15/10/2019

Privatissimum vom Grilj – 72

GAT veröffentlicht in der Kolumne Privatissimum vom Grilj jeden dritten Dienstag im Monat Texte zum Nachdenken.

Zur Person

Mathias Grilj (* Kamnik, SLO) lebt als freier Journalist und Schriftsteller in Graz.

15/10/2019
©: Mathias Grilj

Das Wertvolle
in unserem Klo

„Komm herein, hier trifft dich
immer ein Gastgeber!“
Diana Anfimiadi

Fragt der Hase die weise Eule:
„Was soll ich tun, damit mich
der Fuchs nicht frisst?“ – „Ähm,
verwandle dich in einen Baum.“
„Und wie mache ich das, Eule?“
„Ich bin als Intellektuelle nur für
das Grundsätzliche zuständig.“

Der Griffener Franz Sollhart
ist stolz, dass Handke einmal
mit ihm geredet hat. Und zieht
spontan die Konsequenz: „Ich
werde jetzt sofort anfangen,
seine Bücher zu lesen!“
Kleine Zeitung

Ich bin im Besitz eines wertvollen Bildes, Wachskreide auf Papier, es hängt im Klo, auf der Tür. Ein kleiner Bub hat es extra für mich gemacht. „Schau einmal, wie schiach! Das ist ein Bär, wäääh, ist der grauslich. Wart ein bissl, ich mach ihn noch schiacher. So!“ Dann war der Künstler zufrieden.
Es ist ein Zauberbär. „Er ist un-glaub-lich wäääh, aber nur zu deinem Husten, nicht zu dir. Zu dir ist er lieb.“ Am nächsten Tag war mein Husten weg. Seither bin ich von der Heilkraft der Kunst überzeugt. Man muss sie halt zu deuten wissen.
Dass Kunst magische Kräfte haben kann, wussten schon die alten Schwertkämpfer, die auf ihre Schilde Grausiges malten, das den Feind in Furcht versetzte und seinen Arm lähmte. Einer, der auch an die Kunst glaubte, wenn auch eher im Sinne von Voodoo, war Ludwig XVI. Er ließ auf den Boden seines Nachttopfs ein Porträt von Benjamin Franklin malen, den er innig gehasst hat. Franklin war nicht nur der Erfinder des Blitzableiters, sondern auch ein Staatsmann, der an der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung mitgeschrieben und sie 1776 unterzeichnet hat. Der französische König hat sich also mit grimmigem Grinsen täglich über dem Gesicht des Verachteten erleichtert. Aber letztlich blieb er selber – verzeihen Sie den derben Ausdruck – der Beschissene: er wurde 1793 auf der Place de la Revolution geköpft.
Wer weiß, vielleicht hätte ihn ein unglaublich schiacher Zauberbär davor bewahren können. Seit sich die Geschichte vom Zauberbär in unserer Sippe herumgesprochen hat, werden wir zu Grippezeiten öfter besucht und gefragt: „´tschuldigen, darf ich kurz?“

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