27/11/2019

Stadtgrün

Bericht von Nicolas Katzer zum interaktiven Stakeholder-Workshop Stadtgrün im Grazer Geschoßwohnbau, das am 13. November 2019 im Haus der Architektur in Graz als Fortsetzung der von Andrea Jany, Bernhard Hohmann und Thomas Höflehner initiierten Diskussionsreihe WOHNBAU.DIALOG STEIERMARK stattfand.

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27/11/2019
©: Institut für Wohnbauforschung
©: Institut für Wohnbauforschung

Die Annenstraße wird Grün! hieß es in der Zeitung Der Grazer schon 2016 und tatsächlich weisen heute zumindest das Uniqa-Gebäude sowie die Straßenbahnhaltestellen eine erfrischende Begrünung auf. Zudem verabschiedete die Stadt Graz vergangenes Jahr den Aktionsplan 2022 zur Klimawandelanpassung mit zahlreichen Maßnahmen. Ebenso ist die Rede von vielen schon bestehenden und sich derzeit in Arbeit befindenden Förderprogrammen zur urbanen Begrünung. Doch wie geht es tatsächlich in Graz weiter mit der Fassaden- und Dachbegrünung? Welche Vorteile hat die grüne Infrastruktur denn nun wirklich? Und was sind die großen Herausforderungen, wenn die Wünsche der GrazerInnen nach mehr Grün umgesetzt werden sollen? Diesen und weiteren spannenden Fragen widmeten sich die TeilnehmerInnen aus Politik, Planung und Forschung im Rahmen des zweiten WOHNBAU.DIALOGS STEIERMARK unter dem Titel Stadtgrün im Grazer Geschoßwohnbau am Mittwoch dem 13. November 2019 im Haus der Architektur.
Die von Andrea Jany, Bernhard Hohmann und Thomas Höflehner ins Leben gerufene Initiative WOHNBAU.DIALOG STEIERMARK versteht sich als regionale Kommunikationsplattform und Schnittstelle. Daher startete sie aufbauend auf das Eröffnungsevent Schritt für Schritt… für Schritt ... 30 Jahre Wohnbau weiterdenken, das im April 2019 stattfand, eine Workshop-Reihe zu spezifischen Themen des Wohnbaus. Auf diese Weise soll ein nachhaltiger Lern- und Kommunikationsprozess zwischen den verschiedenen AkteurInnen initiiert werden, der die nachhaltige Entwicklung des Wohnbaus fördern soll. Da urbane Begrünung ein Thema mit großem integrativen Potenzial ist, fokussierte die erste interaktive Veranstaltung auf das Thema Stadtgrün.

Im ersten Stakeholder-Workshop des WOHNBAU.DIALOG STEIERMARK trafen sich interessierte AkteurInnen, um das Thema Stadtgrün in Graz aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten. In zwei Impulsvorträgen stellten zunächst Vera Enzi von GrünstattGrau und Thomas Lampesberger, Referent für Umwelt im Büro der Stadträtin Schwentner, die zahlreichen Vorteile und Synergien von urbaner Begrünung und deren mögliche Förderungen dar. Ergänzt wurden ihre Ausführungen mit spannenden Beispielen von bereits erfolgreich durchgeführten Projekten. Anschließend wurden im Stil eines World Cafés an vier Tischen die wichtigsten Kernthemen in mehreren Runden diskutiert und ausgearbeitet. Hierbei wurde Wert darauf gelegt sowohl die Herausforderungen zu adressieren als auch mögliche Lösungen zu erarbeiten, um für Umsetzungsvarianten, soziale Nachhaltigkeit, laufender Betrieb und strukturelle Rahmenbedingungen gleichermaßen ein vollständiges Bild zu generieren. Dies gelang aufgrund der bunten Mischung anwesender Stakeholder sehr gut. Jede/r konnte frei und offen seine/ihre eigenen Schwerpunkte, Zugänge und Anschauungen mit einfließen lassen. Leider wurde so manch spannendes Gespräch durch das im wahrsten Sinne des Wortes Einläuten der nächsten Themenrunde unterbrochen, bzw. auf das Networking an der Bar verschoben.

Doch nun zum Inhalt: Was sind die konkreten Vorteile von urbanem Grün?
Wie aus den Impulsvorträgen hervorging, ist damit zu rechnen, dass die Anzahl der extremen Hitzetage sowie auch der Regenereignisse als Folge des Klimawandels weiter steigt. Daher beschäftigt sich die Stadt Graz intensiv mit den Möglichkeiten der Stadtbegrünung, die enorme Vorteile mit sich bringt: Das Mikroklima profitiert durch die natürliche Atmung der Pflanzen, sodass an heißen Tagen die gefühlte Temperatur um bis 10°C gesenkt werden kann. Gleichzeitig wirkt sich die Begrünung auch auf den städtischen Wasserkreislauf aus, wodurch mit guter Planung bei großen Regenmengen das Ausmaß an Überflutungen eingedämmt oder gar verhindert werden kann. Weiters können spannende Synergien zwischen Bautechnik und Begrünung ausgenutzt werden, die zu einer Verbesserung des Innenraumklimas, geringerem Energiebedarf und einer Verlängerung der Lebensdauer von Bauten führen kann. Und zu guter Letzt geht aus verschiedenen Forschungsarbeiten hervor, dass urbane Begrünung ein wesentlicher Faktor zur Erhöhung der Aufenthaltsqualität von öffentlichen Plätzen darstellt.

Warum also ist noch nicht alles begrünt? Was sind die Herausforderungen in Graz? Diese und weitere Fragen wurden im interaktiven Workshop an den unterschiedlichen Thementischen näher behandelt.
Am Thementisch für strukturelle Rahmenbedingungen wurde auf die Unterpunkte von Förderungen, rechtliche Rahmenbedingungen und Lebenszykluskosten näher eingegangen. Erkannt wurde einerseits, dass die Vernetzung zwischen den Abteilungen verbesserungswürdig zu sein scheint, sobald Anfragen (wie die der Begrünungen) mehrere Ämter beträfen. Andererseits wurde aber auch kritisiert, dass die Förderhöhen und -Voraussetzungen oft limitierende Faktoren seien und mehr die Förderung des Betriebs und der Instandhaltung als Alternative in Erwägung gezogen werden solle.
Als am bedeutendsten bleibt wahrscheinlich die Feststellung, dass eine übergeordnete Stelle für Klimawandel und -Anpassung sinnvoll sei, welche die verschiedenen Anträge und Fälle koordiniert und zwischen den jeweils verantwortlichen Ämtern abstimmt, sodass Behördengänge für Antragstellende erleichtert und verkürzt werden.
Außerdem brauche es bei der Beurteilung der Nachhaltigkeit (wie auch schon beim Startevent dieser Reihe festgestellt) eine Betrachtung der Gesamtheit aller Auswirkungen über die ganze Lebensspanne der Objekte; der Fokus sollte also auf Lebenszyklusanalysen liegen.

Für die Umsetzungsvarianten wurden Technik, Bepflanzung und Gestaltung kritisch beleuchtet. Auf Seiten der Technik kristallisierten sich Herausforderungen für die Sanierung von bestehenden Bauten, die Statik im Allgemeinen, den Wasserkreislauf und die Substrataufbauten heraus. Gerade die letzten beiden Themen sind eng verbunden mit den Folgen des Klimawandels und wirken sich daher enorm auf die Bepflanzungsauswahl aus. Die Anpassungsmaßnahmen und Lösungen hierfür (z.B. Abstimmung zwischen extensiver und intensiver Begrünung; Design zur effektiven Nutzung von Grauwasser; Entsiegelung von Flächen; Diversität fördern) sind schon bekannt, allerdings bedürfe es integrativer, einfach umsetzbarer Standardlösungen sowie eines Miteinbezugs der Gesellschaft zur Sensibilisierung und zum Wecken des Interesses.

Am Thementisch zum Laufenden Betrieb wurde schließlich auf die Organisation, Instandhaltung und Synergien von Stadtbegrünungen im Detail eingegangen. Es wurde schnell deutlich, dass einige Fragen der Zuständigkeiten zu beispielsweise Laubentfernung, Brandschutz, Arbeitsschutz, Kostenaufteilung und Nutzerzuordnung noch teilweise offen scheinen. Beratende Funktion könnten hier die MA 37 und MA 39 in Wien sowie Institutionen wie GrünstattGrau einnehmen, sowie auch Normen für mehr Klarheit sorgen. Insgesamt brauche es aber mehr Demonstrationsprojekte mit deren Erfolgen einerseits viele der genannten Herausforderungen innovativ gelöst und andererseits mehr Medienpräsenz und Interesse geschaffen werden könne – ein wichtiger Schritt für mehr urbane Begrünung.

Die Diskussion zu Aspekten der Sozialen Nachhaltigkeit fokussierte auf soziale Netzwerke, Bewusstseinsbildung und Lebensqualität. Die Debatte an diesem Thementisch war erneut sehr vielfältig und spannte den Bogen von der Konkurrenz zwischen mobilisierten Individualverkehr und begrünten öffentlichen Flächen, zur Unsicherheit wie und wo eigentlich aus Bürgerhand begrünt werden kann/darf/soll, zu den erschwerenden aber notwendigen bürokratischen Hürden und schwierigen Wohnsiedlungszustimmungen. Das Gros möglicher Lösungen zielte schließlich meist auf die (Re-)Aktivierung der Grünflächen ab. Die Idee ist durch Initiativen und Projekte die Bevölkerung zu aktivieren, sodass sie sich mit dem urbanen Grün identifiziert; dies führe automatisch zu mehr Eigeninitiative der BürgerInnen. Damit verbindbar wären zudem viele andere Ansätze wie die Bereitstellung einer Plattform, um sich aktiv zu beteiligen und einzubinden, Vorgaben zur Raumplanung, Miteinbezug des Lebenszyklus in Förderungen, etc. Die Chance für eine anhaltende Steigerung der Aufenthaltsqualität schien hiermit am sinnvollsten.

Im Sinne eines Austausches unter den vielfältigen wie auch relevanten Akteurinnen und Akteuren, waren die Diskussionen ein gefühlt wertvoller Beitrag, um eine konstruktive Kommunikation und gemeinsame Entwicklung voranzutreiben. Inwieweit ein kollektives Weiterdenken im steirischen Stadtgrün mit diesem WOHNBAU.DIALOG gesetzt werden konnte bleibt abzuwarten und wird sich vielleicht im kommenden Event teilweise widerspiegeln. Dieses ist für April unter dem Thema Sanierung im Geschoßwohnbau bereits in Planung – Veranstaltungsort wird voraussichtlich wiederum das Haus der Architektur in Graz sein.

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