 Uhr

Thalia bedeutet übersetzt "die Blühende", die Muse der Komödie, Musen sind die Beschützerinnen von Kunst und Wissenschaft, Thalia ist eine der neun Töchter von Zeus.

Die Grazer Thalia, erbaut 1955/56 nach Plänen des Architekten Rudolf Vorderegger ist oder war ein Glücksfall eines architektonischen Ensembles der 50er Jahre. Der Charme der Thalia - im Innen- wie im Außenraum - liegt oder lag an ihrer gesamträumlichen Gestaltung an einem prägnanten Ort in der Stadt. Besonders städtebauliche Qualitäten, eine spannungsreich differenzierte Höhengestaltung im Außenraum und logische Beziehungen zum Umraum, ein Baukörper, der sich durchaus den umgebenden Gebäuden gegenüber behaupten kann, ohne mit ihnen zu konkurrenzieren - Zentrum der Aufmerksamkeit ist und bleibt die Oper - machten die Thalia zu einem Ort urbaner Vitalität. Im Detail ist die Architektur der Thalia die charakteristisch konsequenteste Umsetzung ihrer Zeit in Graz.

In nur 10 Jahren vom "Baujuwel" zur "verwelkten Schönheit" mutiert, droht sie jetzt unter der Last eines schweren Rucksacks in Form eines aufgesetzten Bühnenturmes sowie eines viergeschossigen Hotelbaukörpers und einer vorgelagerten Shopping Mall zu ersticken. Die Umstände, die zu einem Gutachterverfahren mit "nur" drei Teilnehmern führten, aus dem das Projekt von Architekt Heiner Hierzegger als Sieger hervorging, sowie die Ausschreibung eines im Grunde nicht akzeptablen Raumprogrammes, liegen im Dunkeln. Genauso, um auf den Ausgangspunkt des Niedergangs zurückzublicken, wie es dazu kam, dass nach dem Konkurs der ursprünglichen Betreiber die Stadt Graz als Eigentümer der Baufirma Acoton das Bau- und Nutzungssrecht bis 2047! übertrug.

Dazwischen liegt die Tragödie einer Muse:

- Einwände des Wettbewerbsausschusses der steirischen Architektenkammer zur Inhaltlichkeit und zur Vergabe des Projektes bei der Stadt Graz wurden nicht angenommen.
- Das stattgefundene Gutachterverfahren entspricht eigentlich nicht den EU-Richtlinien.
- Ein Negativgutachten der ASVK (Altstadtsachverständigenkommission), das sogar vom Baurechtsamt als stichhaltig beurteilt wurde, hatte keinen Einfluss auf Erteilung einer Baugenehmigung.
- Ein positives Gutachten aus der Bundeshauptstadt des namhaften Denkmalpflegers Manfred Wehdorn kann man aufgrund des beruflichen Nahverhältnisses des Gutachters zum Architekten hinterfragen (Gutachter Manfred Wehdorn und Architekt Heiner Hierzegger sind Kollegen an der TU Wien.
- Die schliesslich eingeholte Stellungnahme von ICOMOS Österreich (das österreichische Nationalkomitee des International Council on Monuments and Sites) kritisiert, dass das vorliegende Projekt die hohen Ansprüche in dieser sensiblen städtebaulichen Situation nur "sehr bedingt" erfüllt.
- Über 2000 Unterschriften einer ins Leben gerufenen Bürgerinitiative zur Rettung der Thalia wurden nicht nur ignoriert, sondern vom Projektmanager respektlos als "für den Papierkorb" kommentiert. Derlei demokratiepolitisch bedenkliche Aussagen sollten die Politik nicht unberührt lassen.

- Hinzu kommen ganz einfache aktuelle Überlegungen und Fragen: Gibt es eine Bedarfsanalyse für die geplanten Nutzungen? Ist das Projekt aus städtebaulicher Sicht an dieser Stelle sinnhaft? Und gibt es den wirtschaftlichen Bedarf eines Hotels oder einer Shopping Mall an diesem Ort?

Zu denken geben sollte weiters die Tatsache, dass es sich zum Teil um öffentliche Gelder handelt und die Öffentlichkeit von diesen Entscheidungsprozessen nicht nur ausgeschlossen ist, sondern uninformiert bleibt.

Vielleicht kann die am kommenden Donnerstag um 19:30 im Wohn²Center am Hauptplatz in Graz stattfindende Präsentation des Thaliaprojektes mit Ing. Gerald Gollenz, Geschäftsführer der Fa. ACOTON, Projektmangement u. Bauträger GesmbH, (eine 100%e Tochter des Baukonzerns Alpine G.m.b.H) und Univ. Prof. DI Dr.Heiner Hierzegger, für die Planung verantwortlicher Architekt, zur Klärung der einen oder anderen Frage beitragen.

Verfasser/in:
ute angeringer,
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