18/07/2007
18/07/2007

Die Stadt Graz scheint immer wieder Geld für Projekte zu haben, deren Notwendigkeit sich Stadtbenützern/innen nicht erschließt. So fragt man sich, warum im Grazer Augartenpark ein neuer, aufwändig gestalteter Spielplatz um 250.000,-- Euro errichtet wurde, obwohl es dort bereits ein sehr attraktives Spielangebot für unterschiedliche Altersgruppen gab. Auf Anfrage bei den Wirtschaftsbetrieben kommt die Antwort, die Abteilung Grünraum sei zuständig und wollte einen „Luxusspielplatz“ errichten.

Lokalaugenschein Luxusspielplatz an einem Samstagnachmittag:
Von weitem hört man Lärm wie im Freibad oder auf einem Rummelplatz. Viele Kinder und deren Eltern sind am neuen Spielplatz im Augartenpark zu finden. Er scheint also doch eine gelungene Maßnahme zu sein. Beim genaueren Hinsehen und Beobachten kommen diesbezüglich doch einige arge Zweifel und Kopfschütteln auf.

1. Ein Zaun und ein Parkwächter schützen Pflanzen vor dem Ansturm der Kinder. Der Platz ist zum übrigen Park hin durch einen provisorischen Zaun abgegrenzt, nein, eigentlich durch eine kreisförmig angelegte niedrige Heckenbepflanzung, die an ein paar Stellen für Eingangsbereiche unterbrochen ist. Der Zaun befindet sich immer genau im Bereich der Bepflanzung, damit diese vor unerwünschtem Hineinlaufen von außen geschützt wird. Das erscheint doch sehr aufwändig.

2. Gartenausstellung oder Spielplatz, was war das Thema?
Neben genannten Hecken gibt es noch weitere neue Bepflanzungen im Bereich des Spielplatzes: Weiden, Farne, Gräser in Hackschnitzelflächen, auch unter den Geräten. Die Kinder beachten diese nicht (wie sollten sie auch) und laufen, das nächste Spielgerät im Blick, durch die Farne und Sträucher, so als wären diese gar nicht da. Auch Erwachsene, die ihren Kindern hinterher pilgern, übersehen die Pflanzeninseln des Öfteren. Unschönes, aber logisches Resultat: viele der Pflanzen sind bereits zertreten und kaputt, Äste von neu gepflanzten Bäumen abgerissen, Tendenz steigend.

3. Stress wie am Rummelplatz
Mitten im Geschehen hat man das Gefühl auf einem Rummelplatz zu sein: Zu viel Angebot auf zu engem Raum. Auch Gefahren lauern: Neben dem Kleinkindersandspielbereich befindet sich eine Insel mit Murnockerl. Eltern scheinen deswegen Angst um ihre Kinder zu haben und sitzen angespannt daneben. Was, wenn ein Murnockerl durch die Gegend fliegt und ein Kleinkind am Kopf trifft? Nach längerer Zeit des Beobachtens fällt auf, dass die Eltern sehr nahe bei den Geräten und Spielangeboten sitzen, meist am Boden, weil die Bänke fehlen. Die Kinder haben offensichtlich ihren Spaß. Nicht so die Eltern. Eine Mutter erzählt, sie habe zwei Kinder und sei nach drei Stunden am Spielplatz mit den Nerven fertig, weil sie hier nicht beide gleichzeitig beaufsichtigen könne und ein Kind bereits kurz verschwunden sei. Früher sei das Beaufsichtigen mehrerer Kinder im Augarten kein Problem gewesen, aber nun brauche man eigentlich für zwei Kinder zwei Aufsichtspersonen. Eine andere Mutter erzählt, sie komme nur hierher, um den Kindern einmal die neue Attraktion vorzuführen, sie würde aber niemals täglich hierher gehen.

Welche Ziele verfolgte die Stadt Graz mit diesem neuen Spielplatz?
Die Stadt als Event, also auch der Spielplatz ein Event, ein Disneyland, ein Rummelplatz? Oder ist dies ein Pilotversuch zum Thema Robustheit und Überlebensdauer von Pflanzen in unmittelbarer Nähe von Spielgeräten?

Resümee
Bei dem neuen Spielplatz handelt es sich um einen aufgepeppten, teuren Kinderrummelplatz, wo unnötige Pflanzen vor Kindern durch Zäune geschützt werden müssen, wo scheinbarer Vandalismus gar kein Vandalismus ist, sondern das hausgemachte Resultat exorbitanter Fehlplanung, weshalb Parkwächter eingesetzt werden müssen und die Wartungskosten in die Höhe schnellen. Es handelt sich außerdem um ein gebautes Missverstehen von Kinderbedürfnissen im Hinblick auf das Spiel. Gefördert werden hier nicht kindliche Phantasie und Kreativität. Es wird vielmehr ein falsches Konsumverhalten angeregt. Die Kinder sind durch das Überangebot an Spielgeräten nicht in der Lage, neues in einem angemessenen Tempo zu entdecken und zu erforschen, sondern rasen völlig überdreht von einem Gerät zum nächsten, es muss ja alles ausprobiert werden. In Zeiten, in denen Kinder schon von klein auf mit Reizen aller Art überflutet werden, sollten wenigstens Spielplätze einfach gestaltet sein und Orte sein, an denen Kinder selbst Hand anlegen können, um zu experimentieren und zu gestalten.

Beobachtung am Rande
Die afrikanischen Eltern sind einfach viel schlauer, sie setzten sich diesem Rummel nicht aus. Außerhalb der Umzäunung sitzen sie entspannt mit ihren Kühltaschen und afrikanischer Musik im Hintergrund, unterhalten sich, haben ihren Spaß und schauen ihren Kindern zu, die sich mit der großen Kletterseilpyramide und dem Fallschutzschotter als Spielplatz begnügen und vertieft, teilweise fast entrückt, im Spiel aufgehen.

Nachsatz
Im Johannespark in Gries wünschen sich die spielenden Kinder und ihre Eltern seit vier Jahren einen Trinkbrunnen, damit sie sich nicht immer teure Getränke kaufen müssen und die Sandkistenkinder nicht regelmäßig eine Entwurmungskur machen müssen. Die Antwort der zuständigen Abteilung lautet: „Der Trinkbrunnen kommt auch heuer nicht, er ist leider dem Sparstift zum Opfer gefallen.“

Elisabeth Lechner ist Architektin und lebt in Graz.

Verfasser/in:
Elisabeth Lechner, Kommentar
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