17/02/2014

Ulrich Eberl
Zukunft 2050. Wie wir schon heute die Zukunft erfinden
Verlag Beltz & Gelberg
Weinheim Basel, 2011
ISBN 978-3-407-75352-6
5. Auflage 2013, 240 Seiten
Gebunden

Hans-Jörg Bullinger/Brigitte Röthlein
Morgenstadt. Wie wir morgen leben - Lösung für das urbane Leben der Zukunft
Carl Hanser Verlag
München, 2012
ISBN 978-3-446-43203-1
Hardcover, 286 Seiten

17/02/2014
©: Redaktion GAT GrazArchitekturTäglich

Mittlerweile leben mehr Menschen in Städten als auf dem Land. Der Bedarf an Stadtraum und damit an Fläche wird sich voraussichtlich durch die anhaltende globale Landflucht, das Gesamtbevölkerungswachstum und die gute medizinische Versorgung bis ins Jahr 2050 gegenüber heute verdoppeln. Die Städte verbrauchen dabei bereits heute drei Viertel aller Ressourcen und produzieren unglaubliche Mengen an Müll, giftigen Abwässern und Treibhausgasen.

Damit nehmen die Städte eine Schlüsselfunktion bei der Gestaltung einer nachhaltigen und lebenswerten Zukunft und zum Erreichen der Energiewende bzw. der Klimaschutzziele ein. „Die politischen und ökonomischen Grundlagen, die wir heute schaffen, entscheiden morgen über die Qualität unserer Ökosysteme und darüber, ob wir unsere Ressourcen sichern und erhalten können – und zwar weltweit.“

Die stadtplanerische Gesamtsicht, die Stadtentwicklung darf damit künftig nicht mehr überwiegend durch den Kapitalismus gesteuert und damit dem Zufall überlassen werden. Wir müssen uns jetzt diesem Paradigmenwechsel mit seinen technischen und gesellschaftspolitischen Herausforderungen stellen. Es ist die Aufgabe dieses Jahrhunderts, unsere Umwelt lebenswert zu erhalten, unser derzeitiges Energiesystem umzubauen und vor allem bestehende Stadtstrukturen flexibler auf neue Entwicklungen hin zu- bzw. umzugestalten.

In den beiden Büchern Zukunft 2050. Wie wir schon heute die Zukunft erfinden und Morgenstadt. Wie wir morgen leben - Lösung für das urbane Leben der Zukunft ist der Prognosezeitraum für diese Wende auf das Jahr 2050 gelegt. Dabei gilt es den derzeitigen weltweiten CO2-Emissionsausstoß um mindestens die Hälfte zu reduzieren. Beide Bücher gehen dabei von einem realistischen Zeithorizont aus und zeigen anhand der aktuellen Entwicklungen in den Bereichen Energieversorgung, Informations- und Kommunikationstechnologien, Mobilität, etc. und anhand zahlreicher Beispiele, dass die Wende möglich wäre. So entsteht z.B. im Emirat Abu Dhabi die erste große Nullemissionsstadt – Masdar City. Seit 2008 plant u.a. der Architekt Sir Norman Foster an der 50.000 Einwohnerstadt mit dem Ziel, dass die Hälfte der CO2-Reduktion durch intelligentes Stadt- und Gebäudedesign zustande kommt.

Beide Bücher sind gut gegliedert und bereiten die Themen, die sich der Mensch der Zukunft stellen muss, mit aktuellen Beispielen hinterlegt, übersichtlich auf. Die Begrifflichkeiten der neuen Technologien sind auch für den Laien oder für Jugendliche gut und verständlich erklärt.

Zukunft 2050
Das Buch Zukunft 2050. Wie wir schon heute die Zukunft erfinden hinterleuchtet die technologische, historische Entwicklung und ihre Auswirkungen und hinterfragt diese kritisch. So wird die Energiewende nur durch staatliche Förderungen möglich sein und wenn wirklich alle, die Politik und die Industrie mitziehen, denn die Wende ist teuer. Forschung und Entwicklung sowie der Aufbau von Anlagen und Leitungen sind aufwendig und kostspielig. Die Potenziale für die Zukunft, die Reduktion der Umweltbelastungen, die Ökobilanz, die Betrachtung der Lebenszyklen und die dadurch gewonnenen Einsparungspotenziale müssen erst als Wertschöpfung im kapitalistischen Sinne erkannt werden. Neue Finanzierungsmodelle, wie z.B. die Mikrokredite, das Energiesparcontracting oder das Subventionierungsmodell Better Place, bei dem der Kunde die Reichweite des Autos erwirbt und dadurch der Hersteller mehr Interesse an der Qualität und dem Recycling des Autos haben sollte, werden im vorliegenden Buch ebenso vorgestellt, wie die gegenwärtige Finanzkrise mit der Bankenhilfe kritisch hinterfragt. Besprochen wird auch die Kehrseite des technischen Fortschritts, wie das Thema der permanenten Überwachbarkeit durch Sensoren, die einem „perfekten Polizeistaat im Prinzip Tür und Tor“ öffnen. Die  Abwehrhaltung der Bevölkerung gegen eine zunehmende Überwachung erodieren zunehmend. Im Namen der Sicherheit und durch soziale Netzwerke, Kundenkarten, Gewinnspiele, etc. wird freiwillig auf die Privatsphäre und den Datenschutz verzichtet. Die Trendaussagen bezieht das Buch dabei primär auf Basis des Forschungs- und Innovationsmagazin Pictures of the Future, das die Siemens AG herausgibt und für das der Autor Ulrich Eberl als Chefredakteur tätig ist.

Ulrich Eberl ist einer der renommiertesten Wissenschafts- und Technikautoren Deutschlands. Er studierte Physik und promovierte 1992 an der Technischen Universität München.

Morgenstadt
Dagegen generiert das Buch Morgenstadt. Wie wir morgen leben - Lösung für das urbane Leben der Zukunft, herausgegeben von der Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e. V. Deutschland, das Zukunftsszenario der Stadt. Die Stadt der Zukunft ist eine pluralistisch, durchmischte und (zusammen)gewachsene Struktur mit mehreren unabhängigen energetisch autarken Stadtteilen. Dezentrale regenerative ineinandergreifende Energieversorgungskonzepte, die sparsam in ihrer Nutzung (z. B. Micro Energy Harvesting) und intelligent in ihrer Verteilung (Smart Grid) sind, ermöglichen ab 2050 den Ausstieg von der Kernkraft und den fossilen Energieträgern. Man geht davon aus, dass ab 2050 im städtischen Verkehr nur mehr Fahrzeuge mit alternativen Antriebstechnologien und Kraftstoffen unterwegs sein werden.
Insgesamt baut die Morgenstadt auf stark vernetzte sensorgesteuerte und überwachte Kreislaufprozesse in der Ver- und Entsorgung. Dies gilt sowohl für die Energiegewinnung, die Logistik von Waren- und Personenverkehr, wie auch für das Wiedergewinnen von Rohstoffen aus Abfall (urban mining) sowie die Wassergewinnung und (Ab)Wasseraufbereitung.
Die gesamte Stadtstruktur soll und wird in all ihren Prozessen „vollständig CO2-neutral, hochgradig energieeffizient, klimaangepasst und für alle Bewohner lebenswert sein“. Angestrebt wird eine ganzheitliche Sicht, wobei ein ökologischer, ökonomischer und sozialer Mehrwert als zusammengehörige Einheit gesehen wird. Arbeiten und Wohnen wird durch Telearbeit nicht mehr so stark getrennt sein wie derzeit. Immer wichtiger wird daher die aktive Beteiligung der Bewohner an Entscheidungsfindungsprozessen innerhalb der Stadt und Baugruppenprojekte werden zum Erfolgsmodell der Morgenstadt.
Da dieses Buch im Rahmen des Verbundforschungsvorhabens Morgenstadt: City Insights entstanden ist, das die Fraunhofer-Gesellschaft in Kooperation mit der Industrie und mit  einigen Städten, wie u. a. Berlin seit 2012 betreibt, darf man auf weitere spannende und aussagekräftige Publikationen und Pilotprojekte in diesem Bereich hoffen.

Hans-Jörg Bullinger ist Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft. 2009 wurde er vom manager magazin zum Manager des Jahres gekürt.
Brigitte Röthlein ist Physikerin und Sozialwissenschaftlerin. Als Journalistin und Buch-autorin schreibt sie über viele Themen aus Wissenschaft und Technik.

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