22/01/2006
22/01/2006

Werbekampagne Elbphilharmonie
Hagenbecks Tierpfleger: 3 von 1,7 Millionen Bauherren der Elbphilharmonie“

Werbekampagne Elbphilharmonie
Hagenbecks Tierpfleger: 3 von 1,7 Millionen Bauherren der Elbphilharmonie“

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Wie eine gläserne Welle...Modell der Elbphilharmonie im InfoCenter der HafenCity

Leitmodell: Metropole Hamburg – Wachsende Stadt

Kaispeicher A: Die Elbphilharmonie kommt

Schöne Aussichten II
Geld, Geschichte und Gefühle oder: Hamburg baut ein Wahrzeichen.

Von Judith Laister

„Hamburg baut ein Wahrzeichen, unter dieses anspruchsvolle Motto haben wir die Werbekampagne für die Elbphilharmonie gestellt. Wir wollen die Herzen der Hamburger erobern, die Elbphilharmonie soll Hamburgs Wahrzeichen des 21. Jahrhunderts werden. Bauen Sie mit, unterstützen Sie den Bau der Elbphilharmonie.“ Prominente Sponsoren posieren volksnah mit gelbem Bauhelm und rufen in Medien und auf Plakaten zur Mitfinanzierung des neuen Wahrzeichens in der HafenCity auf. Von den veranschlagten 186 Millionen Euro Gesamtbausumme will die im Oktober 2005 gegründete „Stiftung Elbphilharmonie“ möglichst viel durch Spendengelder decken. Jeder einzelne Hamburger soll sich durch den Aufruf „Schenken Sie Ihrer Stadt ein Wahrzeichen!“ als Bauherr mit den Projekt identifizieren können, vor allem aber gilt es in der Stadt mit der bundesweit höchsten Dichte an Millionären weitere Großspenden zur Realisierung des Vorhabens sowie zur Mitfanzierung der laufenden Betriebskosten ab 2009 zu lukrieren. Innerhalb weniger Monate konnten mehr als 52 Millionen Euro durch größere (das Unternehmerpaar Helmut und Hannelore Greve stiftete etwa 30 Millionen Euro, Michael Otto und die Hermann-Reemtsa-Stiftung je 10 Millionen Euro) und kleinere Geldbeträge aufgestellt werden. Und obwohl Hamburg auf eine reiche Tradition im Bereich kulturellen Stiftungswesens verweisen kann, wird angesichts der erstaunlichen Summen bereits von der „Hansestadt als Avantgarde einer neubürgerlichen Mentalität“ (Der Spiegel) gesprochen. In der Kaufmannsstadt scheint die Idee eines neuen Mäzenatentums nach amerikanischem Vorbild besonders zu fruchten. Aus Kultur Kapital schlagen, und zwar symbolisches wie langfristig auch finanzielles, reizt die dem Ruf nach nicht allzu kulturbeflissenen „Pfeffersäcke“ dann doch. Neben der Vermarktung der Elbphilharmonie als Garant für eine prestigeträchtige Image-Politur abseits von Geschäftssinn, Reeperbahn und Alster-Regatten wird vor allem an das kulturelle Gewissen der Hanseaten appelliert. Angesichts defizitärer Staatskassen, die nicht nur sozial-, sondern auch kulturpolitische Sparmaßnahmen rechtfertigen sollen, sind neue Konzepte gefragt. „Die Elbphilharmonie“, so Hartmut Wegener, Geschäftsführer der Projekt-Realisierungsgesellschaft ReGe, „kann ein nationales Symbol dafür werden, dass privater Reichtum und Verantwortung für das Gemeinwohl noch zusammengehören.“

„Die Elbphilharmonie ist ein Projekt für alle, die Hamburg lieben“. Kultursenatorin Karin von Welck gerät ins Schwärmen, wenn sie über „das Jahrhundertvorhaben“ der Hansestadt spricht. Bis 2009 soll das von Herzog & de Meuron geplante Konzerthaus auf dem Kaispeicher A (Werner Kallmorgen, 1964–66) als neues Wahrzeichen der Stadt realisiert werden. Gebaut wird nicht nur einer der zehn besten Konzertsäle der Welt, der von Klassik bis Popmusik für unterschiedliche Geschmackskulturen offen steht, sondern ein „Haus für alle“, das von einer öffentlichen Plaza in 37 Meter Höhe einen Rundblick auf Stadt und Hafen ermöglicht. Jeder Hamburger, so die Vorstellung der Initiatoren, soll seine Gäste auf die Terrasse führen und ihnen voll Stolz die Schönheit der Stadt zeigen. Neben offenen Gefühlsregungen über die Liebe zu Geschichte und Hafen prägen demokratische Bekenntnisse die dichte Informations- und Bildpolitik rund um den Bau. Die Elbphilharmonie, so wird bereits in der Projektbeschreibung der Architekten betont, ist ein „Ort für sämtliche HamburgerInnen und für Leute aus aller Welt, (...) der nicht nur Privilegierten offen stehen wird“. Wie eine Stadt in der Stadt in der Stadt soll ein Haus für die Musik, vor allem aber „ein neues Zentrum des gesellschaftlichen, kulturellen und alltäglichen Lebens“ entstehen. Geplant sind – neben einem Parkhaus im Backstein-Sockel – eine Konzerthalle, ein Kammermusiksaal, ein 5-Sterne-Hotel, Skybar, Restaurants, Luxuswohnungen, Wellness- und Konferenzräume. „Was bislang als Kaispeicher A ein relativ stummes Monument aus der Nachkriegszeit war, wird nach dem Umbau zu einem Zentrum für Musiker, Musikliebhaber, Touristen und Geschäftsleute, die sich den Aufenthalt an dieser exquisiten und gleichzeitig zentralen Lage sicher auch etwas werden kosten lassen.“ (Herzog & de Meuron) Abseits von den luxuriösen Verheißungen im Inneren erschließt sich von einer umlaufenden, öffentlich zugänglichen Terrasse am Dach des Kaispeichers „für alle“ ein „einzigartiges Panorama“ über Stadt und Hafen. Von einer Plaza für das 21. Jahrhunderts ist da die Rede, von einem Gebäude gleich einer Stadt, von verdichteter Urbanität und der Krönung des Stadterweiterungsprojekts HafenCity.

Die kulturelle Funktion des Gebäudes als Aufführungsort für Musik bleibt in der öffentlichen Darstellung eine unter vielen. Im Zentrum stehen Backsteinsockel und gläserne Welle als Blickfänger sowie der freie Blick für alle, der als touristisches Versprechen die bereiste oder die eigene Stadt neu erlebbar macht. Es dominiert die Form als neues Logo und einprägsames Markenzeichen: Wie das Opernhaus in Sydney, das Guggenheim-Museum in Bilbao oder die Disney Hall in Los Angeles zielt die Elbphilharmonie auf City-Branding ab, dessen ökonomisches Ziel deutlich formuliert wird: „Die Elbphilharmonie soll zeigen, dass in der HafenCity etwas weiter geht.“ (Kultursenatorin Karin von Welck) Es gilt einerseits, den zögerlichen Wachstumsprozess des Stadtteils anzukurbeln und nach dem Scheitern der Olympia-Pläne für 2011 neue Investoren anzulocken; andererseits die Identifikation der Hamburger mit dem wenig populären Projekt HafenCity zu stärken.

Das Stadterweiterungsprojekt an der Elbe polarisiert bis heute. Demonstrative Begeisterung über die visionäre Investition in die Zukunft der Stadt auf der einen Seite, kopfschüttelnde Ablehnung der unternehmerischen Raumpolitik vor dem Hintergrund eines Rückbaus sozialstaatlicher Errungenschaften auf der anderen Seite; dazwischen Affirmation als Strategie der Mitgestaltung und Resignation ob der Übermacht politisch-ökonomischer Wachstumsallianzen. Dazu wurde der Ruf nach Identität und Urbanität für den von Investoren- und Touristenwünschen geprägten Stadtteil immer lauter. Ohne entsprechende Anbindung an lokale Bedürfnisse und Traditionen drohe hier ein eigenschaftsloser Yuppie-Distrikt aus nüchternen Bürobauten, Luxusgastronomie und kolportierten Wohnungspreisen ab 4000 Euro pro Quadratmeter zu entstehen. Ob kapitalistischer Größenwahn oder visionäre Investition in die Zukunft: Am Beispiel der HafenCity Hamburg, zugleich Modellstück für das offizielle Leitbild „Metropole Hamburg – Wachsende Stadt“ (seit 2002), lassen sich Tendenzen und Diskurse, Kritik und Krisen des postindustriellen Unternehmens Stadt auf dichte Weise studieren. Der Projektverlauf spiegelt in vielen Bereichen den Stadt-Diskurs seit den 1990er Jahre wider, der getragen ist von einer Kritik am Ausbau der Städte zu ästhetisierten Dienstleistungs- und Erlebnislandschaften. Zwei Befunde dominieren die Analysen der Experten und begleiten das Projekt HafenCity sowohl als Anleitung zum Erfolg als auch als Instrument strategischer Beruhigungsversuche.

Erstens: „Die Kluft wird tiefer“ (Saskia Sassen). Im Zeichen wirtschaftlicher Globalisierung, so die Diagnose, entstehen verschärfte Ungleichheiten sowohl zwischen als auch innerhalb von Städten, da die postindustrielle Wachstumsdynamik weitgehend auf den Standortbedürfnissen und -präferenzen der Global Players beruht. Als Profiteure dieser Entwicklungen gelten – auf Seiten der Städte – transnational agierende Metropolen; auf Seiten der Akteure die „Urban Professionals“ (Klaus Ronneberger) als gut situierte Leistungs- und Entscheidungsträger. Während die Stadtzentren zu semiöffentlichen Konsumfestungen ausgebaut werden, wächst „an den Rändern der Städte“ (Häußermann / Kronauer / Siebel) die soziale Exklusion. Denn, so die fast schon stereotype Formel kritischer Stimmen, städtisches Wachstum geht nicht automatisch mit gesellschaftlicher Problemlösung wie der Schaffung von Arbeitsplätzen, regionaler Marktankurbelung und steigender sozialer Klüfte einher, was von politischer Seite als Hauptargument für die Ökonomisierung des Stadtraums propagiert wird.

Zweitens: Eine globale Amnesie bringt den Typus der „Stadt ohne Eigenschaften“ (Karin Wilhelm) hervor, die gesichts- und identitätslos den Kult der strahlenden Oberfläche zelebriert. Der oft drastisch formulierte Befund der „Stadt als Beute“ (Klaus Ronneberger) international agierender Investoren korrelliert mit der Beobachtung, dass sich Kultur, Raum und Ökonomie mehr und mehr verzahnen. Wer im Ringen um Aufmerksamkeit punkten will, muss nicht nur ökonomische Anreize, sondern auch kulturelles Kapital im Sinne einer attraktiven, modernen Metropole zu bieten haben. Jede Stadt verfügt dabei über eine ihr eigene „Ökonomie der Symbole“ (Sharon Zukin), die ihren Wert im internationalen Wettbewerb mitbestimmt. Neben hochklassigen Life-Style-Angeboten hat im Zeichen der nivellierenden Tendenzen globalisierter Stadtgestaltung die Inszenierung lokaler Identität und Geschichte an Bedeutung gewonnen.

Die HafenCity mit ihrem „kulturellen und städtebaulichen Leuchtturmprojekt“ Elbphilharmonie ist monumentales Beispiel für die viel beschriebene und diskutierte Standortpolitik mit dem Investor als Hoffnungsträger wie als Feindbild, und sie zeugt vom Aufstieg des City-Marketing, das gleich den marktwirtschaftlichen PR-Strategien das Geschäft mit Gefühlen, Geschichte und Identität in großem Maßstab blühen lässt. War die „Abbruch-Hauptstadt“ Hamburg bislang für einen recht unsentimentalen Umgang mit dem gebauten Erbe der Vergangenheit bekannt, so setzt das jüngste Kapitel der HafenCity neue Schwerpunkte. Mit der Inszenierung der Elbphilharmonie als wellenförmiges Wahrzeichen auf historischem Sockel wird eine emotionale Identitätspolitik verfolgt, die kulturellen Kapitalgewinn für alle – nicht nur für die „reichen Pfeffersäcke“ – verspricht. Dem Bau bzw. dem Bild der Schweizer Architekten kommt dabei die Aufgabe zu, zwischen kapitalistischen Interessen, demokratischer Verantwortung und bürgerlicher Stadtkultur zu vermitteln. Backstein, Wellen, ein Hauch von Luxus und Musik. „Die Welt“, so kommentiert der Spiegel in seiner jüngsten Ausgabe (3/2006), „wird so nicht gerechter, aber schöner. Und der Elbblick ist herrlich.“ JUDITH LAISTER, studierte Kulturanthropologie und Kunstgeschichte in Graz, arbeitet zurzeit als Postdoktorandin am Graduiertenkolleg „Kunst und Technik“ an der TU Hamburg-Harburg.

Fotos: J. Laister

Verfasser/in:
Judith Laister
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