19/07/2022

Schau Doch! 21
„Gerettet“ Welches ist das 100. Haus?

Die SOKO Altstadt registriert und dokumentiert seit 2010 das Schicksal erhaltenswerter Grazer Bauten. Die traurige Nachricht: bis heute sind bereits 223 Objekte dieser Kategorie abgerissen worden. Die erfreulichere Tatsache: Demnächst wird das 100. Haus, das gerettet werden konnte, gefeiert.

Feiern Sie mit und wählen Sie per Kommentar Ihren Favoriten!

19/07/2022

Bild 1 Hallenmauer in der Neubaugasse, 2011

©: Peter Laukhardt

Bild 2 Neubaugasse 47/49, 2022

©: Peter Laukhardt

Bild 3 Johann-Fux-Gasse 24 vor der Renovierung, 2019

©: Peter Laukhardt

Bild 4 Johann-Fux-Gasse 24 nach Renovierung, 2022

©: Peter Laukhardt

Bild 5 Jakominiplatz 8 (nach 1908, © Darabenth)

Bild 6 Bau von 1969 (2002, © AGIS)

Bild 7 Jakominiplatz 8 nach Umbau, Juli 2022

©: Peter Laukhardt

Die SOKO Altstadt registriert seit 2010 das Schicksal erhaltenswerter Grazer Bauten und dokumentiert das auf der Homepage www.grazerbe.at. Die traurige Nachricht: bis heute sind bereits 223 Objekte dieser Kategorie abgerissen worden. Die andere, erfreulichere Seite: Demnächst werden wir das 100. Haus feiern, das gerettet werden konnte.

Unter „gerettet“ darf man natürlich nicht nur jene Bauten sehen, die auf nachdrückliches Betreiben unserer oder anderer Initiativen vor der Spitzhacke bewahrt werden konnten. Auch durch Eigeninitiative ihrer Besitzer fachgerecht restaurierte, aber natürlich auch die durch Bescheide des Bundesdenkmalamts unter Schutz gestellten Gebäude werden so klassifiziert.

Wir haben nun drei Bauwerke ausgewählt, die zusätzlich als „gerettet“ gelten können. Eines davon wird das 100. sein. Die Leserschaft dieser Kolumne wird nun um ihre Meinung gebeten, welches die ehrenvolle Nummer 100 erhalten soll.

Neubaugasse 47 (Neubau)
Die Fassade der ehemaligen Werkshalle der Eisengießerei Juhász wurde in Backstein nachgebaut. Das Schicksal der für die Industrie-Geschichte von Graz bedeutenden Anlage ist in grazerbe.at ausführlich beschrieben [Link auf der Seite: Neubaugasse 47 (Graz) – Baugeschichte (grazerbe.at)].
2018 wurde der Entwurf für eine umfassende Neubebauung des Areals zwischen Wiener Straße und Neubaugasse vorgelegt. Der Vorschlag der Architektin Danijela Gojić, die östliche Backstein-Fassade der Werkshalle mit ihren acht hohen Bogenfenstern (Bild 1) zu erhalten, stieß auf große Zustimmung auch von unserer Seite. Als im Zuge des Abbruchs der alten Hallen und des Baus einer Tiefgarage die Außenmauer – obwohl nur eingeschossig – nicht erhalten werden konnte, fürchteten wir um den Erfolg der Idee. Schließlich war es der Firma IMMOLA mit Geschäftsführer Markus Lampesberger trotz dadurch erhöhter Baukosten doch ein Anliegen, die Erinnerung an die Eisengießerei in Form eines Nachbaus der Klinker-Wand zu erhalten. Nun ist der Rohbau vollendet und die Neubaugasse um eine architektonisch interessante Fassade reicher (Bild 2).

Johann-Fux-Gasse 24 (Villa)
Vermauerte Säulen einer Loggia wurden freigelegt und restauriert. Zur Mitte des Jahres 2019 werden geplante Umbaumaßnahmen bekannt. Es bestand die Befürchtung, dass die Villa weiter ihrer in der Qualität schon geminderten Ausstattung beraubt werden könnte (Bild 3). Die teilweise Freilegung der Säulen der 1951 verbauten Eingangs-Loggia hat uns dann 2020 veranlasst, Denkmalamt und Altstadt-Kommission um Begutachtung zu ersuchen. Am 19. April 2021 erhielten wir eine äußerst erfreuliche Nachricht von Architekt Burkhard Schelischansky. Gerade weil es ein bauhistorisch wertvolles Objekt ist, nähme der Bauherr sehr viel Geld in die Hand, um es in vorbildlicher Weise zu renovieren - und das natürlich in Abstimmung und Genehmigung mit den Behörden. Das Objekt werde weiterhin als Wohnhaus für eine Familie dienen. Nach Fertigstellung soll es straßenseitig wieder mit der ursprünglichen Fassade zu sehen sein. Die Villa wurde nämlich leider in den Nachkriegsjahren äußerst unsensibel umgebaut (die straßenseitige Veranda wurde geschlossen, Stuck abgeschlagen, ein Garagengebäude neben das Haus gebaut, im Inneren unvorteilhaft verändert usw.). Die Säulen an der Veranda wurden freigelegt, um renoviert zu werden (auch sie wurden beim Umbau in den Nachkriegsjahren beschädigt bzw. zugemauert). Im Frühsommer 2022 zeigt sich der Umbau nach mehr als zweieinhalb Jahren in fortgeschrittenem Stadium und wohl dem ursprünglichen Zustand sehr nahe (Bild 4). Zeitzeugen aus dem näheren Umfeld sehen jedoch auch einige unsensible Veränderungen, darunter das neue Gitter im Erdgeschoss, die Abholzung und Abgrabung des Garten-Niveaus, wodurch das Kellergeschoss (mit der neu eingebauten Garage) jetzt ebenerdig erscheine.

Jakominiplatz 8/Opernring 15 (Dorotheum/Motel)
Der zweite grundlegende Umbau des Dorotheum-Baus geht wieder einen Schritt zurück zum Original. Die Geschichte des markanten Bauwerks – vom 1908 errichteten Bekleidungsgeschäft „Englisches Haus“ (Bild 5), über die Waschbeton-Fassade für das Dorotheum von 1969 (Bild 6) bis zum jetzigen Hotel – ist auf grazberbe.at nachzulesen [Link am Rand: Jakominiplatz 8 – Baugeschichte (grazwiki.at)].
Eine "Verschönerung" der bestehenden Fassade war 2004 von der Altstadt-Kommission abgelehnt worden. Nach der Einschränkung des Auktionsbetriebes des Dorotheums Graz wird 2020 der Einbau eines Hotelbetriebes in Angriff genommen, der mit einem Ausbau des Dachgeschosses verbunden wurde. Nach der Abnahme der Waschbeton-Platten zeigte sich die ursprüngliche Struktur; an der Hauptfassade zum Jakominiplatz ein abgerundeter Mittelrisalit und beiderseits zwei breite, nur durch Steher getrennte Fensterbänder. An einer Stelle kam sogar der Rest eines Dekors aus 1908 ans Tageslicht. Nach der Fertigstellung – die Eröffnung des 160-Zimmer-Motels One wurde am 12.7.2022 gemeldet – zeigt sich der Bau in schlichter Form an die Struktur des Originals angelehnt (Umbau: Hohensinn Architektur). Viel Gold (Dach und Fensterrahmen) macht die Fassade lebendiger. An das Dekor von 1908 angelehnte florale Jugendstil-Signaturen im dritten Obergeschoss versuchen, etwas Schwung in die hier ehemals abgerundet gestalteten Fenster zu bringen. Die sehr einfache Einteilung der Fenstersprossen entspricht jedoch nicht der Vorlage (Bild 7). Die Lobby des Motels besticht durch farbenprächtige Ausstattung (Decasa). Fazit: Ein Schandfleck des Jakominiplatzes ist weg, ein Abbruch konnte vermieden werden, der behutsame Eingriff unter Wahrung der Grundstruktur ist gelungen. Ob man das Ergebnis überhaupt einer baukünstlerischen Wertung unterziehen darf, mögen Berufenere entscheiden.

Astrid Kohlfürst

Ich stimme für die Neubaugasse 47, gerade Fabriksdenkmäler sind eher selten und werden gern total vernichtet, während Villen eher bestehen bleiben, aber leider verschandelt und ihres Schmuckes beraubt.

Do. 21/07/2022 15:03 Permalink
Helga Gaster

Sehr geehrter Herr Laukhardt,
ich entscheide mich für das Haus Johann-Fux-Gasse 24, das mit viel Feingefühl umgestaltet wurde. Ich habe seinerzeit in der Nähe gewohnt und war oft in diesem Haus. Dort wurden Boxerhunde gezüchtet, es gab immer drei Boxerweibchen - drei Generationen.
Liebe Grüße und Dank für Ihr Engagement!
Helga Gaster

Mi. 20/07/2022 15:05 Permalink
Fritz Haider

Antwort auf von Helga Gaster

Ich stimme für das Haus Johann Fux Gasse 24, denn hier wurde der Beweis erbracht, daß ein kleiner Rückschritt ein großer Fortschritt sein kann.
Liebe Grüße
Fritz

Fr. 22/07/2022 18:30 Permalink
Karin Hansel

Die Renovierungsarbeiten in der Johann-Fux-Gasse sind nicht nur optisch gelungen - mich hat vor allem fasziniert. wie schnell diese doch sehr umfangreichen Arbeiten erledigt wurden. Das alte Haus ist nun ein Schmuckkästchen!

Mi. 20/07/2022 13:56 Permalink
Roswitha Neu-Schindler

Ich entschließe mich für das Haus Johann -Fux- Gasse 24.
Neubaugasse 47: Es ist löblich, dass die Klinker erhalten blieben, aber es ist mir zu wenig.
Jakominiplatz 8 ist der Gliederung nach der alten Fassade nachempfunden, was auch ein Schritt in die richtige Richtung für diesen Platz ist.
So habe ich mich für die Johnann Fux-Gasse 24 entschieden, die nun sehr fein dasteht. Gratulation.
MfG. R.Neu

Do. 28/07/2022 18:54 Permalink
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
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