03/06/2016

Projekt am Wiener Heumarkt: Kammer hat gewarnt

Conclusio der Kammer:
Nicht das Projekt ist unproportional, sondern die Prozesse, die zu ihm führten, sind es!

Projektbetreiber Michael Tojner, Wertinvest, und Stadt Wien wollen indes, dass das Siegerprojekt des brasilianischen Architekten Isay Weinfeld optimiert wird.

Bis Herbst 2016 wollen sie das Ergebnis öffentlich präsentieren.

03/06/2016

Canalettoblick': Blick vom Oberen Belvedere über den barocken Garten und das Untere Belvedere Richtung Innenstadt – ohne und mit Hochhausprojekt am Wiener Eislaufverein. Visualisierung der Initiative Denkmalschutz

©: Prof. Martin Kupf

Als gesetzliche Interessenvertretung ist die Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten für Wien, Niederösterreich und Burgenland aufgerufen, innerhalb ihres örtlichen Wirkungsbereichs die beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen der Architekt(inn)en und Ingenieurkonsulent(inn)en zu wahren, sich systematisch für die Verbesserung der Modalitäten der Berufsausübung einzusetzen und, in diesem besonderen Fall, sich öffentlich zu äußern.

In den letzten Tagen sind zahlreiche Stellungnahmen zum Thema des Hochhauses am Heumarkt/Intercont/WEV erschienen, in denen sich die "Architektenschaft", die "Architekten-Community" oder schlicht "die Architekten" als Proponenten der unterschiedlichsten Meinungen zitiert finden. Unterschiedliche Privatmeinungen sind naturgemäß auch in der Architektenschaft Usus und erwünscht – im Sinne einer Fachdebatte. Dem Versuch verschiedener Seiten, den Stand der Architekturschaffenden für die jeweils eigenen Interessen zu vereinnahmen ist jedoch entgegenzutreten.

Klarstellung

Die Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten vertritt prinzipiell den Standpunkt, dass Wettbewerbsergebnisse zu respektieren sind! Bei diesem Verfahren ließen allerdings die Vorgaben und der unproportionale Einfluss von einzelnen Stakeholdern ein Ergebnis, in dem das öffentliche Interesse gewahrt wird, nicht erwarten. Aus diesem Grund hat die Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten eine Mitwirkung am vorgeschalteten kooperativen Verfahren verweigert.

Der nächste Schritt hätte dann folgerichtig ein städtebauliches Verfahren sein müssen, zur Klärung wichtiger Eigenschaften wie zum Beispiel der Gebäudehöhe. Deshalb gab es als Grundlage der Kooperation unserer Kammer im Wettbewerbsverfahren die dringende Forderung nach der Trennung der städtebaulichen Rahmenplanung von der Objektplanung, also dem eigentlichen Gebäude.

Eine Warnung, die überhört wurde!

Es war von Anfang an zu erwarten, dass die Frage der Höhenentwicklung ein entscheidendes Kriterium darstellen wird. Die Festlegung einer maximal zulässigen Gebäudehöhe ist in diesem Fall jedoch eine politische Entscheidung. Unserer Ansicht nach hätten die politisch Verantwortlichen vor Auslobung des Wettbewerbs die Pflicht gehabt, den Teilnehmer(inne)n Klarheit darüber zu verschaffen, in welchem Rahmen sie Ergebnisse mitzutragen gewillt ist. Die baukünstlerischen Antworten sind von den Architekt(inn)en zu geben und von einer unabhängigen Jury zu beurteilen, die Entscheidung zur grundsätzlichen städtebaulichen Dimension und Proportionalität (und zum Umgang mit bestehenden Verträgen!) ist hingegen politisch vorab klarzustellen. Diese Verantwortung auf die Teilnehmer(innen) eines Wettbewerbs und jetzt sogar auf alle Architekturschaffenden zu übertragen, ist unzulässig.

Keine dieser Forderungen der Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten wurde aufgenommen. Nun, nachdem das Absehbare eingetreten ist, diejenigen, die davor gewarnt haben, anzurufen, damit sie ein Ergebnis verteidigen, das der Öffentlichkeit kaum vermittelbar ist, ist, gelinde gesagt, gewagt. Nicht das Projekt ist unproportional, sondern die Prozesse, die zu ihm führten, sind es!

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