04/07/2005
04/07/2005

v.l.n.r.: Iris Rampula, Nicole Lam, Eva Grubbauer, Doris Hallama, Nicole Pruckermayr und Heidi Pretterhofer.

Full house bei der Veranstaltung "Cheap 4. Ich bin ein Architekt" am 23.06.2005 im Forum Stadtpark Graz. Fotos: fw

Über die Produktionsbedingungen junger Frauen in der Architektur. Vortrag und Diskussion am 23.06.2005 im Forum Stadtpark Graz.

Die drängenden Fragen zum Thema liegen ja eigentlich auf der Hand: Warum ist der Architektenberuf nach wie vor eine Männerdomäne, obwohl die Quote der Absolventinnen in der Architektur seit Jahren auf selber Höhe mit jener der Absolventen liegt? Warum ist die Zahl der Architektinnen mit aufrechter Befugnis im Verhältnis zur männlichen Kollegenschaft verschwindend klein? Warum gibt es keine jungen weiblichen Architekturkollektive? (1)

Dennoch wollte bei den Diskutantinnen von „CHEAP 4 – Ich bin eine Architekt“ nicht jene Kampfesstimmung aufkommen, wie man sie von früheren feministischen Debatten vielleicht hätte erwarten können. Denn im Grunde waren sich die Teilnehmerinnen der Diskussion – die jungen Grazer Architektinnen Eva Grubbauer, Doris Hallama, Nicole Lam, Nicole Pruckermayr und Iris Rampula (Moderation: Heidi Pretterhofer) – einig: Einmal aus dem geschützten Bereich der Universität in der beruflichen Praxis angekommen, stellt sich das Frau-Sein bald als Selbstverständlichkeit ein; und die Erfahrung zeigt, dass sogar auf den Männer-dominierten Baustellen Know-How und fachliche Kompetenz schnell zu den wesentlichen Faktoren im persönlichen Umgang werden.

Wenn also die Produktionsbedingungen in der Praxis oftmals besser sind als ihr Ruf, bleibt die Frage der eklatanten weiblichen Ausfallsquote zwischen den Eckpunkten Studienabschluss und beruflicher Selbständigkeit dennoch bestehen. Und bei genauerem Hinsehen konnten die Diskutantinnen jenseits ihrer positiven Erfahrungen auch Negativbeispiele gesellschaftlicher Denkmuster ausmachen, die es Frauen in Summe sichtbar erschweren, den Beruf der Architektin als Selbstverständlichkeit ihres Werdeganges anzusehen. Etwa, wenn Auftraggeber Zurückhaltung zeigen, Frauen nicht nur in der Entwurfs-, sondern auch in der Ausführungsphase eines Projekts die nötige Kompetenz zuzugestehen; wenn in der täglichen Büroarbeit Mitarbeiterinnen in schwierigen Situationen nicht an die Front gelassen, sprich in die heiße Phase eines Problemlösungsprozesses miteinbezogen werden; wenn in spontanen Situationen eher männliche Mitarbeiter um Know-How gefragt werden als ihre weiblichen Kolleginnen. Situationen wie diese hinterlassen bei Frauen trotz aller beruflichen Kompetenz oft die Angst, einem Berufsbild nicht entsprechen zu können.

Dennoch: Nach Jahrzehnten zum Teil intensiv geführter Diskussionen zur beruflichen Gleichberechtigung der Frau ist die heutige Generation junger Architektinnen beim pragmatischen, dafür aber umso selbstverständlicher wirkenden „Just do it!“ angelangt – und vertraut auf die normative Kraft des Faktischen, wenn es darum geht, gesellschaftliche Denkweisen neu zu definieren. Wobei trotz aller Nüchternheit eine gewisse Euphorie unter den jungen Architektinnen ob ihres neuen Selbst-Verständnisses nicht zu übersehen ist. Es brauche verstärkt Zugpferde unter den Frauen, die den jungen Absolventinnen zeigen, dass die Selbständigkeit als Architektin funktioniere, meinte etwa Nicole Lam in der Diskussion. In einer Umfrage hatte Lam junge Studentinnen an der TU Graz mit der provokanten Frage „Warum sind wir die Stars von morgen?“ konfrontiert – nicht ohne die prägnanteste Antwort darauf später selbst abzugeben: Weil es in Zukunft beruflich keinen Unterscheid mehr machen werde, Frau oder Mann zu sein.(1) Quoten: TU Graz, Fakultät für Architektur: Absolventinnen: 50,0%, Assistentinnen: 37,2%, Professorinnen: 16,6%. Architektinnen mit aufrechter Befugnis in der Steiermark: 7,72%. Quelle: TU Graz, Fakultät für Architektur bzw. Kammer der Architekten und Ingenieurskonsulenten für Steiermark und Kärnten.

Verfasser/in:
Fabian Wallmüller, Kommentar
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