26/03/2014

Die Ausstellung
Idee und Form; Mathematik und die Schönheit der Wissenschaft
ist bis zum 11. Mai 2014 in der Neuen Galerie des UMJ im Joanneumsviertel zu sehen

26/03/2014

Gregor Reisch (um 1470-1525), Margarita Philosophica (Perle der Wissenschaft), gedruckt von Johann Schott, Straßburg, 1504, Typus Arithmetica, Titelholzschnitt zum Buch IV, © Karl-Franzens-Universität Graz, UB, 9162

Alexander Stern, „Multifot“-Fotografien, 1930er-Jahre, Silbergelatine, © Neue Galerie Graz/UMJ

Gustav Zankl, Vertikale und horizontale Organisation, 1968, Mischtechnik, 120 x 130 cm, Neue Galerie Graz, Universalmuseum Joanneum

Otto Beckmann, Architektonisches computergeneriertes Objekt, 1973 aus der Serie "Metropolis", Fotomontage mit computergenerierter Figur, Silbergelatine, © Neue Galerie Graz/UMJ

Jörg Schlick, TAT/ATA, 2001, jeweils Collage aus 6 Fotografien, © Neue Galerie Graz/UMJ

Ob der tradierte Grundsatz „Alles ist Zahl“ tatsächlich dem Pythagoras (6. Jh. V. Chr.) oder den Pythagoreern zugeschrieben werden kann, wird sich wohl nicht mehr eruieren lassen. Verbunden mit dieser Aussage immerhin ist die seit der Antike weiter entwickelte Idee, alles was Welt ist, rechnerisch, also in Zahlen erfassen und darstellen zu können. Oder – wie es Klaus Theweleit soeben, angelegentlich seiner Frühlingsvorlesung für die Akademie Graz, aus kulturhistorischer Sicht formulierte -: „Die Prinzipien von Segmentierung plus Anwendung der erzielten Ergebnisse: = Sequenzierung; und damit Konzeptualisierung, nämlich die sich ständig anpassende Anwendung der Ergebnisse, schälen sich heraus als die technologischen wie sozialen Hauptverfahren unserer Gesellschaft.“

Unter dem Titel Idee und Form; Mathematik und die Schönheit der Wissenschaft zeigt die Neue Galerie Graz derzeit eine Ausstellung zu solchem Themenkomplex, in der über eigene Bestände, weiterer der Alten Galerie, der Kunsthistorischen Sammlung des UMJ, der Universitätsbibliothek und dem Institut für Mathematik an der KF-Universität Graz ein historisch naturwissenschaftlicher Teil übergeführt wird in einen „angewandten“ im Bereich bildender Kunst der Moderne bis zur Gegenwart.
Wissenschaftlich unterstützt durch Bruno Besser vom Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, zeichnen die Kuratoren Helga Hensle-Wlasak, Peter Peer und Ulrich Becker einen Weg über Beispiele, die mit einer Bibelhandschrift aus dem Benediktinerstift St. Lambrecht von etwa 1066 beginnt. Darin zwei Kreisdiagramme nach Beda Venerabilis (um 560-636), in denen die klimatische Beschaffenheit der Erde den Jahreszeiten gegenübergestellt wird. Spätmittelalterliche Kalendarien und Rechentabellen sind Werkzeuge, mit denen die variablen Festtage des Jahres berechnet werden konnten. Albrecht Dürers Underweysung der Messung, mit dem Zirckel und Richtscheyt … (Nürnberg 1525) führt in eine Richtung der Proportionslehren, nach denen auch der menschliche Körper nicht nur vermessen, sondern auch nach Normen beurteilt werden sollte.

Mit Beginn des 20. Jahrhunderts zeigt sich in der bildenden Kunst (wieder) der deutliche Einfluss der Naturwissenschaften, insbesondere der Mathematik, die in der Folge mit Strömungen des Konstruktivismus der Konkreten Kunst, der Minimal Art, Op-Art oder der Kinetischen Kunst verbunden ist. Beispiele aus dem Bestand der Sammlungen gehen etwa aus dem Bauhaus hervor. Interessant – in dieser Grazer Konstellation –, dass vor allem italienische und ungarische Künstler Arbeiten hervorbrachten, die durchwegs auf Algorithmen basieren und das Kunstwerk so vom individuellen Duktus entkoppelt erscheint. Proportionen und Bildräume unterliegen etwa dem Goldenen Schnitt oder stehen in direktem Zusammenhang mit Fibonaccis Reihe.

Unter den jüngeren Arbeiten finden sich aber immer wieder auch solche, die auf mittelalterliche Kombinatorik rekurrieren, wie beispielsweise Wolfgang Buchners Flügelsätze (1973), die man auch als Interpretation der Ars magna des Ramon Llull (13. Jh.) lesen kann.
Auf die Anfänge serieller und Sequenz-Fotografie verweisen Beispiele von Eadweard Muybridge, während Multifot-Fotografien des Grazers Alexander Stern (1894-1970) in der Ausstellung dem Kapitel Programmierte Prozesse eingereiht sind. Hier auch ein konstruktivistisch algorithmisiertes Relief, Vertikale und horizontale Organisation (1968), von Gustav Zankl, dem in Graz lebenden Mitbegründer der „Jungen Gruppe“. Nach einer Ausstellung 2011 in der Galerie remixx wäre es eigentlich hoch angebracht, Gustav Zankl eine eigene Ausstellung zu widmen.
Ein österreichischer Pionier der Computerkunst, der selbst allerdings von „visueller Forschung“ sprach, war Otto Beckmann (1908-1997). Neben rechnergenerierter Plastik sind von ihm Fotomontagen zu sehen, die man als utopische Landschaften bezeichnen mag.

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