18/12/2007
18/12/2007

In der „Grünen Akademie“ Graz diskutierten unter der Leitung von Peter Huemer,
Michael Redik, Joseph Schnedlitz (v. re.)...

.....Eilfried Huth, Karin Tschavgova und Markus Bogensberger (v. li.)

Rund 30 Personen waren der Einladung gefolgt.....

...und labten sich nach zwei Stunden angestrengter Denkarbeit am Buffet.
Fotos: KW

Seit 2003 geistern beliebig viele Etiketten für Graz in den politischen und anderen Köpfen.....Eine Stadt, die je nach Belieben mit dem Etikett „Kulturstadt“, „Sportstadt“ usw. versehen wird, ist im Wettbewerb mit anderen Städten benachteiligt.
Grafik: KW

Nach der inhaltlich verwandten Veranstaltung der Grazer Volkspartei („FINDET GRAZ STADT?“ am 08.11.07, GAT berichtete) lud die „Grüne Akademie“ am 14.12.07 zu einer Podiumsdiskussion. Unter der Moderation von Peter Huemer diskutierten Markus Bogensberger, Architekt, Eilfried Huth, em. Professor für Architektur, Karin Tschavgova, Architekturpublizistin, Michael Redik, Leiter der Stadtplanung Graz und Joseph Schnedlitz, Stadtmarketing, das Thema mit ca. 30 Personen in familiärer Atmosphäre.

Redik hätte den Titel anders formuliert, weil Graz zwar viele Pläne in Form von Stadtentwicklungskonzepten, Bebauungsplänen usw. hat, jedoch bei der Umsetzung über zu wenig gesetzlichen Spielraum verfügt. So kann die Stadt zum Beispiel über die „Bauabgabe“ für notwendige Begleitmaßnahmen von Bauvorhaben sorgen, aber diese decken bei weitem nicht die Ausgaben, die im Zusammenhang mit neuen Gebäuden für den öffentlichen Raum oder verkehrliche Maßnahmen zu investieren sind. Hier ist in der Landesgesetzgebung zu überlegen, wie viel die Investoren für die Infrastruktur und das allgemeine Wohl des Standorts beitragen müssen, von dem sie letztlich auch Nutznießer sind.

Schnedlitz, seit drei Jahren für Graz tätig, hat es nicht leicht, eine klare Orientierung und Profilierung aus der Fülle der Planungen und Verordnungen herauszulesen. Eine Stadt, die von der Politik je nach Belieben mit dem jeweils passenden Etikett „Kulturstadt“, „Sportstadt“ oder „Lebensstadt“ versehen wird, ist im Wettbewerb mit anderen Städten benachteiligt. Selbst den Bürgern von Graz würde zu Graz nicht viel mehr einfallen, als die Schönheit der Altstadt. Es mangelt also an einem eindeutig formulierten Bild der Stadt, das sich von der Stadtwerbung auch eindeutig kommunizierten lässt.

Bogensberger greift den Titel „Kulturhauptstadt“ auf und beleuchtet das von der Politik nach 2003 favorisierte Schild „Architekturhauptstadt“ (Hauptstadt wovon? – Anm. HDA) und dem daraus hervorgegangenen „Projekt_A“, das 2004 formuliert wurde und als transdisziplinäres Projekt Graz und seinem Kulturschaffen Profil geben könnte.

Tschavgova filtert aus dem Titel die Frage, ob man heute eine Stadt und ihre Gesellschaftsprozesse planen könne und wenn ja, welches Bild der Stadt den Plänen zugrunde gelegt werde – wiederum der Hinweis auf klare inhaltliche Positionierung gerade in Zeiten schrumpfender kommunaler Budgetmittel. Zudem müssten urbane Antworten auf die nach wie vor beliebteste Wohnform des Hauses im Grünen gefunden werden.

Huth begrüßt die (vermeintlich) unzulängliche Planung für Graz, möchte aber die sinnvolle Entwicklung und Verwaltung des vorhandenen Grazer Stadtgebietes im Sinne von Steigerung der Lebensqualität sehen. Den Gemeindewohnbau würde er nicht privatisieren, sondern ebenso wie die Infrastruktur im Eigentum der Stadt belassen und weiterentwickeln.

Huemer wundert sich über die Tatsache, dass Graz seit fünfzig Jahren bevölkerungsmäßig praktisch nicht gewachsen ist, was auf eine enorme Abwanderung ins Umland schließen lässt, der eigentlich mit Stadterneuerung begegnet werden müsste. Zudem sei die Argumentation der leeren Stadtsäckel angesichts der Tatsache, dass Österreich das drittreichste Land Europas ist, nicht nachvollziehbar - obwohl natürlich die wachsenden Aufgaben der Städte zu bedenken seien.

Redik weist auf die bestehenden Leitbilder der Stadt Graz hin (ohne sie genauer darzustellen – jeder kann sie nachlesen) und skizziert, womit sich Stadtplanung heute auseinander zu setzen hat: Der Lebensraum Stadt ist einem permanenten Wandel unterworfen, der Ausgleich unterschiedlichster Interessen muss herbeigeführt werden und den Gesellschaftsprozessen sollen Angebote gemacht werden.

Tschavgova und Schnedlitz beharren darauf, dass eine Stadt sich entscheiden muss, wie sie sich weiterentwickeln will, die dafür notwendigen verbindlichen Rahmenbedingungen zu formulieren hat und fordern klare Planungsleitbilder auch in Hinblick darauf, dass Investoren wissen sollen, woran sie am Standort Graz sind. Huemer und Bogensberger überlegen, ob es nicht richtiger wäre, im Vorfeld großer Bauvorhaben und speziell für die Entwicklung neuer Wohngebiete wie Reininghaus-Gründe und Messeareal, Masterpläne ausarbeiten zu lassen, die den Investoren und der Politik als Vorgaben dienen. Gerade aber am Beispiel Reininghaus-Gründe kann – so Redik - nachvollzogen werden, wie wenig die seit vielen Jahren aufliegende detaillierte Planung für diesen Bereich (von der Verkehrs- über die Grünraumplanung bis hin zu multifunktionalen Nutzungsfestlegungen) ohne potenzielle Investoren gebracht hat. Erst mit dem jetzigen Partner auf der Investorenseite sei man auf einem Weg über Verhandlungen und unter Bedachtnahme der städtebaulichen Vorgaben eine Entwicklung herbeizuführen, von der beide Seiten profitieren können. Für diesen Prozess nehme man sich bewusst Zeit.

Huth versucht einen Blick über den Tellerrand und belebt die visionäre (aus den 1960er Jahren stammende) Sicht auf Graz in fünfzig Jahren, wobei er sich einen Verband mit den im Umkreis von dreißig, vierzig Kilometern liegenden Kleinstädten, ähnlich wie Berlin vorstellen kann. Die Stadt muss auch Lösungen finden, wie sie die Ansiedelung von MigrantInnen steuern (Integration), sowie der zunehmenden CO2 - Emission durch Individualverkehr und Urlaubsverhalten der Bevölkerung in und außerhalb der Stadt begegnen will (Naherholungsangebote).

Im Publikum saß Heinz Rosmann, der ehemalige Chef des Stadtplanungsamtes, der die Planbarkeit einer Stadt, so wie sie noch im 19. Jahrhundert stattgefunden hat, heute nicht mehr gegeben sieht. Vielmehr ist ein Dialog mit den Investoren auf hohem Niveau während des Planungsprozesses unter Bedachtnahme der Rahmenbedingungen (Infrastrukturen, Flächenwidmung, Bebauung etc.) seitens der Stadt zielführend. Längerfristige Strategien wie die Entwicklung des rechten Murufers und des Grazer Westens jenseits der Bahnlinie sind konsequent zu verfolgen und weiter zu entwickeln.

Die Stadt Graz, die sich anders als Wien ihre Gesetze nicht selbst machen kann, hofft auf das neue steirische Raumordnungsgesetz (Beschluss voraussichtlich 2008), worin die Möglichkeit der Nutzungsmischungen bereits in den Bebauungsplänen verankert sein wird.

Verfasser/in:
Karin Wallmüller, Bericht
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