26/12/2006
26/12/2006

Architekturdialog "Kulturen des Wohnens" im DAZ Berlin

Architekturdialog "Kulturen des Wohnens" im DAZ Berlin

Architekturdialog "Kulturen des Wohnens" im DAZ Berlin

Architekturdialog "Kulturen des Wohnens" im DAZ Berlin

Architekturdialog "Kulturen des Wohnens" im DAZ Berlin

Fotos von der Ausstellung im DAZ Berlin: Claudius Pratsch

Seit Donnerstag, den 7. Dezember 2006 infiziert die Ausstellung "SENSE OF ARCHITECTURE" des Architektur Laboratorium Steiermark im Deutschen Architektur Zentrum Berlin (DAZ) die Berliner Architekturszene. Und diese hat es bekanntlich schwer nötig, denn die Post-Stimman´sche Zeit hat gerade erst begonnen. (Hans Stimman, Senatsbaudirektor, trat Ende November 2006 ab).

ARCHITEKTURDIALOG „Kulturen des Wohnens“
Wie sich in der Podiumsdiskussion zum Thema "Kulturen des Wohnens", die der Ausstellungseröffnung von „SENSE OF ARCHITECTURE“ voraus ging, aber schon zeigte, sind die Herangehensweisen und Bedürfnisse der in Berlin wirkenden und der österreichischen Kollegen recht unterschiedlich gelagert: Während Berliner Architekturbüros aus Mangel an direkten Aufträgen versuchen, sich durch eigenfinanzierte, vorbildliche Wohnbauprojekte einen Namen zu schaffen, um sich damit eine Position auf dem zur Zeit in Deutschland zähen Markt zu sichern, gelangen steirische Büros meist über Direktaufträge oder durch Wettbewerbssiege zu Projektaufträgen.

Die das Podiumgespräch einleitenden "Gedanken zum Wohnen" von Prof. Klaus Kada waren symptomatisch für die folgende kurze Diskussionsrunde, denn über Utopien oder allgemeine Probleme des Wohnungsbaus lässt sich heute, in Zeiten zunehmender Individualisierung und drohender Stadtschrumpfung, unter Architekten nur schwer philosophieren. Wohnen steht in der allgemeinen Architekturdebatte Europas und gerade in Berlin, wo dieser Markt fürs Erste gesättigt ist, offenbar nicht an erster Stelle. Ganz anders wäre es sicher, würde man seinen Blick nach Asien oder Afrika richten, aber das stand in diesem Rahmen nicht zur Diskussion.

Mit den Ausführungen der Architekten Hemma Fasch und Jakob Fuchs (fasch & fuchs., Wien) über ihre Projekte zu "Wohnen und Kinder" begann eine kurze Büro- und Projektvorstellungsrunde vor der leider nicht gerade üppigen Zuhörerschar, die es am Donnerstag, den 07.12. um 16.00 Uhr, in den letzten Hinterhof des Anfang der 1990er Jahre renovierten Gewerbebaus an der Spree verschlagen hatte. Die vom DAZ zum Podium geladenen Büros aus Berlin waren Grüntuch Ernst (Kuratoren des Deutschen Beitrags auf der diesjährigen Biennale in Venedig), Abracius & Burns, Matthew Griffin von deadline, deren Projekte bei einem kleinen vormittäglichen Spaziergang durch die Spandauer Vorstadt (Berlin - Mitte), vorab besichtigt werden konnten. Dabei fiel das Estradenprojekt von Wolfram Popp in der Chorinerstraße, Berlin Prenzlauerberg besonders positiv ins Auge und man fragte sich, warum das DAZ Herrn Popp nicht auch zum Podium eingeladen hatte. Die privaten Sammlungsräume von Erika Hoffmann in den Sophie - Gipshöfen bereicherten den Eindruck abwechslungsreicher städtischer Wohnkultur in dieser Szenegegend Berlins. Das hatten die Architekten Wolfgang Feyferlik, Susanne Fritzer (Feyferlik / Fritzer), Michael Haberz , Gerhard Mitterberger und Wolfgang Köck (Pentaplan) wohl im Hinterkopf, als sie sich mittels ihrer engagierten Projekten kurz vorstellten. Das Zitat "your best investment is an architect" war dann Konsens aller anwesenden Architektenseelen und auch der Zuhörern, mit Blick auf die Eröffnung des ersten Akts der Ausstellung und das Buffet.

Denn act.one beschreibt, dass die eigentlich viel größer angelegte Ausstellung zweigeteilt wurde, um im DAZ (Deutsche ArchitekturZentrum) präsentiert werden zu können. Denn trotz seines großspurigen Namens betreibt das DAZ seiner Bedeutung in Berlin entsprechend nur kleine, kaum auffindbare Räume, was die engagierten Direktorin zweifellos durch ihr tüchtiges Engagement wettzumachen versucht. So wird also in der 2. Januar Woche act.two folgen und damit konzeptionell die Idee einer flexiblen, auf den jeweiligen Ausstellungsort abstimmbare Gesamtinszenierung unterstützen. Die Vorstellung, dass das Ganze an den folgenden Ausstellungsorten auf noch mehr Projektsflächen zu sehen sein wird, weckt in mir die Reiselust, um die Weiterentwicklung des Projekts und die Reaktionen der Betrachter zu dokumentieren.

Tatsächlich funktioniert die Ausstellung wie ein Bühne: als Betrachter bewegt man sich, eingefasst von zwei "Printarchivvorhängen", durch einen abgedunkelten Raum, in dem drei enorme Glasscheiben schwebend abgehängt sind, auf die, jeweils beidseitig, aus kräftigen Beamern die Architektur projiziert wird. Beim Gang durch den Raum spiegeln sich die Betrachter und die gegenüberhängenden Projektionen, die Laufenden und Verweilende werfen ihre eigenen Schatten und Bewegungen durch den Projektionstrahl in die Bauwerke und werden Teil der Gesamtraumcollage: Da schleicht mir eine Katze im Bild entgegen, hier weht der grüne Baum neben dem Haus, als dort der Regentropfen gegen die Scheibe fiel.....
Die von dem Filmemacher Heinz Emigholz aufgenommen Blicke haben etwas angenehm Ungeschminktes, Architekturfotografie Untypisches, sympathisch Leichtes. Erst im gegenseitigen Zusammenspiel und beim Durchqueren der akustischen Inseln entfalten die scheinbar willkürlich gewählten Bildausschnitte ihre lebendigen Atmosphären. Sie addieren sich vom Pool auf dem Bildausschnitt des einen Hauses, zu dem baumdurchwachsenen Eingang des anderen Hauses und bilden eine virtuelle steirische Architekturlandschaft mit vielartigen Strukturen, Farben und Räumen unterschiedlichster Größen. Eine unendlich scheinende Folge von Bildern erzeugt immer neue Zusammenhänge und macht den Besucher zum Forscher auf einer Wanderung durch die ArchiNatur der Steiermark. Hans Scharoun, dessen Namen der eigentlich schnöde rechteckige Saal trägt, der durch das einfache Raumdesign von Alexander Kada (mit Barbara Winter und Hermine Trummer) neue Spannung erhält, hätte wohl auch seine Freude daran gefunden.

Im Vordergrund der Ausstellung stehen nicht einzelne Bauherrn oder Architekten. Es bietet sich vielmehr ein frisches unkonventionelles Bild zeitgenössischer steirischer Architektur in höchster Qualität, das durch die von Charlotte Pöchhacker (ARTIMAGE) kuratierte Personale eine klare Sicht behält. Wer in dieser vielschichtigen Schau nur nach einzelnen bewährten Recken der Grazer Schule sucht, wird das Konzept des Forschungsprojekts Architektur Laboratorium Steiermark nicht begreifen.

So hat auch ein dutzend chinesischer Architektur-Gaststudenten aus Shanghai, die sich zur Ausstellungseröffnung neugierig einfanden, alsbald verstanden, dass es sich bei Graz nicht um den Namen eines Architekten, sondern dem einer aufgeweckte Stadt in Österreich handelt, womit sicher ist, dass die Studenten, angeregt durch diese Performance, nun auch die Steiermark auf ihre Reiseliste setzten werden. Andere aus aller Herren Länder werden folgen, wenn sich diese Bühne erst auf Wanderschaft begibt.

„SENSE OF ARCHITECTURE“ – 2. Akt
Am 10. Januar 2007 folgt der 2. Akt des Ausstellungsprojektes. Man darf auf den Architekturdialog mit dem viel versprechenden Titel "Skulpturale Tendenzen und Produktive Ambiguitäten" gespannt sein. Er wird um 19.00 Uhr beginnen.

Ausstellungssort:
DAZ Deutsches Architektur Zentrum
Scharounsaal, 2. Hinterhof, EG
Köpenickerstr. 48/49, D-10179 Berlin

Ausstellungsdauer Akt 1 + 2:
08.12.2006 bis 28.01.2007
Öffnungszeiten:
Di-Fr 12.00-18.00 Uhr
Sa-So 14.00-18-00 Uhr
23. bis 26.12.2006 geschlossen
31.12.2006 bis 02.01.2007
27.12. bis 30.12. geöffnet 14.00-18.00 Uhr

Veranstalter: Instyria Kultur Service GmbH
Kuratorin: Kuratorin Charlotte Pöchhacker
KONTAKT:
Architektur Laboratorium Steiermark
T +43 (0)316/35 61 55
artimage@artimage.at
www.archlabstyria.org
Der Architekt Claudius Pratsch lebt in Berlin und ist freiberuflich tätig.

Verfasser/in:
Claudius Pratsch, Kommentar
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