13/12/2005
13/12/2005

Von Wettbewerbsteilnehmern aufgefordert und "mehr denn je das ethische Verhalten einer Architekturjury einfordernd", nimmt Univ.-Prof. Arch. DI Volker Giencke (Ersatzpreisrichter, anwesend ohne Stimmrecht) zur Jurierung des Wettbewerbes „Palais Thinnfeld“ Stellung.

"Vorweg: Es ist nicht mein Bestreben, das mit dem 1. Preis ausgezeichnete Projekt zu torpedieren, wohl aber ist es mein Bestreben, aufzuzeigen, wie 1. Preise passieren, wenn eine Jury ihr Ziel verliert. Kriterien werden dann nicht mehr diskutiert, Argumente nicht mehr vorgebracht und nicht mehr gehört, statt hingeschaut wird weggeschaut, werden die Augen geschlossen. Hindurch! heißt die Devise. Das Ergebnis ist dann Pflicht, dementsprechend hilflos die Reaktion. „...ein Tisch ist ein Tisch, ein Fuß ist ein Fuß...“ Wer will dem widersprechen?!
Was übrig bleibt ist ein Projekt, dessen größtes Potential es ist, das noch zu erlangen, was es nicht zeigt: formale Unverwechselbarkeit, strukturelles Selbstverständnis und funktionelle Eleganz. Zurück bleibt eine glanzlose Jury, ein verständnisloses Teilnehmerfeld, ein unbelohnter Bauherr, Nutzer, deren Ahnungslosigkeit missbraucht wurde und die jetzt mit dem Naheliegenstem abgespeist werden und trotzdem glücklich sein sollen!

Jedenfalls hat die Jurierung dieses Wettbewerbes aufgezeigt, wie jämmerlich es um das bestellt ist, was wir Wettbewerbskultur nennen. Schlagworte, wie „einfach und klug“, reichen aus, dass schlichtweg Banales aufs Podest gehoben und demokratisch legitimiert wird. Dass dies ausschließlich von drei Fachpreisrichtern passierte – die vierte Pro-Stimme war der gehobene Arm eines Ersatzpreisrichters, der während des ganzen Wettbewerbes kein einziges Wort sagte - ist Anlass, endlich Juroren zu fordern, die sich nicht dadurch profilieren müssen, dass sie jene Projekte denunzieren, die Ideen zeigen und im besten Sinne Erfindungen präsentieren.
So stolperten Teile der Jury abseits des tatsächlichen Sachverhalts herum, verfingen sich im eigenen Redefluss, um schließlich darin zu ertrinken. Wen wundert´s also, dass sogar das selbst auferlegte Procedere zugunsten einer vorerst abgelehnten Vorgangsweise aufgegeben wurde?
„ You are beautiful. You are beautiful. You are beautiful, it`s true. I saw your face in a crowded place – and I don`t know what to do if I never will be with you. ..“ Anbeten allein, hilft nicht. Architektur muss man eben mögen, um sie kennenzulernen. Anders herum wird es tragisch – wie beschrieben."

Verfasser/in:
Arch. DI Prof. Volker Giencke, freie Meinung
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