07/12/2016

Die Energie Steiermark AG wird ca 600 Meter nördlich der Puntigamer Brücke das Murkraftwerk Graz-Puntigam errichten. Der Aufsichtsrat der ESTAG hat am 5. Dezember 2016 einstimmig den Bau des Murkraftwerks in Graz beschlossen (siehe Link Pressemitteilung unten). 

Die Plattform Rettet die Mur hält am Donnerstag, 08.12.2016 von 14:00 bis 14:45 Uhr einen STERNMARSCH zum Puchsteg mit Start an verschiedenen Punkten in Graz ab und hofft auf rege Teilnahme (s. Plakat links und Link unten)

INFO: office@rettetdiemur.at

 

07/12/2016

Die ESTAG bietet eine Reihe von Visualisierungen des Projekts an > siehe Link Visualisierungen rechts.

©: Energie Steiermark AG

Der Flussraum an der Mur ist mit dem intensiven Bewuchs der Uferzonen und dem rasch fließenden Wasser eines der wichtigsten strukturbildenden Elemente im Grazer Stadtbild. Ein Kraftwerksbau würde diesen Raum von der Hauptbrücke bis zur Puntigamerbrücke nachhaltig verändern und hätte den Verlust des gesamten Baumbestandes vom Augarten bis zur Puntigamerbrücke zur Folge.
Seit den Gemeinderatsbeschlüssen zum 2.0 Stadtentwicklungskonzept 1990, Sachprogramm „Grünraum“ 1997, 3.0 Stadtentwicklungskonzept 2001 (alle Beschlüsse mit Zweidrittelmehrheit!) und dem „Grünen Netz“ gibt es zu dieser einzigen durchgehen- den Grünachse im Stadtgebiet eine mit der Bevölkerung intensiv kommunizierte Zielsetzung: Den „Lebensraum an der Mur“ in seiner Substanz zu erhalten und zu gestalten!
Das Projekt des Murkraftwerkes Graz-Puntigam hat in der Öffentlichkeit schon allein deshalb eine Vielzahl von Fragen aufgeworfen, weil diese Beschlusslage offenbar von der Politik und Verwaltung bewusst ignoriert und über das Projekt und deren konkrete Auswirkungen von der Stadt Graz nicht objektiv informiert wurde.
 So ist es nicht verwunderlich, dass die Grazer Bevölkerung über dieses Projekt keine substanzielleren Informationen besitzt, als die geschönten und manipulativen Werbedarstellungen der EStAG.
Nachdem die vorgezogene Neuwahl des Grazer Gemeinderates durch das Murkraftwerk mitverursacht wurde, ist es dringend geboten, dass die Öffentlichkeit noch vor der Gemeinderatswahl eine umfassende Information erhält und inhaltliche Klarstellungen zu den offenen Fragen und Problemfeldern durch die verantwortlichen Politiker erfolgen.
Das größte Problem liegt im demokratiepolitischen Defizit! 

Auf Grund der eindeutigen Beschlüsse im Gemeinderat, den „Lebensraum an der Mur“ zu erhalten, war die Errichtung eines Murkraftwerkes im Stadtgebiet bis 2010 kein Diskussionsthema.
Erstmals erfuhren die Grazerinnen und Grazer im Frühsommer 2010 über eine Werbung der EStAG, dass sich der Landeshauptmann und der Bürgermeister der Landeshauptstadt uneingeschränkt für den Bau des Murkraftwerkes Graz-Puntigam einsetzen würden, obwohl sie zum damaligen Zeitpunkt das gesamte Projekt noch gar nicht gekannt haben dürften, der Ausgang des UVP-Verfahrens nicht abgeschätzt werden konnte und daher auch die konkreten Auswirkungen nicht seriös beurteilbar waren.
Mit dieser inhaltlichen Fixierung wurden sowohl die politischen Gremien als auch die Verwaltung vollkommen überrascht. In weiterer Folge wurde von Seiten der politischen Führung der Stadt alles unternommen, um das Kraftwerksprojekt zu unterstützen – Grundsatzbeschluss zum Murkraftwerk Graz-Puntigam im Juni 2011, Beschluss über den Zentralen Speicherkanal, etc. – und eine umfassende Information und Diskussion über die Folgewirkungen unterbunden. Eine demokratische Mitwirkung der Bevölkerung und eine angestrebte Volksbefragung wurden mit dieser politischen Haltung verhindert.
Die Stadt Graz hat sich in den „Leitlinien für BürgerInnenbeteiligung bei Vorhaben und Planungen der Stadt Graz“ dazu verpflichtet, eine „frühzeitige Information der BürgerInnen über Vorhaben und Planungen der Stadt Graz“ sicher zu stellen und aktiv zu betreiben.
Die bisherigen Informationen über das Kraftwerksprojekt kamen jedoch beinahe ausschließlich über die Werbeschiene der EStAG in die Öffentlichkeit. Die EStAG verfolgte mit den in Umlauf gebrachten Darstellungen keinesfalls das Ziel über das Gesamtprojekt, die räumlichen Veränderungen im Stadtraum sowie die temporären und dauerhaften Auswirkungen auf den Lebensraum zu informieren, sondern sie versuchte mit den Mitteln der Werbung und mit Bildern eher zu manipulieren. So wird der Bevölkerung (und den Politikern!) ein Bild des zukünftigen Murraumes mit einer intensiven Uferbepflanzung vermittelt, das es zukünftig wegen des Flächenverlustes im Uferbereich nicht geben kann.
Warum unterblieb die Information der Bevölkerung und eine öffentliche Diskussion beim Murkraftwerk Graz-Puntigam, obwohl sich die Stadt Graz zur „frühzeitigen Information der BürgerInnen über Vorhaben und Planungen der Stadt Graz“ mehrfach bekannte? 

Eine umfassende, wirklichkeitsgetreue Information der Bevölkerung über die Auswirkungen und die Veränderung des Raums hätte allerdings demokratie- und verfahrenspolitisch längst vor dem Grundsatzbeschluss des Gemeinderates im Juni 2011 und vor der UVP-Verhandlung geschehen müssen.
Sich zur demokratiepolitischen Legitimation auf eine Befragung innerhalb einer Partei zu berufen und daraus abzuleiten, dass die Grazer Bevölkerung zu Dreiviertel für das Kraftwerk sei, zeigt eine Missachtung partizipatorischer Bürgerrechte. 

Eine Befragung (2012) zu einem Thema durchzuführen, zu dem es keine aufberei- tete Information gab, widerspricht allen Grundsätzen der Meinungsforschung. 
 Der Wissensstand der Befragten zum Projekt des Murkraftwerkes konnte bestenfalls vom einseitigen Werbematerial der EStAG herrühren. Eine seriöse Information über das Kraftwerksprojektes im Rahmen der Befragung war jedenfalls nicht gegeben, somit ist die 2012 durchgeführte Befragung auch mangels einer entsprechenden Darstellung der Projektauswirkungen nichtsagend und daher unbrauchbar.
Es ist nicht die primäre Aufgabe der Stadt Strom zu produzieren! 

Warum engagiert sich die Stadt Graz parteiisch für ein privatwirtschaftliches Kraftwerksprojekt, setzt sich über ihre eigenen Beschlüsse hinweg und missachtet somit die mit Beteiligung der Bevölkerung erarbeiteten Zielsetzungen?
Dies bedeutet, dass der zu erhaltenden „Lebensraum an der Mur“ zerstört und durch nichts annähernd Gleichwertiges ersetzt werden kann. Die tatsächlichen Auswirkungen werden offiziell schöngeredet – z.B: Es sind „nur 700 Bäume“ (und nicht 8.000) die gefällt werden müssen (BIG - Nov. 2016) – es existieren für die interessierte Bevölkerung weder Pläne noch Beschreibungen und so herrscht in der Bevölkerung nach wie vor eine große Ahnungslosigkeit.
 
Wenn im Zuge des Kraftwerksbaues ca. 8.000 Bäume und der gesamte sonstige Bewuchs gerodet werden müssen, dann ist es jedenfalls stadtentwicklungsrelevant, wie dieser gravierende Verlust kompensiert werden sollte und wo sich die dafür notwendigen Ausgleichsflächen im Nahbereich der Mur befinden könnten.
 
Warum wurden im 4.0 Stadtentwicklungskonzept weder dezidierte Aussagen zum Murkraftwerk und zum Zentralen Speicherkanal noch entwicklungsrelevante Festlegungen für den betroffenen Raum und die Infrastruktur getroffen?
Es hat den Anschein, dass die verantwortlichen Politiker eine öffentlich Diskussion über diese Konfliktthema im Zuge des raumordnungsrechtlichen Verfahrens zum 4.0 Stadtentwicklungskonzept jedenfalls verhindern wollten. 

Gertraud Prügger

Besten Dank, sehr geehrte Frau DI Tschavgova, für den ausgezeichneten Artikel und die Informationen, die den Grazern leider von den Medien vorenthalten wurden. Nun kann man sie breit streuen.
Einer der letzten fließenden Abschnitte der Mur zwischen Bruck und Spielfeld befindet sich in Graz gemeinsam mit dem "Grünen Band von rund 16.500 Bäumen". Und diese Grüne Lunge soll der Unvernunft geopfert werden?
Wir sollten doch stolz sein, in "Graz an der fließenden Mur" leben zu dürfen.
Gertraud Prügger
ehem. Geschäftsführerin des Naturschutzbundes Steiermark

Di. 13/12/2016 10:34 Permalink
georgdornhofer

Zitat aus der Lobbykritik von Alice Wagner "Wenn die Konzerne ein und aus gehen".
Abgedruckt in der Falter-Beilage "Ökonomie" Nr. 3a/17:
Colin Crouch hat in seinem gleichnamigen Buch aus 2003 resümiert, durch die enge Verflechtung zwischen Politik und Wirtschaft habe die Demokratie Schaden genommen und wir befänden uns im Stadium der "Postdemokratie". Postdemokratie zeichnet sich dadurch aus, das ist Demokratie zwar formal und rechtlich abgesichert (freie Wahlen, etc), aber real stark geschwächt ist, da Entscheidungen nur mehr von kleinen politischen und wirtschaftlichen geliebten gefällt werden und Politik vor allem im Interesse der Wirtschaft tätig ist.
Graz wäre für Crouch wohl auch ein gutes Beispiel für Postdemokratie: wesentliche Entscheidungen werden außerhalb der klassischen politischen Foren gefällt.

Mi. 25/01/2017 5:22 Permalink
Anonymous

Antwort auf von Eva Pichler

Bevor man jemanden unlautere Machenschaften unterstellt sollte wenigstens eine oberflächliche Recherche erfolgen. Die Regionalmanagement Gesellschaften sind Einrichtungen auf Basis des Raumordnungsgesetzes und im Besitz der Öffentlichen Hand. Die Vorsitzenden des Regionalverbandes sind dann eben auch die jeweiligen Bürgermeister. Mit solch nebulosen Verschwörungstheorien ist wirklich niemandem gedient.
http://www.zentralraum-stmk.at/ueber-uns/

Di. 14/02/2017 10:54 Permalink

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