15/09/2015

Privatissimum vom Grilj

Jeden 3. Dienstag im Monat

Zur Person
Mathias Grilj (* Kamnik, SLO) lebt als freier Journalist und Schriftsteller in Graz.

15/09/2015
©: Mathias Grilj

Eine Postkarte aus
der schönen Ferne

Einen Schwager von mir, den Wolfgang, zieht es seit jeher immer wieder nach Nepal. Das ist bei ihm so etwas wie Magnetismus. Vielleicht war er in einem seiner früheren Leben dort daheim, es sieht danach aus. Jedenfalls kümmert er sich energisch, beharrlich und erfolgreich um die Restaurierung von alten und verkommenen Tempeln.
Was ihm dort schon beim ersten Besuch aufgefallen ist, war neben der Faszination der Landschaft, der geheimnisvollen Pracht jener heiligen Stätten und der Gastfreundschaft der Leute: dass die Kinder rotzig sind und verstopfte Nasen haben. Sie konnten kaum atmen. Wolfgang war Universitätsprofessor auf der Architektur, aber auch praktisch veranlagt. Er hat den Kindern gleich beigebracht, sich mit den Fingern zu schneuzen. „Schaut einmal her, so macht man das!“ Seit er dort war, kriegen die Nepalesen besser Luft. Nur politisch eher nicht.
Damals ist ihm in der Sippe, bei der er untergekommen war, auch ein blitzgescheites Kind aufgefallen. Er hat dann jahrelang Geld hingeschickt, damit dieses Fuzzi eine Ausbildung bekommt und studieren kann. Heute ist das Kind eine Ärztin. Sie hat ihn nicht hängen lassen und sie hat gezeigt, wie gut sie ist.
Nun ist er wieder in Asien drüben und restauriert nach dem schaurigen Erdbeben Tempel. Wenn er dabei vom Dach fallen und sich was brechen sollte, wird ihm das kluge Rotzmensch von damals, die Frau Doktor also, fein zu helfen wissen. Er verlässt sich vollends auf ihr Können.
 

Sigi Binder

Lieber Mathias, ich lese dein Privatissimum fast immer, weil mich deine Texte anregen, berühren, nachdenklich stimmen oder erheitern.
Kommentare schreibe ich aber ungern. Diemal muss ich es tun! Denn mit so viel Liebe oder Zärtlichkeit hat schon lang niemand das Wort "Rotzmensch" gebraucht!

Mi. 16/09/2015 11:01 Permalink
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