19/01/2021

Schau doch! 03

Ein "versunkenes Schloss“?
Baierdorf, Teil 2

Kolumne von Peter Laukhardt

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Mit der Kolumne Schau doch! zeigt der Autor auf, dass es im Grazer Stadtraum auch abseits des Weltkulturerbes unersetz-liches Bauerbe zu entdecken und zu schützen gibt.

Schau doch! erscheint jeden dritten Dienstag im Monat auf GAT.

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19/01/2021

Bild 1: Baierdorf, Plan mit Gritzenweg und Allerheiligenkirche

©: Peter Laukhardt

Bild 2: Die denkmalgeschützte Villa Schreiberg mit Portikus, Allerheiligenweg 15

©: Peter Laukhardt

Bild 3: Die Wallspitze bzw. 'Bastei' des Schlosses Baierdorf

©: Peter Laukhardt

Bild 4: Lage der 'Motte' am Franziszeischen Kataster von 1829

©: Peter Laukhardt

Bild 5: Luftbild des Areals der 'Motte' (Allerheiligenweg 10 und 34) (Quelle: Google Maps)

©: Peter Laukhardt

Bild 6: Beispiel einer hölzernen 'Motte' (Quelle Pinterest)

©: Peter Laukhardt

Die obige Skizze (Bild 1) erläutert das Gebiet der beiden Beiträge über Baierdorf (siehe auch Schau doch! 02). Diesmal begeben wir uns weit zurück in die Geschichte des Dorfes. Wir biegen beim Wirtschaftsgebäude Gritzenweg 10 nach rechts ein; dieses schön restaurierte Gebäude birgt einen gewölbten, 350m2 großen ehemaligen Weinkeller. Nach den Forschungen der engagierten Heimatforscherin Erika Werk gehörte das Bauwerk einst zum Schloss Baierdorf. Das kurze befahrbare Straßenstück gehört zum Allerheiligenweg, die beiden Villen rechts haben aber noch die Adresse Gritzenweg 8 und Gritzenweg 8a, zwei gepflegte Beispiele der hochstehenden Baierdorfer Villenkultur. Dann teilt sich der Weg; der links bergauf abbiegende direkte Zugang zur Allerheiligenkirche begleitet einen kleinen Wasserlauf, der teilweise abgedeckt ist. 1372 heißt es in einer im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien verwahrten Urkunde: „Jacob der Chespeis, Bürger zu Graz, verkauft zwei Weingärten in dem Weingartpach zu Pairdorf an Peter den Rietenbuerger um 17 Pfd. Wr. Pfen. mit pgmaist^ hant Ötleins dez Suppan von Pairdorf“.
Der Dorfvorsteher hatte also hier noch die slawische Bezeichnung behalten! Beim Bau der Kirche dürfte es eine unvorteilhafte Umleitung des aus einer höher gelegenen Quelle gespeisten Wässerchens gegeben haben, das heute etwas höher vorbeifließt. Noch 1829 rann das Bächlein jedenfalls offen den Gritzenweg entlang bis zum Baiernbrunnen, dann die Baiernstraße nach Süden und dann nach links in die Handelstraße.

Rechts führt der Allerheiligenweg aufwärts zum denkmalgeschützten Landhaus Nr. 15, das sich durch einen Säulenvorbau auszeichnet (Bild 2). Diese Weggabelung wird durch eine spitz vorspringende Geländekante geprägt. Erika Werk sieht hier die „Bastei“ des abgekommenen Schlosses Baierdorf, das sich ihrer Ansicht nach auf dem Gelände des Hauses Allerheiligenweg 34 befunden haben soll (Bild 3).

Im Umfeld der Allerheiligenkirche, deren Entstehung nach archäologischen Grabungen vor einigen Jahren nicht aus dem Frühmittelalter, sondern in das 1. Viertel des 16. Jhs datiert wird, hat schon Richard Baravalle in seinem Burgenbuch 1936 einen kleinen Wehrbau vermutet, „auf dem 1361 Werigant und sein Sohn Heinrich saßen“.  Sie verwalteten wohl die kleine Burg für das Geschlecht der Grafen von Peilstein. Prominente Namen wie die Montforter, die Gradner (als Stifter der Kirche ist Peter der Gradner 1423 belegt), die Windischgrätzer und andere werden dann weiter als Besitzer aufgezählt. Als Polikarp Stürgkh am 1. Oktober 1579 den Hof von Maximilian von Küenburg zu Brunnsee erwirbt, nennt der Kaufbrief: „den adelichen Sitz Pairdorf bey Algersdorf außer Gretz, der mit ainem Wassergraben umgeben ist“. Diese Urkunde wurde von namhaften Historikern so zitiert, es gibt aber Meinungen, es hieße nicht Wasser-, sondern Wehrgraben. Eine Prüfung des Dokuments im Landesarchiv ist derzeit leider nicht möglich. Stürgkh baute den Hof vermutlich zu einem Edelsitz aus, vermutlich, weil er gemäß dem Testament seines Vaters nicht auf Schloss Plankenwarth wohnen durfte.  

Stürgkhs Erben verkauften schließlich das Gut 1596 an die Eggenberger, die es wohl verfallen ließen. Wann das Schloss „versunken“ bzw. abgekommen ist (zerstört oder abgetragen wurde), ist noch ungeklärt. Besonders die jüngere Geschichte des ehemaligen Burgstalls (im Montforter Urbar von 1400 heißt ein Hof: bey dem Purgstal), adeligen Sitzes, Schlosses und Freigutes Baierdorf ist komplex und nicht völlig geklärt. Es wird hier in der Literatur auch zu Verwechslungen mit dem späteren Baiernhof in der Baiernstraße 74 gekommen sein, dessen Geschichte einer eigenen Darstellung würdig wäre. Leider konnte auch ein vor Jahren angebotenes Ölbild, bezeichnet Schloß Beierndorf bei Graz, im Besitze der Karoline Kupfer, geb. Stohl, verkauft ca. 1838 nicht mehr zur Lokalisierung herangezogen werden. Es wäre erfreulich, wenn sich noch weitere Bewohner von Baierdorf mit Ihrem Wissen einbringen könnten.

Nach mehrmaliger Erkundung des Geländes lassen sich für mich in diesem Bereich die Reste einer bairischen Burg in Form einer Motte (Anm.: mittelalterliche Erdhügelburg) erahnen, die von Bachläufen zusätzlich gesichert war. Der vielleicht noch hölzerner Wehrbau, dessen Hauptteil bis heute durch eine kreisrunde Parzelle im Franziszeischen Kataster (Bild 4) bei Haus Allerheiligenweg 10 angedeutet wird, könnte vom Gründer der Ortschaft errichtet worden sein. Noch heute zeigt das von Süden aufgenommene Luftbild (Bild 5) die Situation die runde „Hauptburg“, in deren Mitte man sich einen Turm vorstellen muss, während die ebenfalls durch Palisaden gesichert „Vorburg“ die Ställe,  Wirtschaftsgebäude und Behausungen des Burggesindes aufnahm. Gräben schützten die sicher künstlich erhöhten Wälle zusätzlich. Ob und wo über den Graben eine eventuelle Brücke führte, ist derzeit nicht zu beantworten. 

Es ist aber auch denkbar, dass diese Befestigung erst in der folgenden Zeit der ungarischen Raubzüge errichtet wurde. Auch Univ.-Professor Dr. Helmut Lehner vom Institut für Archäologie der Universität Graz, hält die Existenz einer Motte nach Prüfung des digitalen Geländemodells für gut möglich, stellt aber fest, dass in unseren Breiten solche Motten, die auch nicht vollkommen aus Holz gebaut waren, zwischen dem 13. und 15. Jh. datiert wurden. 

Und hier sind wir abschließend wieder bei der Architektur gelandet. Eine früh- oder spätmittelalterliche Motte ist im Grazer Stadtgebiet bisher noch nicht festgestellt worden. Ihre, durch fachmännische Grabungen zu erkundenden Reste würden das älteste Bauwerk von Eggenberg ans Tageslicht bringen.

Gritzenweg

Die innere Verbundenheit mit unserem Baierdorf beruht dann wohl auf meiner Namensgleichheit mit der Funktion und dem Geschlecht SUPPAN ;-)

Mo. 08/02/2021 4:42 Permalink
DI Elisabeth Kabelis-Lechner

Ich weiss , wo wir in den nächsten Lockdowntagen spazieren gehen.
Was aber, wenn dieses Gebiet bald nicht mehr begehar ist, weil es total verbaut ist etc...
Wenn alles gleich gemacht wird, dann gibt es leider auch keine beonderen Ziele um Spazieren zu gehen.
Zunehmend verliert Graz an seinem individuellen Charakter
Elisabeth und Tomasz

Di. 19/01/2021 8:15 Permalink
Anonymous

Antwort auf von DI Elisabeth Kabelis-Lechner

Leider ist die Gefahr einer drastischen Veränderung des noch vorhandenen vorstädtischen Ortscharakters akut. Einige Häuser rund um den Baiernbrunnen wurden bzw. werden schon "erneuert".
Daher versucht die "BürgerInitiative Gritzenweg - RETTET den GRÜNGÜRTEL" seit Juli 2020, die baulichen Entwicklungen an diesem idyllischen ehem. Zufahrtsweg in die seinerzeit hier befindlichen Weingärten möglichst schon in der Planungsphase zu erkennen und auf eine schonende und verträgliche Ausführung der Projekte zu drängen.
Dazu wurde an der Adresse https://www.openpetition.eu/gruenguertelgraz eine Online-Petition eingerichtet, die noch bis 11. August 2021 unterstützt werden kann.

Mo. 25/01/2021 2:19 Permalink
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
GAT+