21/10/2014

Der Impulstag des i_w, (Institut für Wohnbau, TU Graz) für das Wintersemester 2014/15 wurde am 07.10.2014 im HDA Graz abgehalten. Dabei standen u.a. die Relevanz starker sozialer Netzwerke und das Primat des sozialen Wohlergehens vor der Frage des Geldes im Mittelpunkt, gerade in peripheren Regionen, wo Tendenzen von Schrumpfung, Verlust von Arbeitsplätzen, Abwanderung, Leerstand und Überalterung besonders spürbar werden.

21/10/2014

Impulstag des i_w, (Institut für Wohnbau, TU Graz) im HDA Graz, am 07.10.2014

©: TU Graz - Institut für Wohnbau

Monika Keplinger

©: TU Graz - Institut für Wohnbau

Manfred Omahna

©: TU Graz - Institut für Wohnbau

Elisabeth Anderl

©: TU Graz - Institut für Wohnbau

Bürgermeister Peter Köstenberger

©: TU Graz - Institut für Wohnbau

Martina Decrinis, Andreas Lichtblau

©: TU Graz - Institut für Wohnbau

„...jede Kultur ist auch eine Definition von dem was wichtig ist.....“
(Peter Bieri, wie wollen wir leben, Residenz Verlag 2011, s. 80)

Seit die Werbewirtschaft Senioren als zukünftig zunehmend starke Zielgruppe ausgemacht hat, werden uns immer jüngere „ältere Menschen“ (50+?) verstärkt als aktive, gesunde und ihr aufregendes Leben in vollen Zügen genießende Generation präsentiert. Die tatsächlichen Lebenslagen älterer Menschen sind aber höchst unterschiedlich: das Risiko der Altersarmut steigt mit dem demografischen Wandel („Überalterung“ der Gesellschaft), das Risiko von Krankheit und Vereinsamung mit der steigenden Lebenserwartung.
In den einleitenden Worten zum Impulstag des i_w (Institut für Wohnbau, TU Graz) am 7.10.2014 im HDA betonte Prof. Andreas Lichtblau deshalb nochmals die Relevanz starker sozialer Netzwerke und das Primat des sozialen Wohlergehens vor der Frage des Geldes, gerade in peripheren Regionen, wo Tendenzen von Schrumpfung, Verlust von Arbeitsplätzen, Abwanderung, Leerstand, Überalterung besonders spürbar werden.

„Die Entwicklung von Typologien bedarf einer genauen Untersuchung der zugrundeliegenden Parameter, bedarf einer Untersuchung der Hardware und einer Definition dessen, was in klarer Unterscheidung zur Hardware die Software solcher Strukturen sein kann. Das sind jene Elemente, mit denen wir als Architekten operieren, die Veränderbarkeiten erst möglich machen. Das geschieht immer im Spannungsfeld zwischen vorhandenen Potentialen und Ökonomie, in der Betrachtung des Raums zwischen Poesie und Wirklichkeit.“

Kulturhistorikerin Monika Keplinger versuchte, die Komplexität der unterschiedlichen Definitionen aufzuzeigen: „das“ Alter gibt es nicht: je nach Gesellschaft, Zeit, sogar nach Geschlecht bedeutet Älterwerden, Ältersein oftmals etwas anderes: „wie alt ist alt“ bleibt unbeantwortete Frage. Dementsprechend differenziert ist Stellung und Ansehen innerhalb der Gesellschaft, wie man auch anhand unterschiedlicher Wohn- und Unterbringungsformen ablesen kann. Humorvolle Fußnoten ihres Impulsreferates waren der bildhafte Vergleich zwischen Charlton Heston als Gottvater in „Moses“ mit Michelangelos Darstellung in der Sixtina sowie Jenny Josephs Gedicht „ when i am old“

“when i am an old woman i shall wear purple
with a red hat which doesn't go, and doesn't suit me,
and i shall spend my pension on brandy and summer gloves
and satin sandals, and say we've no money for butter….”

Ethnograph und Architekt Manfred Omahna sieht die genannten gesellschaftlichen Umbrüche und die dadurch ausgelösten sozialen Dramen auch als Analysekategorie, die die „Werte der Werte“ von Individuen oder Gruppen infrage zu stellen vermag. Resultierende Handlungsstrategien stehen dabei immer im Zusammenhang zum gebauten Raum und zur Eigenlogik einer Stadt.

Architektin Barbara Sima Ruml bot einen kurzen Einblick in die komplexe Thematik des barrierefreien Bauens, das eigentlich bereits selbstverständlich sein sollte, aber durch undurchsichtige Gesetzeslagen und die nach wie vor bestehende Unbeholfenheit im Umgang mit Menschen (aller Altersstufen!) mit besonderen Bedürfnissen oftmals misslingt. Auch die Gratwanderung zwischen Barrierefreiheit, ästhetischem Anspruch und/oder konträren Anforderungen des Denkmalschutzes wurde angesprochen.

Architektin Susanne Fritzer präsentierte ein besonders sensibles Projekt aus dem Büro Feyferlik Fritzer, das 2008 wiedereröffnete Albert-Schweitzer-Hospiz in Graz. Der sterile Krankenhauscharakter wurde in dieser Palliativeinrichtung durch ein Konzept der Weite ersetzt. Durch bewegte Decken, viel natürliches Licht aufgrund der Offenheit der Räume zu den großzügigen Fensterflächen und durch Allgemeinbereiche mit loggiaartigen Sitzbereichen in den durch Glas gleichsam aufgelösten Gebäudeecken wird der Blick sanft auf die Möglichkeit eines Dahinters gelenkt.

Univ. Ass. Elisabeth Anderl konnte ebenfalls zeigen, auf wie vielfältige Art Architektur auf (gemeinschaftliche) Wohnbedürfnisse für Menschen in unterschiedlichen Lebenssituationen einzugehen vermag, wobei nach einem kurzen historischen Überblick der thematische Bogen über Möglichkeiten und Typologien wie anpassbare Wohnungen, verschiedene Arten von betreutem Wohnen, Seniorenresidenzen, Hausgemeinschaften, stationäre (Pflege-)Einrichtungen oder Mehrgenerationenwohnen informierte.

Das aus der Architekturlehre meist ausgeblendete Thema der politischen Ökonomie wurde vom Immobiliensachverständigen Bernhard Haunzwickl in einen spannenden Zusammenhang mit Leerstand und Schrumpfung gebracht. Die volkswirtschaftlichen Verluste durch das sich gegenseitig bestimmende Absterben der Ortskerne und das bauliche Wachstum abseits auf grüner Wiese durch Einfamilienhäuser, Industrieansiedlungen oder Gewerbeparks wurden schematisch, aber durchaus eingänglich vorgerechnet: Die so generierten Zahlenwerte sind erschreckend hoch.

Bezug zu Obdach
Der zweite Themenblock hatte mit den Referaten von Bürgermeister Peter Köstenberger und Martina Decrinis als Vertreterin der Initiative Rettet den Markt wiederum einen starken Bezug zur Marktgemeinde Obdach, in der die im letzten Semester begonnene Forschungs- und Regionalentwicklungsarbeit zur Thematik struktureller Veränderungen infolge veränderter wirtschaftlicher und sozialer Grundlagen in ländlichen Regionen durch Studierende und Mitglieder des i_w kontinuierlich fortgesetzt und konkretisiert wird. Im Vordergrund steht dabei der Gedanke eines gemeinschaftlichen, generationenübergreifenden Lebens in den aufgrund politischer Vorgabe zusammenwachsenden Ortsgebieten von Obdach, Amering, St. Anna und St. Wolfgang.

Ideen, Visionen und Strategien, die im vergangenen Sommersemester auf Basis intensiver Gespräche und Interviews der Studierenden mit der Obdacher Bevölkerung entwickelt wurden, sollen dabei behutsam in greifbare Projekt- bzw. Raumkonzepte übergeführt werden, die nicht für isolierte, „monothematische Nutzergruppen“ gedacht sind, sondern unterschiedlichste Interessensgruppen und Altersschichten in konstruktiver Weise, einander unterstützend und ergänzend, in einer flexiblen (Wohn)gemeinschaft, einem Ort als WG, vereinen.

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