30/08/2018

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Aus dem GAT-Fundus für die Sommerreprise 2018 geholt:

Minimal Art Meets Architecture: Allianz, Symbiose oder Anbiederung?

Ute Angeringers Kommentar zur Ausstellung Sol LeWitt – Wall im Kunstaus Graz, 2004, einer Kommunikation zwischen Architektur und Kunst, die zum Hinterfragen der Positionen von Minimal Art und Konzeptkunst anregte.

30/08/2018

Sol LeWitt – Wall' im Kunstaus Graz, 2004

©: Margherita Spiluttini

Eine Annäherung an Sol LeWitts Wall im Space 01, Kunsthaus Graz. Oder wie aus der Herausforderung der Kommunikation zwischen Architektur und Kunst ein symbiotisches Verhältnis entstand, das bei näherem Hinterfragen der Positionen von Minimal Art und Konzeptkunst beim Betrachter einige Fragen aufwirft.

Zuerst die, dass die "Beziehung zwischen Sol LeWitt und der Architektur all seine Schaffensjahre hindurch peinlich genau getrennt bleibt, ohne dass sie je in Grenzbereiche geraten wäre oder es zu Vermischungen kommen konnte..." [1], wie es Marco de Michelis in seinem Beitrag im Ausstellungskatalog formuliert.
 Denn in der Tat überrascht die Wall in der Annäherung an den Space 01: Erzeugt sie doch ein neues Spannungsverhältnis mit dem vorhandenen Raum und darüber hinaus neue Räume, die sich mit Gegebenem geradezu symbiotisch vereinigen. Das tut dem Raum sehr wohl – die Disharmonie der letzten Ausstellung noch eingedenk. Und beinahe ist man geneigt von sinnlichem Raumerlebnis zu sprechen, gäbe es nicht die Neonringe der Nozzles und würde der natürliche Lichteinfall nicht durch Lamellen gestört.
Zudem drängt sich die Auseinandersetzung mit Minimal Art und Konzeptkunst dazwischen, als einer der herausragendsten Vertreter dieser Strömungen Sol LeWitt gilt, die schon in ihrer Definition eine allzu emotionale Annäherung ausschließen und den Intellekt auf den Plan rufen: In den 1960er Jahren, gleichzeitig als Peter Cook bei Archigram seine nunmehr in Form gegossenen architektonischen Experimente entwickelte, entstanden in der Kunst u.a. Minimal Art und Konzeptkunst - in Architektur wie Kunst als Kontraposition zur damals noch dominierenden Moderne.
Aber was ist Konzeptkunst?
 Paul Horwich verweist auf den Umstand, dass sich Konzeptkunst jeglicher Definition entzieht und bezieht sich auf Sol LeWitts Aussagen:
"Eine der hervorstechendsten Eigenschaften der von Sol LeWitt erläuterten und produzierten speziellen Kunstform, für die er den Begriff 'Konzeptkunst' verwendet ist das Leugnen einer Betonung der Ebene der physischen Realität und der ersatzweisen Konzentration auf die psychologische und abstrakte Ebene von Ideen und potenziellen Konstrukten.
 Während das traditionelle Objekt ästhetischer Wertschätzung in der visuellen Kunst eine materielle Oberfläche oder ein dreidimensionales Ding ist, zielt Konzeptkunst darauf ab, unsere Aufmerksamkeit auf einen verborgenen Gedanken oder Plan zu lenken. Die Details für die Ausführung des Planes sowie das Können, mit dem dieser ausgeführt wird, sind daher irrelevant. Ein weiteres Charakteristikum von LeWitts ist ihm selbst zufolge, dass seine Arbeiten 'geistig herausfordernd' sein sollen, aber dem Auge nicht gefallen oder einen 'emotionalen Kick' geben müssen." [2]
Somit erübrigt sich jeglich Auseinandersetzung mit der Ausführung von 70 m Wand aus 144 Tonnen Ytong, deren Umsetzung auch hier den Ausführenden überlassen wurde; widerspräche auch dem Konzept von Wall, das getreu dem theoretischen Kontext aus einem Fax mit einer gezeichneten Linie bestand, hervorgegangen aus einem Lokalaugenschein des Künstlers auf der Baustelle des Kunsthauses im letzten Sommer, indem er im Space 01 einen 5 m Riss anlegte und diesen intuitiv auf ein A4 Blatt setzte.
Vor diesem Hintergrund ist selbst der Verweis auf Sol LeWitts frühere Verwendung von Leichtbausteinen zuviel Interpretation und erst recht jegliche Aussage zur Materialität der sorgfältig geschichteten 16 Lagen Ytong Steine ...
Bleibt zuletzt die immer wieder quälende Frage der Rezipientin: Verstehe ich das innerste Wesen eines Kunstwerkes nicht, wenn es mich sinnlich erfreut?

[1] Marco de Michelis, Sol LeWitt oder von der Artchitektur, in: Sol LeWitt. Wall, Publikation anlässlich der Ausstellung im Kunsthaus Graz am Landesmuseum Joanneum, 28.02.2004 - 02.05.2004, Hrsg: Peter Pakesch, Verlag der Buchhandlung König, Köln, 2004, S. 13

[2] Paul Horwich, Wie man Konzeptkunst konzipiert, in: Sol LeWitt. Wall, Publikation anlässlich der Ausstellung im Kunsthaus Graz am Landesmuseum Joanneum, 28.02.2004 - 02.05.2004, Hrsg: Peter Pakesch, Verlag der Buchhandlung König, Köln, 2004, S. 33

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