22/11/2010
22/11/2010

Die Kommissarin des Projektes Playa de Palma, Margarita Nájera Aranzabal

Das Gebiet der Playa de Palma heute

Projektentwurf im Überblick. Planung: Architekturbüro West 8, Rotterdam (NL)

Boulevard Jueus heute

Boulevard Jueus NEU, Schaubild. Planung: Architekturbüro West 8

Paseo urbano heute

Paseo urbano NEU, Schaubild. Planung: Architekturbüro West 8

Marina de Arenal bei Nacht, Schaubild. Planung: Architekturbüro West 8

Die Aufwertung und Umstrukturierung der Playa de Palma ist das umfangreiche und auch ehrgeizige Projekt des zu diesem Zweck gegründeten und von der spanischen Regierung beauftragten ‚Consorci Platja Palma’.

Dort, wo sich heute zur Hochsaison, Sonnenschirme und Handtücher drängen, wo man auf der Schinkenstraße dem König von Mallorca huldigt und genüsslich in der Gruppe Sangría mit dem Strohhalm aus dem Eimer säuft, wo jährlich im Rausch ein paar junge Touristen vom Balkon ihrer Billigunterkunft in den Pool springen wollen und dabei hart im Jenseits landen, genau dort soll jetzt alles anders werden.

Inselrat und spanischer Ministerrat kamen überein, dass das Gebiet der Playa de Palma in der derzeitigen Form obsolet, aufgebraucht und damit unbedingt sanierungsbedürftig sei.
Man wollte jedoch kein schnelles Make-up, das das Gebiet vorübergehend zur ‚Lady’ macht, sondern hat sich für eine ehrgeizige Totalumstrukturierung ausgesprochen.
Das errechnete Budget für das Projekt beträgt drei bis vier Milliarden Euro für die kommenden 15 bis 20 Jahre. 2010 wurden bereits 127 Millionen Euro ausgegeben.

Im Jahr 2008 stellte das niederländische Architektenteam ‚West 8’ ihr Projekt für die Playa de Palma vor, das als Sieger aus einem Ideenwettbewerb hervorgegangen war.

Dass dieses Großprojekt nicht nur Freunde hat, sondern auf Widerstand stößt, ist keine Überraschung. Politikverdrossenheit seitens der Bürger, mangelnder Investitionswillen bei den Hoteliers und Anwohnern, die durch den Eingriff teilweise empfindlich gestört werden oder sogar umziehen müssten, mischen sich zu einem lähmenden Cocktail, obwohl bezüglich der Notwendigkeit einer Verbesserung und Veränderung der Situation Einigkeit herrscht. Die Tatsache, dass im Mai 2011 Wahlen auf den Balearen anstehen, vereinfacht die Situation nicht gerade.

GAT traf die von der Regierung mit der Umsetzung des Projektes Playa de Palma beauftragte Kommissarin, Margarita Nájera Aranzabal, zum Gespräch.

GAT: Was war Ihre erste Reaktion, als Sie zur Kommissarin für dieses Projekt berufen wurden?

MN: Präsident Fransces Antich rief mich an und teilte mir mit, dass ich von der spanischen Regierung beauftragt worden war, die Verantwortung für das Consorcio Playa de Palma zu übernehmen. Ich war zunächst sehr überrascht und sagte, dass ich gerne darüber nachdenken würde. Antich antwortete mir, dass er und Präsident Zapatero bei einem gemeinsamen Treffen beschlossen hatten, dass sie mich für diese Position wünschten. Also war das natürlich eine sehr große Ehre für mich.

GAT: Die meisten Leute denken, dass dieses Projekt ein heißes Eisen wäre. Warum ist das so?

MN: Nun, das Projekt steht für Veränderung, für neue Strategien und Ansätze. Veränderungen machen immer Angst, das ist eine ganz natürliche menschliche Reaktion. Wir wissen, dass es zahlreiche Berater gibt, deren berufliche Hauptaufgabe es ist, Prozesse eines Neubeginns zu begleiten, wie kulturellen Wandel, die Art zu denken, neue Denkweisen etc.
Ein Freund sagte einmal, dass es für ihn kaum vorstellbar sei, dass dieselben Denkweisen und Ansätze, die uns in diese schreckliche Krise geführt haben, uns nun auch wieder hinausführen sollen. Anstehender Wandel führt immer zu einer Angstreaktion.

GAT: Dennoch scheinen die meisten davon überzeugt, beziehungsweise damit einverstanden zu sein, dass an der Playa de Palma etwas geschehen muss.

MN: Natürlich, aber es muss an den Details und Schlüsselfaktoren gearbeitet werden, um zu einem nachhaltigen Konsens zu kommen. Wir sprechen von vielen Faktoren, wie Energieversorgung, Umweltfragen und Nachhaltigkeit, denen wir uns im Rahmen dieses neuen Ansatzes verpflichten müssen.
Es gibt Unternehmer, die noch immer so reagieren, als ob jemand mit ihnen chinesisch spräche. Alte Denkweisen müssen überkommen werden, denn die Situation wie wir sie jetzt vorfinden, ist in Bezug auf den Tourismus am Ende. Spanien, die Balearen und die Playa de Palma haben seit den 1960er Jahren bis zu Beginn der 2000er, also vierzig Jahre lang, eine unerhörte Prosperität gezeigt. Mittlerweile hat sich allerdings viel verändert und ich denke, dass nicht alle diese Entwicklung mitgemacht haben.
Im Fall der Playa de Palma befinden wir uns in einer obsoleten touristischen Situation. Spanien, die Balearen und Mallorca waren über viele Jahre die Nummer 1 im Tourismus. Seit etwa 2000 sind wir allerdings reif, genauer gesagt überreif und wir stellen fest, dass wir im Laufe der Jahre unsere Konkurrenzfähigkeit verloren haben. Im Jahr 2010 ist die Situation schließlich sehr schwierig geworden. Wir konnten nicht mehr alle unsere Hotels füllen, während die Hotels in der Türkei ausgebucht waren. Wir wissen also, dass wir uns ändern und an der Zukunft orientieren müssen, und das geht natürlich nicht mit € 8 für die Halbpension (im Winter, Anm. der Red.). Die Touristen von heute sind nicht mehr die von einst. Sie suchen ein nachhaltigeres Ferienziel, ohne Lärm, einen Ort ohne Risiko mit einem schönen, blitzsauberen Meer. Es müssen gutes und professionelles Service und Alternativen zum Sonnenbaden am Strand geboten werden, da heute bereits viele Menschen die Sonne eher meiden möchten. Die angebotenen Aktivitäten müssen dementsprechend angepasst werden.

GAT: Das klingt nach dem idealen Touristen. Es gibt dennoch immer noch eine große Gruppe, die etwas anderes sucht: Billigpreise, Sangría aus dem Kübel etc.

MN: Diese Touristen können das auch woanders finden. Wir möchten nun einen neuen Weg einschlagen. Weg vom Billigtourismus hin zu einer qualitätvollen Tourismusdestination. Es hat keinen Sinn, zu versuchen, preislich weiterhin mit der Türkei, Tunesien oder Ägypten zu konkurrieren. Das können wir gar nicht, da wir ein ganz anderes Gehaltsniveau als diese Länder haben. Wir haben in vielerlei Hinsicht höhere Standards als einige dieser Länder, was zum Beispiel Sicherheit, Sauberkeit und medizinische Versorgung betrifft. Lebensqualität hat einen unantastbaren Preis!

GAT: Ist es nicht sehr schwierig, diesen Schaden, der über viele Jahre hinweg langsam entstanden ist, zu reparieren? Man kann ja nichts rückgängig machen. Es wäre doch viel einfacher, auf einem grünen Feld ganz von vorne anzufangen?

MN: Ja, aber das ist leider nicht möglich.

GAT: Was ist das größte Hindernis?

MN: Wenn ich ganz ehrlich sein soll, dann sind es die Hoteliers und deren Dickköpfe.

GAT: Diese sind allerdings eventuell auch mit sehr großen Investitionen konfrontiert.

MN: Es gibt einige riesige Hotelgruppen, die international erfolgreich sind und das seit Jahren – wie Melia Sol, Barcelo, Iberostar etc. Aber diese sind tatsächlich hier an der Playa de Palma und in Calvia entstanden, das waren ihre ersten Schritte und mit intelligenter und konsequenter Arbeit konnten diese Unternehmen Imperien aufbauen. Und in dieser Hinsicht können wir es hier in Mallorca und auf den Balearen durchaus mit multinationalen Unternehmen aufnehmen.
In unserem Projekt wird die aktuelle, teilweise sehr schwierige Situation durchaus berücksichtigt und es gibt auch verschiedene Finanzierungsmöglichkeiten für kleinere Unternehmen, die wahrgenommen werden können. Somit können die notwendigen Investitionen nicht als Ausrede benutzt werden, nicht mitziehen zu wollen.

GAT: Wie geht es den Menschen, den Einheimischen, die das ganze Jahr im Gebiet der Playa de Palma leben? Werden sich für diese Menschen auch die Infrastruktur, Schulen, Kindergärten, Nahversorgung etc. zum Besseren entwickeln?

MN: Es leben ca. 35.000 Menschen hier. Im Rahmen unseres Projekts haben wir exakt analysiert, wie die Playa de Palma in 10 oder 15 Jahren aussehen soll. Wir streben eine neue touristische Position an, ohne 2 und 3 Sterne Hotels. Alle Hotels sollen auf 4 Sterne oder mehr aufgewertet werden. Infrastruktur wie Bildungseinrichtungen, Nahversorgung und Grünzonen werden verstärkt ausgebaut.
Bezüglich Nachhaltigkeit und Emissionen haben wir für die Playa de Palma das ehrgeizige Ziel, sie zu einem Gebiet mit Null-Emission umzuwandeln und legen daher sehr viel Wert auf Projekte mit erneuerbarer Energie. Ex-novo wäre das natürlich leichter, aber wir haben das Bild und einen Plan, wie das Ganze erfolgreich umgesetzt werden kann.

GAT: Es gibt Menschen, die bezweifeln, dass das Projekt jemals zur vollen Umsetzung kommen wird und eine skeptische Haltung einnehmen. Verzweifelt man da nicht gelegentlich?

MN: Nun das ist sowohl eine professionelle wie auch politische Herausforderung. Es handelt sich um ein faszinierendes Projekt, das uns erlaubt, mit den besten Experten des Landes zusammenzuarbeiten. Diese Experten haben uns das Instrumentarium in die Hand gegeben, das uns helfen wird, Schwierigkeiten zu überwinden. Wir wissen auch, dass es möglich ist, einen Konsens aller Beteiligten zu erreichen, wenn es sich für das Projekt lohnt. Wir haben 20 Jahre Arbeit vor uns, um das alles so zu verändern und so zu lenken, dass wir unsere ehrgeizigen Ziele erreichen. In einem längerfristigen Prozess ist auch alles möglich, in einem kurzfristigen kann wesentlich weniger erreicht werden.

GAT: Das Ausmaß dieses Projektes ist enorm. Fühlt man sich da nicht manchmal wie am Fuße des Mount Everest? Man weiß, man muss den Aufstieg machen, der mühsam und anstrengend wird und es kann dabei ja auch immer etwas schief gehen.

MN: Natürlich, neulich sprach ich mit dem Chef von TUI, der sagte, dass er vor Jahren an einem Projekt (in Hamburg) gearbeitet hat, in welchem Hafenstrukturen vollkommen umgebaut werden sollten. Auch hier hat es 20 Jahre gedauert. Man muss einfach einmal anfangen, den Aufstieg machen, dann geht es schon weiter. Ähnlich war es auch in Bilbao mit dem Guggenheim-Museum oder in Valencia mit dem America’s Cup.
Der Unterschied ist, dass uns der Ministerrat beauftragt hat, ein Referenzprojekt zu machen, das später von anderen Tourismusregionen Spaniens aufgenommen und ähnlich umgesetzt werden kann. Dafür müssen wir natürlich neue Politiken entwickeln und auch neue Gesetze verabschieden. Wir mussten zum Beispiel ein neues Stadtplanungsgesetz für die Playa de Palma entwerfen, das Ende Juli verabschiedet wurde. In Augenblick arbeiten wir an einem Gesetz, das die sozialpolitische Situation berücksichtigt, die Arbeitslosigkeit, die durch die Umstrukturierung vorübergehend an mancher Stelle zum Thema werden wird.

GAT: Fühlen Sie sich manchmal, als kämpften Sie gegen Windmühlen?

MN: Gegen Windmühlen nicht, aber gegen so manchen Riesen und schwierige Passagen im Aufstieg. Das ist jedoch ganz logisch bei solch einem ambitiösen Projekt. Die Schwierigkeiten haben uns keineswegs überrascht.
Wir arbeiten wirklich an allen Enden und haben alle Seiten berücksichtigt, ob Arbeitnehmer oder Besitzer eines Hotels. Es gibt natürlich Angst, Unsicherheit und wir bemühen uns, Klarheit zu schaffen und die Menschen aufzuklären.

GAT: Wie gelingt das?

MN: Reden, reden, reden, sich zusammensetzen und Abkommen unterzeichnen. Lösungen suchen. Und das, wenn möglich, mit allen politischen Parteien, den Gewerkschaften, den Hoteliers und allen Interessensvertretern. Das ist natürlich nicht immer möglich, aber man muss schlicht versuchen, sich anzunähern. Schließlich handelt es sich um eine riesige Investition, auch von öffentlichen Geldern.

GAT: Haben Sie Ihrer Meinung nach den richtigen Weg eingeschlagen? Bzw. wenn Sie noch etwas ändern könnten an dem, wie es bisher verlaufen ist, was wäre das?

MN: Das alles ist hochkomplex, wir können nur Schritt für Schritt einem strategischen Plan folgen. Es gibt einmal einen großen Rahmen, auf den man sich geeinigt hat. Dabei gab es schon eine erste Krise, denn es ist natürlich auch ein großes Politikum und man darf nicht vergessen, dass wir im Frühjahr Wahlen vor uns haben. Und das ist vielleicht mein Fehler gewesen, nämlich was den zeitlichen Ablauf betrifft, zu ehrgeizig gewesen zu sein. Ich wollte schnell sein und habe den Plan de Reconversión Integral (Anm. der Red.: enthält alle stadtplanerischen Maßnahmen) wohl zu früh herausgebracht. Die anstehenden Wahlen im Mai haben nun dazu geführt, dass unsere Aktivitäten auf allen Seiten Nervosität ausgelöst haben. (1).

GAT: So ein Thema eignet sich natürlich auch hervorragend als Streitthema im Wahlkampf.

MN: Wir bemühen uns sehr, dieses Thema nicht zu einem Stein werden zu lassen, der im Wahlkampf geworfen wird. Dazu sind viele Zusammenkünfte und Gespräche zwischen politischen Vertretern notwendig.

Der Plan de Reconversión Integral ist ein Teil der gesamten Dokumentation, die 98 geplante Schritte enthält. Man hätte eventuell warten müssen, bis alle Institutionen neu gewählt worden sind, dann hätte man vermutlich wesentlich ruhiger arbeiten können.

GAT: Was machte das West 8 – Projekt zum Gewinner des Ideenwettbewerbs?

MN: Ich war zum Zeitpunkt des Auswahlprozesses der Projekte noch nicht involviert. Soweit ich das beurteilen kann, war das Projekt von West 8 jenes, das sich am stärksten am Tourismus orientiert. Die anderen gingen stärker in Richtung einer Umwandlung der Playa de Palma in ein Wohngebiet und weg vom Tourismus. Dieses Projekt hielt sich stärker an der ursprünglichen Konfiguration dieses Gebietes als Tourismusgebiet fest.

GAT: Was fehlt noch, um dem Projekt einen essentiellen Impuls zu geben?

MN: Ganz bestimmt müssen erst einmal die Wahlen vorüber sein und alle Institutionen sich beruhigt und eingearbeitet haben. Das ist dann der beste Moment, um gemeinsam konstruktiv an der Zukunft zu arbeiten.

GAT: Wir danken für das Gespräch!

ECKDATEN ZUM PROJEKT:
Der Umsetzungsplan ‚Plan de Acción Integral’ (PAI) enthält 7 Strategien:
1) Eine neue wettbewerbsfähige und nachhaltige touristische Positionierung
2) Die Berücksichtigung der globalen Veränderungen, der Schutz und die Erhaltung der Ökosysteme zu Wasser und zu Land
3) Eine Verbesserung der Lebens- und Arbeitssituation der Anwohner und Arbeitnehmer an der Playa de Palma
4) Eine umfangreiche Neubewertung des Gebietes und der stadtplanerischen Situation gemäß den Kriterien der Nachhaltigkeit
5) Die Erzielung ehrgeiziger Kompromisse zur Reduzierung der lokalen und globalen ökologischen Belastung
6) Die Schaffung eines innovativen digitalen Raumes für alle Personen und Aktivitäten
7) Instrumentierung eines institutionellen und sozialen Paktes und einer neuen ‚Politik der Veränderung’

Plaja de Palma:
Projektfläche: 991,89 ha
Einwohner: 30.099
Hotelbetten: 43.073
Touristen jährlich: 1.109.800
(1)"Tatsächlich gaben Margarita Nájera und die balearische Tourismusministerin Joana Barceló am Montag, dem 15.11.10 bekannt, dass der 'Plan de Acción Integral' aufgrund des Druckes von außen und mangelnder politischer Einigkeit ausgesetzt wird, bis ein neuer Konsens gefunden ist und alle 1335 Einwände bearbeitet sind."

ZUR AUTORIN:
Die Dolmetscherin und GAT-Redakteurin Susanne Baumann-Cox lebt und arbeitet derzeit in Porto Cristo Novo auf Mallorca.

Verfasser/in:
Susanne Baumann-Cox im Gespräch mit Margarita Nájera Aranzabal, Kommissarin des Projekts Playa de Palma
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