07/09/2003
07/09/2003

Die Architekturpublizistin D.I. Karin Tschavgova berichtet von der Pressekonferenz steirischer (Wohn-) Bauverantwortlicher.

Was ein gemeinsames Ziel – oder sollte man sagen – ein gemeinsamer Abwehrkampf schaffen kann: er bringt unterschiedliche Interessensvertretungen an einen Tisch, von denen einige in den letzten Jahren miteinander wohl kaum Kontakte gepflegt haben. Seite an Seite mit dem Präsidenten der Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten Arch. D.I. Werner Nussmüller also die Geschäftsführer der beiden Genossenschaften „Neue Heimat“ und „ÖWG/ÖWGES“ Mag. Dr. Huber und Mag. Krainer neben dem Landesinnungsmeister für das Baugewerbe BM. Ing. Frömmel, dem Landessekretär der Gewerkschaft Bau-Holz Steiermark Muchitsch und dem Vorsitzenden der Berufsgruppe Ziegelindustrie Pexider.

Auf den Plan gebracht hat sie die Absicht der Bundesregierung, ihre Anteile der Wohnbauförderung zu reduzieren. Zeitpunkt und Größenordnung einer möglichen Reduktion sind zwar noch nicht bekannt, doch sind sich jetzt schon alle einig: Tritt diese Maßnahme in Kraft, so würde der geförderte Wohnbau in der Steiermark zum Erliegen kommen. Nachdem die Zweckgebundenheit der Bundesmittel 1999 aufgehoben wurde und das ursprünglich für die Wohnbauförderung gedachte Geld in anderen Töpfen landete, erfolgte 2001 eine Reduktion der geförderten Wohneinheiten von 2.500 auf 1.700 jährlich. Was seitens der politisch Verantwortlichen immer wieder kolportiert wurde, nämlich, dass der Bedarf an neuen Wohnungen stagniere, wird von den Genossenschaftsvertretern heftig dementiert.

Nicht eine (!) ihrer gebauten Wohnungen finde keinen Absatz, es gäbe im Gegensatz derzeit wesentlich mehr Vormerkungen als befriedigt werden können. Um dies zu untermauern hat die Ziegelindustrie die Joanneum Reseach mit einer Bedarfsstudie beauftragt, die für den Zeitraum bis 2011 einen Bedarf an neuen Wohneinheiten von 46.000 in der gesamten Steiermark prognostiziert. Das wären im Jahresdurchschnitt 5.750 Wohneinheiten gegenüber 5.000 die derzeit (inklusive Eigenheim und Sanierungen) gefördert werden. Von einer Reduktion des Bedarfs kann also nach dieser Studie keine Rede sein. Während sich die um Arbeitsplätze besorgte Gewerkschaft (2003 macht der Wohnungsbau im Gesamtvolumen des Hochbaus immerhin 44% aus), die Industrie und die Genossenschaften in erster Linie gegen jegliche Budjetkürzung verwehrten und dies als Kernpunkt eines gemeinsam zu erarbeitenden Forderungskatalogs erachten, differenzierte Arch. Nussmüller und sprach tiefer reichende Probleme der Landeswohnbauförderung an, die in einer Novellierung Platz finden müßten. Geänderte Familienverhältnisse, größere Fluktuation der Bewohner, höhere Qualitätsansprüche, ökologisches Problembewußtsein und nachhaltiges Denken würden neue Modelle des Wohnbaus notwendig machen, die im Rahmen der Wohnbauförderung initiiert werden müßten.

Die Wohnbauforschung müsse wieder einen Stellenwert bekommen und entsprechend dotiert werden, nicht zuletzt auch, damit die Steiermark ihren guten Ruf im (experimentellen) Wohnbau wieder erneuern könne. Ein hohes Anliegen, das nur dann Chancen hat, gehört zu werden, wenn alle Beteiligten erkennen, dass der gemeinsame Schulterschluss auch Zugeständnisse an den anderen bedingt. Derzeit beteuern alle Beteiligten ihre Entschlossenheit zum Handeln, bzw. zum Protest.

Karin Tschavgova
Swethgasse 3 A - 8010 Graz
Architekturvermittlung Tel.: + 43 (0) 316 37 33 83
Architekturpublizistik Fax.: + 43 (0) 316 37 33 83
Architekturführungen Mail: tschavgova@aon.at

Verfasser/in:
Karin Tschavgova
- " Die freie Meinung"
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