16/08/2022

Schau doch!

Gibt die Raumordnung dem Bauerbe eine Chance?  
Das Beispiel: Villenviertel in Gösting.

Die Kolumne von Peter Laukhardt zu unersetzlichen, schützenswerten Bauten im Grazer Stadtraum erscheint jeden 3. Dienstag auf GAT.

16/08/2022

Bild 1: SK 13.1 Altstadt-Schutzzone IV/4 Dorf Gösting

Bild 2: SK 13.2 Anton-Kleinoscheg-Straße

Bild 3: Anton-Kleinoscheg-Straße 14 und 12

©: Peter Laukhardt

Bild 4: SK 13.3 Villenviertel Aspachgasse

Bild 5: Villa Corneliusweg 12

©: Peter Laukhardt

Bild 6: SK 13.4 Müllerviertel

Bild 7: Villa Müllerviertel 17

©: Peter Laukhardt

Bild 8: SK 13.5 Straßengelstraße

Bild 9: Villa Straßengelstraße 31

©: Peter Laukhardt

Bild 10: Die Villengebiete im RLB 1.0

Bild 11: Die Villengebiete im Fläwi 4.2

Schon 2010 hatte der Grazer Gemeinderat auf Antrag des KPÖ-Mandatars Andreas Fabisch einstimmig beschlossen, einen Schutz-Kataster für das Grazer Bauerbe zu erstellen. Auch einen zweiten Beschluss des Jahres 2016 setzte die Stadtbaudirektion nicht um und begründete das mit dem Fehlen rechtlicher Grundlagen. Seit 2010 kämpfen wir von SOKO Altstadt darum, diesen Wunsch Wirklichkeit werden zu lassen. Seit 2011 arbeiten wir an einer Dokumentation im Internet auf www.grazerbe.at, zeigen wertvolle Bauten auf und kritisieren den verantwortungslosen Umgang damit. Von der Politik wurde auch hin und wieder Unterstützung zugesagt, es gab einzelne Erfolge, aber meist blieb es bei Lippenbekenntnissen.

So hat die am 18.1.2022 vom Landtag beschlossene Novelle zum Steiermärkischen Raumordnungsgesetz zu unserer großen Enttäuschung weiterhin weder durch Versiegelungsbeschränkungen dem gewachsenen Boden und Grünraum eine Chance gegeben, noch einen verstärkten Schutz für das Bauerbe implementiert. Man hat auch die von uns ins Spiel gebrachten guten Beispiele aus Tirol und Salzburg vom Tisch gewischt. Es gibt also weiterhin keine Möglichkeit, einen „Schutz-Kataster“ für das Bauerbe in den städtischen Planwerken darzustellen. 

Obwohl sich vor dem Hintergrund der wachsenden Skepsis gegen die ressourcenfressende, klimaschädliche Bauwut manche Kritiker für einen Baustopp und den Vorzug von Sanierungen und Umnutzungen aussprechen, ficht das unsere Stadt- und Landespolitiker offenbar noch immer nicht weiter an. Hier die Fakten:

Zwar sagt das ROG im § 3 (Raumordnunggrundsätze):
(2) Dabei sind folgende Ziele abzuwägen:
5. Schutz erhaltenswerter Kulturgüter, Stadt- und Ortsgebiete, Erhaltung der Orts- und Stadtkerne sowie Stärkung ihrer Funktionen.

Weiters steht im § 7. Im Flächenwidmungsplan sind ersichtlich zu machen:
6. Gebiete mit erhaltenswerten Orts- und Straßenbildern sowie historische, städtebaulich und architektonisch bedeutsame Gebäudegruppen

Da aber offensichtlich nach wie vor unklar ist, ob damit nicht nur Schutzzonen nach dem GAEG (Grazer Altstadterhaltungsgesetz) oder nach dem Steiermärkischen Ortsbildschutzgesetz verstanden werden können, zielt unsere folgende Forderung auf einen erheblichen Teil erhaltenswerter Straßenbilder in Graz: die Villengebiete. Einige davon konnten wir schon im RLB 1.0 (Räumliches Leitbild) erkämpfen, einige blieben unberücksichtigt. Aber auch andere „Gebiete mit erhaltenswerten Orts- und Straßenbildern …. „ müssen noch ihre Abbildung in den Planwerken finden.

Als Beispiel haben wir den 13. Stadtbezirk Gösting auf Gebiete mit erhaltenswerten Altbauten untersucht, werden aber in der Folge auch in den anderen Bezirken Zonen für den „Schutz-Kataster“ definieren.

Diese von SOKO Altstadt in mehrjähriger Arbeit ermittelten Zonen sind im evaluierten Räumlichen Leitbild 2.0 unbedingt als explizite Villengebiete festzulegen; der Zusatz „und offene Bebauung mäßiger Höhe“ schwächt die Schutz-Funktion zu sehr ab und ist daher nicht akzeptabel, diese Kategorie gehört in eine anderen Type, am besten wohl in „8 Kleinteilig strukturierte Gebiete außerhalb des Grüngürtels“.

Alle in den Plänen gekennzeichneten Bauten können im Internet über den folgenden Link angeschaut werden.
Kategorie:Schutz-Kataster Gösting – Baugeschichte (grazerbe.at)

Vergleich mit dem Räumlichen Leitbild 1.0

Der kritische Vergleich der Gebiete erhaltenswerter Bauten mit dem Räumlichen Leitbild (Bild 6) zeigt die Schwächen dieses Planwerkes, das von der Stadtplanung als Schutz-Instrument angepriesen worden war.

Wir sehen die „Schutz-Kataster“-Zonen 13.2 (Anton-Kleinoscheg-Straße) und 13.3 (Aspachgasse) als Bereichstyp 6Wohnanlage und verdichteter Flachbau“, die Zone 13.4 (Müllerviertel) als Bereichstyp 8Kleinteilig strukturierte Gebiete außerhalb Grüngürtel“, die Zone 13.5 (Straßengelstraße) westseitig als 9Baugebiete im Grüngürtel“, ostseitig als 8 Kleinteilig strukturierte Gebiete außerhalb Grüngürtel“.

Der Vergleich mit dem Flächenwidmungsplan (Bild 7) zeigt die Zonen 13.2 und 13.3 mit der Widmung als WA (Wohnen allgemein) mit einer Dichte von 0,3 – 0,6.  Die Zonen 13.4 (Müllerviertel) und 13.5 (Straßengelstraße) sind mit der Widmung WR (Wohnen rein) und einer Dichte von 0,3 – 0,4 ausgewiesen. 

Dass im Altstadt-Schutzgebiet Gösting – sogar auf dem Areal des Schlosses – eine maximale Dichte von 1,0 möglich ist, widerspricht – wie auch in anderen derartigen Zonen – dem Einfügungsgebot des GAEG deutlich. Wie das traurige Beispiel der Schutzzone St. Peter zeigt, wird dadurch dem Abbruch Tür und Tor geöffnet. Dass hier auch die Altstadtkommission in letzter Zeit ihre Schutzaufgabe eher den Interessen der Investoren zu opfern  scheint, ist eine häufig gehörte Kritik.   

Auch in anderen Villen-Gebieten der Stadt Graz ist ebenfalls die Widmung WA (Wohnen allgemein) verordnet worden,  mit einer Dichte von 0,3 – 0,6, in Stadtnähe sogar von 0,4 – 0.8. Das gehört in den künftigen echten Villengebieten generell auf WR (Wohnen rein) geändert, die Dichte gehört auf die jeweils örtlich herrschenden Dichten und Maßstäbe bezogen, maximal sind 0,6 zuzulassen. Villenviertel sind generell nicht zur Verdichtung geeignet, schon gar nicht kann man ihnen die unsäglich sinnlose und überhaupt zu streichende Bereichstype 3 (Straßenrandbebauung) überstülpen (z. B. Eckertstraße, Ragnitzstraße)!

Dass die Ausweisung von expliziten, echten Villengebieten auch eine verbesserte Bewahrung von Grünraum mit sich bringt, versteht sich von selbst. Wo es bisher anstelle solcher abgerissenen Objekte zu Verdichtungen kam, wurden mangels einer Versiegelungsbeschränkung Boden und Grünraum fast vollständig vernichtet; als Beispiel sei hier der Neubau in der Anton-Kleinoscheg-Straße 46 genannt: der neue Wohnblock im Volumen eines Kreuzfahrtsschiffes hat die dortige kleine Villengegend brutal zerstört. Auch der Neubau im ausgewiesenen Villenviertel Hilmteichstraße 19 sprengt die dortigen Maßstäbe.  

Es ist unbestritten, dass Bebauungspläne die wertvollste Hilfe sein könnten, weil sie sowohl die Baudichten, als auch die Versiegelung beschränken können. Leider wird das nur selten umgesetzt. Villenviertel benötigen keine Bebauungsplan-Pflicht, wenn ihre traditionellen Dichten und Maßstäbe berücksichtigt werden. Da das aber bisher kaum beachtet wurde, wird auch in Villenvierteln eine solche BBPl-Pflicht vorzuziehen sein.

Dieser Beitrag wird auch dem Grazer Stadtsenat und den zuständigen Stellen mit der Bitte um Berücksichtigung zugehen. Wir werden darüber berichten.

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