15/11/2017

Park Lücken Füller

Emil Grubers Feldforschung im neuen Liebenauer Park

15/11/2017

The Cube L' am Spielplatz des Liebenauer Parks

©: Stadt Graz/Foto Fischer

Durchschneiden des Bandes

©: Stadt Graz/Foto Fischer

Bezirksanzeiger analog mit Adaptierungsbedarf

©: Emil Gruber

Zugang zum Park von der Liebenauer Hauptstraße gesehen

©: Emil Gruber

Ackerfläche zur rechten Seite des Parkweges

©: Emil Gruber

Spielplatz Totale

©: Emil Gruber

Spielplatz Details

©: Emil Gruber

Bänke am Rande des Spielplatzes , im Hintergrund die – noch nicht – öffentlichen WC-Anlagen

©: Emil Gruber

Detail WC-Anlagen

©: Emil Gruber

Panorama vom Dach eines der Auslässe der Unterflurterrasse gesehen

©: Emil Gruber

Kreisverkehr mit Zu- und Abfahrten zur Unterflurterrasse

©: Emil Gruber

Blick Richtung Raaba mit Erotikgroßgelände rechts

©: Emil Gruber

Gegenblick

©: Emil Gruber

The Paradise

©: Emil Gruber

Ackerland und Brachen gegenüber dem Park auf der anderen Seite der Liebenauer Hauptstraße

©: Emil Gruber

Liebenauer Hauptstraße stadteinwärts, beim nächsten Ackerland

©: Emil Gruber

Es gibt eine Partei, die neue Wege geht und sich gerade deshalb an Sie wendet und um ihre Mitarbeit bittet.
1978 ließ in Wien der Landesparteiobmann der ÖVP Erhard Busek Musikkassetten als Wahlwerbung verteilen. Für die melodische Unterstützung wählte er jenseits des üblichen Horizonts der größtmöglichen Belanglosigkeit die damals sehr populäre Folk-Rock Gruppe Misthaufen aus. In ihren Texten kriegte der Kleinstbürger mit dem Nägelbeißa-Boogie eins hinter seine Vorstellung von Moral und Anstand, bekam das österreichische Selbstmitleid im Schabernack seine Hymne oder man biss mit An Schweinsbratn kriag i geradewegs mitten ins Wiener Herz.
Für die gebändigte Natur innerhalb der Stadt, dort wo der Bitte des Einen nach Rücksichtnahme häufig das Ansinnen des anderen zu einem Befeuchten seiner anatomischen Rückseite entgegengestellt wird – und trotz aus „21 Ecken“ nach der Mama schreienden Kindern, „sekkierenden Fliegen“ und auf der Wiese liegenden „Fetzn Butterbrotpapier“ – stellte Misthaufen mehrstimmig fest: 
Im Park is schee.

Seit ein paar Wochen gibt es ein solches Spaziergangsfreigehege ganz neu nun für den Grazer Süden. Ende Oktober wurde der Liebenauer Park von neun mit großen Scheren bestückten HonoratiorInnen der Bevölkerung geschenkt. Monsterseifenblasen wabberten, Cube L der Allererste, ein Kletterwürfel aus Holz und Seilen, wurde zur kindlichen Ersteigung freigegeben. Die Presseaussendung der Stadt Graz schwärmt von „der ersten großen öffentlichen Grünfläche des Bezirks“, die ab sofort „zahlreiche Möglichkeiten für Spiel, Sport und Erholung“ bietet.
 
Neues Grün in Graz ist in den letzten Jahren eher in die Kategorie Anomalie einzuordnen. Zeit für einen Lokalaugenschein am Dach der Südgürtel-Unterflurtrasse zwei Wochen nach der Eröffnung. Es ist Sonntagmittag, der Himmel zeigt ein Totalblau und trotz November kann die Jacke sich weit der Umgebung öffnen.

Knapp vor dem Eingang in den Park ein Übersichtsplan. Hier ist nicht die Hoffnung sondern die Vergangenheit grün. Unterflurtrasse und Murpark fehlen, der neue Park ohne Vor-Mur sowieso. Dafür ist das Schild vom ehemaligen Neudorferhof zu einem Marterl geworden. Das Lieblingswirtshaus vieler Liebenauer, in dem einst Schnitzerl und Backhenderl bröselten, ist schon seit einiger Zeit vorwärts zur Pizzeria Forno Antico gealtert. Bankadressen stimmen nur mehr bedingt, seit Filialen – näher mein Zentrum zu Dir – verlegt wurden und der Name Creditanstalt auf einer der Tafeln hat etwas sozialromantisch Uneurohaftes.
Aber der Flaneur kommt vom Weg ab.

Von der Liebenauer Hauptstraße her wirkt der erste Eindruck des Parks linkslastig. Das ist kein politisches Statement, sondern dem Acker auf der rechten Seite des Weges geschuldet, der den Parkbesucher bis zum Herzstück, dem Spielplatz, begleiten wird. Entlang der Nutzfläche schlichten sich Wohnbehältnisse unterschiedlicher Art und Alters. Die Krandichte im Umfeld ist hoch. Bauen an der Peripherie braucht keine Muße. Die frisch gepflanzten Bäume entlang des Weges werden sich strecken müssen, wenn sie eine Fernsicht einmal haben wollen.

Die Erwartungshaltung, am Nabel des Bezirksgrünlunge, die da Spiel, Sport und Erholung bietet, Menschen zu finden, die einen dieser drei Vorschläge von der Theorie in die Praxis überleiten, erweist sich im Feldforschungsmoment als irreführend. Sämtliche Bankerl sind körperlos, alle Spielgeräte oben ohne und alleinstehend, die kleine, offene Kapelle andächtig leer. Die öffentlichen Toiletten daneben sind dagegen zugesperrt. Am Sonntag hat in Liebenau das Draußen frei und jeder Harndrang ruht.

Mehr als eine Million Fahrzeuge sind seit der Eröffnung des Südgürtels aus dem oder in das verkehrsberuhigte Dunkel von Graz Under gerollt, informiert die Stadt. Diesmal verstärkt sich das Gefühl der Leere beim Flaneur jedoch, als er die am Ende des Parks entdeckten Auslässe der Unterflurterrassen begutachtet. Nur ganz selten von einem Automobilgeräusch gestört, übermannt eine Vision den Spaziergänger: Die Stille in einer autofreien Stadt.

Nach draußen und Not verlangt auch der Verkehr nach der Ruhe am siebten Tag. Hinter den Toren zum Paradies, das sich dann buchstäblich am Ende aller Wege hier als übermorgenländische Kulisse zeigt, vermutet der Flaneur dann doch noch Bewegung. Über diese Ein-Zweck-Architektur möchte er aber besser den Bademantel des Schweigens legen. Jenseits des Männermärchenlandes breitet sich noch unschuldiges Ackerland aus. „Für immer jung“, steht mitten darin auf einer Werbefläche. Ganz am hinteren Ende des Feldes glänzt ein Kran in der Sonne.
Der Flaneur wird im Frühjahr wiederkommen und neuerlich zählen: Die Menschen im Park, die Kraftwagen und die Kräne.

PS
Im Park is schee hat Erhard Busek in den 1970ern wortwörtlich genommen. In seinen Konzepten spielte das Grün eine zentrale Rolle. Stadterneuerung statt Stadterweiterung war sein Leitmotiv.

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Stadt Graz, Presseaussendung, 24.10.2017:

Liebenaus erster Park wird eröffnet

Mit der Eröffnung des Südgürtel-Trassenparks – dem neuen Liebenauer Park – wird der Grazer Randbezirk ein schönes Stück grüner und lebenswerter. Wo in den vergangenen Jahren Baufahrzeuge für die Errichtung des Südgürtel-Tunnels den Ton angegeben haben, ist es mittlerweile ruhig und beschaulich geworden. Wiesen, Bäume und Sträucher haben deutlich Farbe bekannt.

(...) siehe auch Link rechts.

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