29/06/2022

Learning from Pompeii

Unter dem Titel „Learning from Pompeii“ haben Anselm Wagner und Radostina Radulova-Stahmer im Sommersemester 2022 ein Masterstudio an der Architekturfakultät der TU Graz abgehalten. Die Studierenden sollten auf der Grundlage des Stadtplanes des antiken Pompeii eine fußgänger- und umweltfreundliche, dekarbonisierte Stadt der Zukunft entwickeln. Ergebnis ist darüber hinaus ein Manifest, in dem Wagner und Radulova-Stahmer wesentliche Grundsätze der Stadt der Zukunft thematisieren.

29/06/2022

© Institut für Städtebau, TU Graz

©: TU Graz - Institut für Architekturtheorie, Kunst- und Kulturwissenschaften

Dekarbonisierung – Die Baubranche ist verantwortlich für einen Großteil der CO2-Emissionen. Verantwortungsvolles Bauen bedeutet, den Baubedarf und damit den Ressourceneinsatz kritisch zu hinterfragen und Sanierungs- und Umnutzungsalternativen auszuschöpfen. Zudem muss der (Um-)Bau von Stadt stets auf einer dekarbonisierten Mobilitätsstrategie beruhen und möglichst wenig Verkehrswege auslösen.

Städtebau statt Siedlungsbau – Monofunktionale Flächen wie reine Wohnsiedlungen und reine Gewerbegebiete sind Produkte der autogerechten Stadt des 20. Jahrhunderts. Sie verhindern die Fußläufigkeit und senken die Lebensqualität. Die Integration einer hohen Nutzungsvielfalt und dichten Durchmischung von urbanem, produktivem Gewerbe reduziert Mobilitätsbedarfe und senkt den Ausstoß von Treibhausgasen.

Vielfalt – Das Nutzungsgeflecht in der Stadt muss kleinteilig durchmischt sein. Das kann nur durch eine kleinteilige Parzellierung und damit eine kleinteilige Investitionsstruktur ermöglicht werden. Große Entwicklungseinheiten wie Blöcke oder ganze Quartiere aus der Hand eines Trägers laufen Gefahr, zu monofunktionaler Nutzung, Monotonie und einer Verödung des Straßenraumes zu führen.

Prägnanz – Ohne Blockrand keine Stadt. „A city is born when two houses share a wall“ (Alison Brooks Architects). Das solitäre Gebäude darf nur Ausnahme, nicht die Regel sein. Denn das zentrale Element der Stadt ist nicht das Haus, sondern der öffentliche Raum mit Straßen, Plätzen und Parks. Diese sind wie in allen vormodernen Städten als Aufenthaltsräume unter freiem Himmel mit innenräumlicher Qualität zu gestalten, nicht als generische Zwischenräume und nicht als reine Verkehrsflächen. Die eindeutige räumliche Geschlossenheit wie die Blockrandbebauung garantiert durch die räumliche Fassung von Straßen und Plätzen die Aufenthaltsqualität des öffentlichen Raumes und schafft eine klare Abgrenzung zu den privat oder kollektiv genutzten Innenhöfen.

Mobilitätswende – Straßen und Plätze müssen in erster Linie den sozialen Kontakten und der Mobilität von Fußgängern dienen, dann erst den Bedürfnissen von Radfahrenden, dem öffentlichen Verkehr und einer motorisierten Logistik und erst am Ende dem motorisierten Individualverkehr. CO2-neutrale, aktive Mobilität, Sharing-Konzepte und intermodale Mobilität erlauben eine faire und sichere Verteilung des öffentlichen Raumes. Straßenräume müssen Begegnungsräume sein. Sie müssen als gleichberechtigte Fläche für alle Mobilitätsformen (als shared space) organisiert sein mit gemischten Nutzungen und niedriger Geschwindigkeit.

Enge und Dichte – Hohe Bebauungsdichten und geringe Straßenbreiten begünstigen die „15-Minuten-Stadt“ mit kurzen Wegen, höhere Fußgängerfrequenz, soziale Kontrolle und eine Reduzierung des Tempos all jener, die nicht zu Fuß gehen. Enge Straßen erleichtern es den Fußgängern, diese zu queren und geben dem Straßenraum eine innenräumliche Qualität. Außerdem sorgen sie für die durch die Klimaerwärmung immer wichtiger werdende Beschattung.

Mitigation – Postfossile, wasser-sensible Straßen (und allgemein Stadträume) müssen klimaaktive Flächen wie z. B. Retentionsflächen vorsehen, die wie Schwämme funktionieren und das Stadtklima in einer zirkulären Weise verbessern.
 
Co-Habitat – Der Stadtraum ist Lebensraum für alle Lebewesen (Menschen, Tiere, Amphibien, Insekten, Pilze usw.). Kontinuierliche blau-grüne Korridore müssen als Netzwerke gestaltet sein, um die Biodiversität zu erhalten und ein symbiotisches Co-Habitat von „human and more than human“ zu ermöglichen.

Anselm Wagner
Radostina Radulova-Stahmer
Graz, Juni 2022

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Unter dem Titel „Learning from Pompeii“ haben Anselm Wagner und Radostina Radulova-Stahmer im Sommersemester 2022 ein Masterstudio an der Architekturfakultät der TU Graz abgehalten. Die Studierenden sollten auf der Grundlage des Stadtplanes des antiken Pompeii eine fußgänger- und umweltfreundliche, dekarbonisierte Stadt der Zukunft entwickeln.
Die Ergebnisse werden im Rahmen der Sommerausstellung der Architekturfakultät am Freitag, den 1. Juli 2022 von 15:00 bis 20:00 Uhr im Dachgeschoß der Alten Technik, Rechbauerstraße 12, 8010 Graz, gezeigt. Parallel dazu präsentiert das Institut für Städtebau die Ergebnisse seines Masterstudios „Simply Sustainable: Pompeii/Graz"

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Anselm Wagner ist Professor für Architekturtheorie und Vorstand des Instituts für Architekturtheorie, Kunst- und Kulturwissenschaften der TU Graz. Radostina Radulova-Stahmer ist Universitätsassistentin am Institut für Städtebau der TU Graz.

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