28/02/2007
28/02/2007

„Der Bebauungsplan erlaubt sowohl die Errichtung eines neuen als auch die Erhaltung des bestehenden Kinos“: Stadtplanungs-Chef Michael Redik sieht in der Causa KIZ keinen echten Handlungsbedarf für die Stadtplanung. Vielmehr sei die Politik gefordert: „Wenn die Stadt das Kino will, muss sie entsprechende Flächen dafür ankaufen“.

Das Siegerprojekt des städtebaulichen Wettbewerbs Augarten Nord von LOVE architecture and urbanism sah neben neuen Räumlichkeiten für das Kino im Augarten einen städtebaulichen Akzent in Form eines 14-geschoßigen Turmes...

...sowie einen großzügigen erdgeschoßigen Zugang zum Augarten von der Kreuzung Grazbachgasse-Friedrichgasse vor. Abbildungen: LOVE

Das nunmehr für 2008 geplante Projekt des Leobener Bauträgers SOB Immobilien, Ergebnis eines geladenen baukünstlerischen Wettbewerbs 2006, basiert auf einem 2001 erstellten Bebauungsplan-Vorentwurf des Stadtplanungsamtes. Der Turm wurde von 14 auf acht Geschoße reduziert,...

… der erdgeschoßige Zugang zum Augarten auf ein Nadelöhr gedrosselt, das Kino durch Geschäftsflächen ersetzt. Planung: Architekt Ernst Gieselbrecht. Abbildungen: Giselbrecht.

Aufregung um das Kino im Augarten (KIZ): Ab 2008 soll das Filmtheater durch einen Neubau des Leobener Bauträgers SOB Immobilien ersetzt werden (GAT berichtete). Während die SOB am diagonal gegenüberliegenden Grundstück bereits baut, ist für das Projekt am KIZ-Grundstück – Ergebnis eines geladenen baukünstlerischen Wettbewerbs 2006 – aber mit erheblichen Verzögerungen zu rechnen. Denn hier ist die SOB in der ersten Instanz einer Räumungsklage gegen das KIZ, bis zu zwei Jahre könnte sich der Rechtsstreit gegen den wehrhaften Kino-Betreiber Grigoriadis noch hinziehen. Dieser kündigte zuletzt an, auch gegen den noch bis 19. März öffentlich aufliegenden Bebauungsplan-Entwurf Einspruch zu erheben. Grund: Beim städtebaulichen Wettbewerb Augarten-Nord anno 2000 war das KIZ noch fixer Bestandteil des Siegerprojekts des Büros LOVE architecture and urbanism, heute fehlt das Kino im Bebauungsplan-Entwurf des Stadtplanungsamtes. Ebenfalls gestrichen wurde ein von LOVE geplanter Turm mit 14 Geschoßen sowie ein großzügiger Zugang zum Augarten von der Ecke Grazbachgasse-Friedrichgasse. „Der Wettbewerb 2000 hatte zum Ziel, den Gewinner mit dem Bebauungsplan zu beauftragen“, ärgert man sich noch heute bei LOVE, „aber die Behörde hat den Bebauungsplan ohne Rücksprache mit uns selbst gemacht und einfach das städtebauliche Konzept verändert“. Ärger könnte es in Zukunft aber auch von anderer Seite geben. Denn Ende der 1990er-Jahre war der Fortbestand des KIZ am Grundstück Augarten-Nord mit ein Grund für die Vergabe von EU-Fördermitteln an das Grazer Stadtentwicklungs-Projekt e.l.m.a.s., in dessen Rahmen auch der städtebauliche Wettbewerb 2000 durchgeführt wurde. Damaliger Projektkoordinator war das Amt für Stadtentwicklung und Stadterhaltung, das mittlerweile im Stadtplanungsamt aufgegangen ist. Besteht durch den Wegfall des Kinos nun die Gefahr einer schiefen Optik gegenüber der EU? Und wie soll es weitergehen in Sachen KIZ? GAT sprach mit Michael Redik, seit 2005 Leiter des Stadtplanungsamtes in Graz.

GAT: Herr Redik, das Kino im Augarten kommt im Entwurf des Bebauungsplans für das Grundstück Augarten-Nord nicht mehr vor. Warum?
Redik: Ich bin wirklich überrascht von dieser Fragestellung. Sowohl der Flächenwidmungsplan als auch der Bebauungsplan erlauben sowohl die Errichtung eines neuen als auch die Erhaltung des bestehenden Kinos. Beides ist möglich. Auch, ob in einem Neubau dann ein Kino drinnen ist oder eine andere Nutzung, ist nicht unsere Aufgabe. Wenn die Stadt das bestehende Gebäude hätte erhalten wollen, hätte man schon im Flächewidmungsplan eine geringere Bebauungsdichte festlegen müssen. Aber das war offensichtlich nicht das Ziel der Stadt.

GAT: Der Wegfall des Kinos entspricht allerdings auch nicht den Zielen des EU-geförderten Stadtentwicklungsprojekts e.l.m.a.s., das einen Fortbestand des Kinos – das Kino war Partnerinstitution von e.l.m.a.s. – ausdrücklich vorsah.
Redik: Ich verstehe die Aufregung nicht. Der neue Bebauungsplan lässt eine Erhaltung des Kinos zu, kann das Kino aber nicht sichern. Kein Bebauungsplan kann das. Wenn die Stadt das Kino will, muss sie entsprechende Flächen dafür ankaufen.

GAT: Aufregung gibt es aber auch wegen der zu erwartenden Bauverzögerungen des SOB-Projekts. Wäre es nicht möglich gewesen, diese Schwierigkeiten durch Vermittlung der Stadtplanung schon im Vorfeld auszuräumen?
Redik: Wenn mir diese Schwierigkeiten bewusst gewesen wären, schon. Es war aber aus unserer Sicht sowohl beim städtebaulichen Wettbewerb 2000 als auch beim baukünstlerischen Wettbewerb 2006 nicht das Thema, das Kino zu erhalten, sondern die städtebauliche Entwicklung am Grundstück Augarten-Nord zu begleiten. Wäre von der Stadt ein klares politisches Ziel gekommen das Kino zu erhalten, hätte man schon im Vorfeld reagieren können.

GAT: Abgesehen vom Kino sah das Siegerprojekt des städtebaulichen Wettbewerbs einen 14-geschoßigen Turm sowie einen großzügigen Zugang zum Augarten von der Ecke Grazbachgasse – Friedrichgasse vor. Auch diese Vorgaben fehlen im Bebauungsplan-Entwurf.
Redik: Der Turm war von uns schon im Vorentwurf des Bebauungsplans aus dem Jahr 2001 – der sich übrigens am Ergebnis des städtebaulichen Wettbewerbs orientierte – auf acht Geschoße reduziert worden. Das war allerdings noch vor meiner Zeit. Offensichtlich hat die Stadtplanung schon damals gesagt, das Wettbewerbsergebnis ist uns dort zu hoch. Man hat damals über Hochhausstandorte in Graz diskutiert, und hat wohl gemeint, dass ein Turm dort interessant ist für eine Höhenentwicklung, aber nicht in dieser Höhe.

GAT: Welchen Sinn haben dann aber städtebauliche Wettbewerbe, wenn die Stadtplanung nachträglich wesentliche Komponenten des Ergebnisses korrigiert?
Redik: Ich glaube, dass man die beabsichtigte städtebauliche Schwerpunktsetzung mit den acht Geschoßen immer noch hat, weil auch jetzt eine Abstufung – von acht auf vier Geschoße – gegeben ist. Außerdem hat sich für mich nicht die Frage gestellt, das alles nachträglich noch einmal aufzurollen.

GAT: Wie soll es in der Causa KIZ nun weiter gehen?
Redik: Man wird sich die Sache jetzt einmal anschauen müssen – dafür ist ja auch die Auflage des Bebauungsplanes da. Wir werden sehen, welche Aspekte jetzt zutage kommen, und dann werden wir versuchen, auf diese einzugehen. Was das Kino anbelangt, erwarte ich dafür eine politische Entscheidung. Wenn die Politik im Zuge der jetzigen Diskussion sagt, „wir wollen das Kino erhalten“, dann gibt es ja da auch noch Möglichkeiten.

GAT: Welche?
Redik: Das kann ich derzeit noch nicht abschätzen. Die Stadtplanung hat planerische Möglichkeiten – finanzielle Möglichkeiten haben wir nicht. Hier ist die Macht der Stadtplanung zu Ende, da muss sich wer anderer finden. Aber wenn wir Vermittlungstätigkeit anbieten können, machen wir das.

Verfasser/in:
Fabian Wallmüller, Interview
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