17/02/2016

Nach den theoretischen Grundüberlegungen zu den Anforderungen an Fenster, bei denen vor allem die bauphysikalischen Rahmenbedingungen für den Winterfall sehr intensiv beleuchtet werden, werden anhand zweier Fallstudien die Auswirkungen für eine innenbündige und eine außenbündige Fensterlage vorgestellt.

Dieser Artikel erscheint im Rahmen des GAT-Schwerpunkts Monolithisch Bauen.

17/02/2016

Haus 36, Stuttgart von MBA/S. Die runden Fenster wurden mittels Kernbohrung angelegt.

©: Tim Lüking

Schematische Darstellung des linearen Wärmeverlaufs in einem einschichtigen Bauteil bei unterschiedlichen Dicken und Wärmeleitfähigkeiten.

©: Tim Lüking

Haus Meuli, Fläsch, von Bearth & Deplazes Architekten. Innenbündige Fensterelemente.

©: Tim Lüking

Isothermische Untersuchungen zu unterschiedlichen Fensterpositionen auf der Innenseite der Außenwand.

©: Tim Lüking

Refugi Lieptgas, Flims, von Selina Walder und Georg Nickisch. Innenseitig aufgesetztes Fensterelement.

©: Tim Lüking

Isothermische Untersuchung des Refugi Lieptgas-Fensterdetails.

©: Tim Lüking

Hanghaus, Altstätten, von Himmelhoch. Außenbündig eingeklebte Dreifach-Verglasungen.

©: Tim Lüking

Hanghaus, Altstätten, von Himmelhoch. Ausblick durch die Übereck-Verglasung.

©: Tim Lüking

Fenster sind ja immer so ein Thema; sie dienen der Belichtung, regelmäßig auch der Belüftung und ab und zu bieten sie einen wirklich lohnenswerten Ausblick. So hat man das Gefühl, dass sie häufig ein wenig unmotiviert daherkommen, weil aus baukonstruktiven und damit einhergehend Kostengründen eine Einbaulage irgendwo mittig der Öffnungstiefe gewählt wird. Daraus folgt außen eine schmale Fensterbank, auf der hier und da noch Geranien oder Ähnliches zu finden sind, die aber vor allem als Landeplatz und Lagerstätte von Schwebestoffen bis zum nächsten Regenschauer dient. Innenseitig gibt es auch eine Fensterbank – manchmal ist diese ebenfalls blumig oder anderweitig bestückt, vielfach bleibt sie frei. Gibt es einen Unterschied, wenn man nun eine Öffnung für ein Gebäude mit einer einschichtigen Leichtbetonwand plant?

Grundüberlegungen zur Lage des Fensterelements in der Öffnung

Schauen wir uns die technischen Anforderungen an, die im Kontext eines Fensters entstehen. Fangen wir mit der Befestigung an. Die Leichtbetonwand ist durchgehend tragfähig, beim Setzen eines Dübels muss natürlich eine Mindestbetonüberdeckung gewährleistet sein. Falls es tatsächlich sehr knapp ist, könnte das Einlegen einer Ankerschiene in die Schalung eine Lösung darstellen. Somit führt die Befestigung zu keiner Einschränkung in der Detailplanung. Die Ziele Dampfdiffusion und Luftdichtheit lassen sich ebenfalls in jeder Lage gut erfüllen. Beim Witterungseinfluss sind zwei Aspekte zu berücksichtigen: einerseits werden die Anschlüsse von Fensterelement zur Wand stärker beansprucht, je weiter außen das Fenster liegt, andererseits erhöht sich das Risiko des Eindringens von Wasser in das Bauteil vor allem im Bereich schwach geneigter Fensterbänken aus Leichtbeton, je weiter innen das Fenster liegt. Eine regelmäßige Begutachtung dieser Schwachstellen ist in beiden Fällen zu empfehlen. Aber auch durch diese Aspekte wird die Fensterposition nicht eingeschränkt. Bleibt zuletzt noch der Wärmeschutz.
Für den Sommerfall kann sich eine Position tief in der Laibung vorteilhaft auswirken, wenn dadurch die Fensterfläche zusätzlich verschattet wird. Außerdem ist so auch der verdeckte Einbau einer außen liegenden Verschattungsmaßnahme möglich, falls erwünscht. Eine äußere Lage erhöht tendenziell das Risiko, dass das Fenster zu einer verstärkten Raumerwärmung beiträgt. Die Faktoren sind zahlreich und lassen sich teilweise z.B. durch die Wahl einer entsprechenden Glasbeschichtung beeinflussen.
Wie steht es nun um den Winterfall?

Die Vereinfachung des Winterfalls

Unter stationären, also theoretisch dauerhaft stabilen Außenbedingungen (d.h. mit einer konstanten Außen- und Innentemperatur und ohne die Berücksichtigung solarer Zugewinne) existiert in einer einschichtigen Außenwand ein lineares Temperaturgefälle. (Siehe dazu Bild 2) Je dicker die Wand ist, desto langsamer verändert sich die Temperatur im Bauteil. Wird in die Öffnung ein Element wie z.B. ein Fenster mit Rahmen eingesetzt, dann entscheidet, vereinfacht gesagt, der Abstand zur inneren und äußeren Wandoberfläche und die Überlappung mit dem Bauteil über die bauphysikalische Anfälligkeit des Details. Je näher das Fensterelement an der inneren Oberfläche ist und je weiter weg es von der äußeren Oberfläche ist, desto geringer wird das Risiko der Kondensatbildung. Sprich: bei einer dicken Außenwand ist eine innenbündige Fensterlage besonders sicher, bei einer außenbündigen sollte zur Vermeidung von Kondensat die Wand besonders dünn sein.
Das System wurde für diese Annahmen sehr stark vereinfacht, trotzdem sind diese Rückschlüsse auch in der wesentlich komplexeren Wirklichkeit gültig. Bevor ich nach dieser Beschäftigung mit den Grundlagen auf Beispiele aus der Praxis eingehe, eine erste Anmerkung zur architektonischen Ausgestaltung der Fensteröffnungen. Die dicken Wände und das anfangs formbare Material verleiten dazu, mit der Laibung zu spielen. Schrägt man diese aus gestalterischen Gründen an, erzielt man damit den gleichen Effekt wie mit einer dünneren Wand. Bei einem innenbündig angelegten Fenster verschlechtert sich die Lage demnach aus bauhygienischer Sicht, bei einem außenseitig positionierten Fenster entspannt sich das Risiko zur Schadensbildung hingegen ein wenig. 

Ein Fenster auf der Innenseite der Wand

Als Startpunkt für ein Fenster auf der Innenseite wähle ich den Klassiker des modernen Leichtbetonsbaus, das Haus Meuli in Fläsch von dem Architekturbüro Bearth und Deplazes. (Siehe Bild 3 und Leitartikel „Monolithisch Bauen“ von Andrea Deplazes und Andreas Kohne) Der Fensterrahmen liegt bei diesem Haus in einer Aussparung der Wand. Von außen gesehen wird er damit komplett verdeckt und das Loch in der Gebäudehülle somit stark betont. (1) Von innen betrachtet liegt der Fensterstock bündig in der Fläche der Leichtbetonwand, der Öffnungsflügel verspringt um Materialstärke in den Innenraum. Beim Blick nach außen entsteht somit der Effekt eines Bildes, dessen Rahmen das Fenster bildet. Es wird also weniger die Öffnung selbst, sondern vielmehr der Ausblick betont. Bauphysikalisch gesehen ist diese Variante die Beste, solange der Leichtbeton eine höhere Wärmeleitfähigkeit als der Fensterrahmen (in diesem Fall Holz) aufweist. (Siehe Bild 4, mittlere isothermische Untersuchung)

Wie könnte jedoch eine gestalterische Lösung aussehen, bei der der Wanddurchbruch sowohl von innen als auch von außen als solcher wahrgenommen wird?

Der erste Ansatz ist vielleicht, dass man das Fensterelement in die Öffnung hineinstellt. Bauphysikalisch ist das bei den verbesserten Leichtbetonrezepturen mit einem Lambda von 0,22 W/mK oder niedriger für den Grazer Raum durchaus möglich. Bei einer angenommenen Vollholz-Rahmentiefe von 7 cm reicht diese Überdeckung, um das Kondensatrisiko für den Norm-Fall auszuschließen. (Siehe Bild 4, linke isothermische Untersuchung) Von innen wäre dieses Hineinstellen in die Öffnung jedoch nur spürbar, wenn man das Element weiter in die Öffnung stellt. Dadurch gewinnt das Fensterelement jedoch auch von außen an zusätzlicher Präsenz über die Reflektion der Glasscheibe hinaus. Ganz optimal erscheint dieser Ansatz deswegen nicht. 

Die Architekten Selina Walder und Georg Nickisch haben für das Refugi Lieptgas eine andere Lösung gewählt. (Siehe Bild 5) Um das Fensterelement als eigenständiges Element gegenüber der ausgehöhlten Masse des Leichtbetonbaukörpers hervorzuheben, haben die Architekten es innenseitig aufgesetzt. Lediglich der untere Rand ragt konstruktiv bedingt ein wenig in die Wandöffnung hinein, damit das Wasser auf die im Gefälle angelegte Laibungsfläche geführt wird. Auf diese ist übrigens wie beim Dach ein kunststoffgebundener Zement aufgespachtelt worden, um das Risiko zu verringern, dass Wasser eindringt. Dieses Versetzen des Rahmens an die Innenseite bedeutet, dass kalte Luft mit den eigentlich warmen Zonen der Wand unmittelbar in Kontakt gerät. Daraus resultiert eine viel extremere Krümmung der Isothermen und somit würde es ohne Gegenmaßnahme tatsächlich zu einem Kondensatproblem kommen. (Siehe Bild 4, rechte isothermische Untersuchung) Aus diesem Grund wurde ein kleiner Dämmkeil in die Schalung eingelegt, der nun durch den Fensterrahmen verdeckt wird. Um das Bild des unabhängigen Fensterelements zu ermöglichen, musste also das Betonvolumen manipuliert werden, so dass „die Wärme spazieren geführt wird“, wie die Architektin Selina Walder es so schön formulierte. (Siehe Bild 6) Um diesen Umweg nicht einplanen zu müssen, wäre eine weitere Reduktion der Wärmeleitfähigkeit des Leichtbetons notwendig oder der Rahmen, also die Kontaktfläche mit dem besseren Dämmstoff, wäre zu verbreitern. 

Das andere Extrem: das außenseitige Fenster

Wechseln wir von der inneren Wandoberfläche auf die äußere. Der Grund für außenbündige Fenster kann beispielsweise in der Betonung der Kubatur und Form des Baukörpers liegen. Diese sind dann jedoch aus bauphysikalischer Sicht im kritischen Bereich, in der kalten Zone der Außenwand. Beim VoltaZentrum in Basel von Buchner Bründler Architekten gibt es außenbündige Scheiben. Im Sockelgeschoss existieren Gewerbeflächen, wie zum Beispiel ein Supermarkt. Bei dieser Nutzung entsteht eine erhöhte Wärmeemission, so dass die Wand stärker aufgeheizt und damit ein Kondensatrisiko reduziert wird. In den oberen Wohngeschossen dient die äußere Scheibe allein dem Schallschutz, für die thermische Trennung existiert ein Fensterelement auf der inneren Seite. (2) Somit tritt auch hier der kritische bauphysikalische Fall nicht ein.

Es gibt sie aber, die Gebäude mit „richtigen“ außenbündigen Fenstern in einer Leichtbetonhülle. Viel publiziert wurde in den vergangenen Monaten das Haus 36 in Stuttgart von MBA/S. (3) Besonders auffällig daran sind die runden Öffnungen, die teils mit innenbündig angeordneten, zu öffnenden Elementen abgeschlossen werden und teils außenbündig eingeklebte Fixverglasungen aufweisen. (Siehe Foto 1) Die Öffnungen entstanden durch Kernbohrungen, so dass in der Laibungsfläche die leichten Zuschlagstoffe (Gesteinskörnungen) erkennbar sind. (Dazu mehr in einem Interview mit Transsolar in einem weiteren Beitrag im Rahmen dieses Fokus.)

Eher unbekannt ist ein drei Jahre zuvor gebautes, dreigeschossiges Haus im Schweizerischen Altstätten vom Büro Himmelhoch, das mit derselben Leichtbetonmischung errichtet wurde. Während in dessen beiden unteren Geschossen eine Wohnung ist, vereinnahmt das gesamte obere Stockwerk ein einzelner Büroraum. Über die nördliche Ecke erstreckt sich außenbündig ein Fenster, eine dreifache Fixverglasung mittels Silikon eingeklebt. (Siehe Bild 7 und 8) Dafür wurde in der nur 40 cm tiefen Außenwand seitlich und oben im Beton eine Aussparung mit 5 cm Tiefe und einem Versatz von 3 cm ausgeführt. Im unteren Bereich wurde ein Metallwinkel eingesetzt, gegen den auf Höhe des Estrichs ein Zementüberzug aufgebracht wurde. Während der Planungsphase hat der Bauphysiker den planenden Architekten, der ebenfalls Bauherr und jetziger Nutzer in Personalunion ist, darauf hingewiesen, das diese Detaillösung im Winter zu Kondensatproblemen führen wird. Dem Architekten war das egal. Er wollte diese Ecke aus ästhetischen Gründen so haben – Kondensat werde er im Notfall als Nutzer einfach wegwischen. Seine praktischen Erfahrungen mit dem Fenster in den ersten Wintern waren, dass er nie zu einem Lappen greifen musste, um Feuchtigkeit zu entfernen. 

Gemäß der Wärmebrückensimulation würde sich bei Außentemperaturen von -10 °C im Randbereich des Fensters eine Temperatur von unter 10 °C einstellen, die bei Norm-gerechten Betrachtungen zu einem Feuchteausfall führt. Die Wand ist in diesem Fall nicht aktiviert, so dass sich dadurch kein weiterer Effekt ergibt. Vorteilhaft wirkt sich in diesem Fall sicherlich die Nutzung des Raumes aus; ein Büro mit wenigen Menschen im Innenraum sorgt dafür, dass wenig Feuchtigkeit zur Luft hinzugefügt wird. Es gab keine Pflanzen im Raum, die den Luftfeuchtegehalt zusätzlich anheben. Es ließe sich darüber spekulieren, inwiefern der Leichtbeton aufgrund seiner porösen Oberflächenstruktur eine wesentlich verbesserte Feuchteaufnahme gegenüber Normalbeton aufweist und dadurch die Luftfeuchte und damit das Kondensatrisiko weiter reduziert. Wahrscheinlicher ist, dass die erhöhte Trägheit des Baustoffs und die daraus resultierenden höheren tatsächlichen Temperaturen im Inneren des Bauteils, als es der stationäre, lineare Verlauf ausweist, für die Kodensatfreiheit verantwortlich sind. An dieser Stelle wäre definitiv weitere Grundlagenforschung notwendig, um den Möglichkeiten des Baustoffs hinsichtlich der Detaillierungsfreiheit weiter auf den Grund zu gehen. Anzunehmen ist jedoch, dass jeder cm mehr an Wandstärke das Kondensatrisiko steigert.

Abschließen möchte ich an dieser Stelle mit einer konstruktiven Anmerkung zu der großflächigen Eckverglasung: Damit der Durchblick dauerhaft ungetrübt möglich ist, wurden die außenbündigen Fensterscheiben außenseitig mit einer Folie eingebaut. Dadurch wurde erfolgreich verhindert, dass Regenwasser Zement auf die Fensterscheibe trägt und es zu einer Alkali-Aggregat-Reaktion kommt, wodurch die Fensterscheibe an den entsprechenden Stellen erblindet wäre. Nach einem halben Jahr wurde die Folie entfernt, dank dieser Maßnahme ermöglicht das Fenster einen ungetrübten Ausblick in die Umgebung. 


(1) Man beachte auch die Fensterbank, die als Rinne aus Beton ausgebildet wurde und mittig durch einen kleinen Speier entwässert wird. Dadurch wird die Verschmutzung an der Fensterbankkante aufgrund von Schwebestoffen verhindert.
(2) Siehe Artikel „Wohn- und Geschäftshaus in Basel“ in DETAIL 4/2011, Seite 366 – 371
(3) Siehe zum Beispiel http://www.detail.de/artikel/monolith-in-hanglage-haus-36-in-stuttgart-2... oder http://www.baunetzwissen.de/objektartikel/Daemmstoffe-Einfamilienhaus-i…

Sämtliche Wärmebrückenuntersuchungen wurden mit der Software flixo unter der Annahme einer Innentemperatur von 20 °C und einer Außentemperatur von -10 °C gemacht.

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