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Anlässlich der Neubesetzung der Leitung des Grazer Stadtplanungsamtes bat GAT den neuen Amtsleiter Bernhard Inninger zum Gespräch. Inninger war unter dem ehemaligen Stadtplanungschef Heinz Schöttli als dessen stellvertretender Abteilungsleiter im Stadtplanungsamt Graz tätig. Er hat dort Wettbewerbe betreut und war Referent für Flächenwidmungsplanung, Bebauungspläne sowie städtebauliche Gutachten. Zuletzt war Inninger für die Belange der Stadtbaudirektion und der Stadtplanung im Bürgermeisteramt beschäftigt.
GAT: Ihr Vorgänger Heinz Schöttli hat einige Neuerungen in die Grazer Stadtplanung gebracht wie zum Beispiel Workshopverfahren als Alternative zu herkömmlichen Wettbewerben. Wie werden Sie mit diesem Erbe umgehen?
Inninger: Ich finde nicht alles, was Schöttli in Graz gemacht hat, schlecht. Ich kenne seine Arbeit, weil ich teilweise während seiner Periode im Stadtplanungsamt als sein Stellvertreter tätig war. Bei aller Problematik, die letztendlich dazu geführt hat, dass er die Grazer Stadtverwaltung verlassen musste, sehe ich inhaltlich sehr gute Aspekte an Schöttlis Ansätzen. Die Workshopverfahren wurden von der Grazer Architektenschaft und von der Standesvertretung zu Beginn durchaus kritisch beäugt. Gegenwärtig sehe ich aber schon, dass die Vorteile von vielen Akteuren erkannt werden. Ich denke, vor allem für komplexere Aufgabenstellungen, wo die Hinzuziehung externer Fachexperten wie beispielsweise Schalltechniker erforderlich ist, ist das ein sinnvolles Verfahren. Wir hatten erst vor wenigen Tagen ein Gespräch mit der ZT-Kammer, in welchem diesbezüglich eine Annäherung stattgefunden hat.
Gibt es konkrete Projekte, welche in nächster Zeit über Workshopverfahren abgewickelt werden sollen?
Inninger: Es laufen derzeit zwei Projekte in einem Workshopverfahren.
Eine persönliche Frage: Sie sind für den Posten des Stadtplanungschefs relativ jung. Fürchten Sie Machtkämpfe und Kräftemessen im Amt?
Inninger: Ich hatte das Glück, gleich nach meinem Studium in einem sehr großen Architekturbüro angestellt zu werden, in der ArchConsult, und da wiederum das Glück, dass ich dort relativ früh „ins kalte Wasser geschmissen wurde“. Ich konnte damals als Absolvent mit zwei, drei Jahren Erfahrung größere Teams leiten, wo sehr gute Leute mit jahrzehntelanger Erfahrung drinnen waren. Meine Führungserfahrung kommt im Wesentlichen aus dieser Zeit. Ich denke, dass ich mit erfahrenen und in einzelnen Fachbereichen überlegenen Mitarbeitern gut zurechtkomme. Ich habe daher keine Angst, eine Abteilung führen zu müssen, wo Gott sei Dank sehr gute Leute arbeiten.
Grabenkämpfe innerhalb der Abteilung fürchte ich daher wenig. Ich kenne die Abteilung relativ gut. Von nahem betrachtet ist das bei weitem nicht so schlimm, wie es nach außen kommuniziert worden ist. Ich freue mich sehr auf diese Mannschaft, welche es in den letzten Jahren aufgrund häufiger Führungswechsel und Wechsel der politisch Verantwortlichen nicht leicht hatte.
Es gibt in der Stadtplanung immer wieder Interessenskonflikte. Auf der einen Seite steht die Wirtschaft mit den Investoren, welche hauptsächlich gewinnorientiert agieren. Auf der anderen Seite steht die Stadtplanung, welche Aspekte der Gestaltung, der sozialen Nachhaltigkeit etc. zu vertreten hat. Dazwischen steht die Politik. Wie kann es gelingen, dass sich die Stadtplanung vor der Einflussnahme durch rein wirtschaftliche Interessen sowie der Politik abgrenzt?
Inninger: Nicht nur die Politik steht zwischen den Investoren und der Stadtplanung, sondern auch die Architekten. Wir haben es in der Stadtplanung auf der einen Seite immer mit Architekten zu tun, die sich als Dienstleister verstehen und den Investor darin unterstützen, die maximalen Flächen zu bebauen, um den maximalen Profit zu erzielen. Auf der anderen Seite gibt es auch solche, die idealistischer unterwegs sind und hohe Qualität einfordern.
Ich sehe das genauso wie Sie: Aufgabe der Stadtplanung ist es, das öffentliche Interesse zu wahren, auf die Qualität zu schauen. Die Politik ist dabei ein Partner, den es zu überzeugen gilt.
Man kann die Stelle, die ich jetzt im Stadtplanungsamt antrete, nicht annehmen, wenn man nicht verlieren kann. Die Stadtplanung ist keine Behörde, sie gibt Gutachten ab und ist darauf angewiesen, dass die Behörde diese Gutachten würdigt und der Stadtplanung folgt. Das kann aber in Einzelfällen auch nicht der Fall sein. Die Stadtplanung erstellt Bebauungsplanentwürfe und ist darauf angewiesen, dass die Politik, nämlich der Gemeinderat, diese Bebauungspläne beschließt. Dasselbe gilt sinngemäß für den Flächenwidmungsplan sowie die Stadtentwicklungskonzepte. Wir liefern also immer die Expertise – das Fachwissen. Die Entscheidung fällt immer jemand anderer. Wir sind auf die Überzeugungskraft unserer Argumente angewiesen – das ist unsere einzige Stärke.
Wir haben übrigens auch keine Umsetzungsmittel. Die Stadtplanung hat keinen einzigen Cent, nicht einmal für eine Platzgestaltung. Wir können nur die Planung machen und die muss so schlüssig sein, dass deren Umsetzung von der Politik beschlossen wird.
Deshalb ist auch mein persönliches Motto: Im Zweifelsfall mit wehenden Fahnen untergehen. Die Wahrheit sagen, auch wenn ich schon weiß oder mir ausrechnen kann, dass ich unterliegen werde. Der beeidete Sachverständige kann eigentlich nichts anderes tun.
Sie haben die Architekten ebenso wie die Politiker in die Entscheidungsebene zwischen Wirtschaft und Stadtplanung gestellt. Ist es aus Ihrer Sicht realistisch, dass ein Architekt seinen Investor vom Verzicht an bebauter Fläche und damit verbundenen Verzicht auf Profit zugunsten der städtebaulichen Qualität überzeugen kann?
Inninger: Das wird sehr unterschiedlich gelebt. Ich habe selbst in meiner beruflichen Praxis eine gewisse Haltung erlebt, die diesbezüglich nicht einheitlich war. Seit ich bei der Stadt tätig bin, habe ich ebenfalls ganz unterschiedliche Herangehensweisen der Architekten erlebt. Wenn sich die Stadtplanung und die Architekten als Verbündete begreifen, dann kann man gemeinsam einiges schaffen.
Es wird nicht in jedem Fall ein Wettbewerb durchsetzbar sein, auch wenn man sich das wünscht. Die Illusion mache ich mir nicht. Das Grazer Modell war diesbezüglich ein Versuch. Es ist evaluiert worden und es wird leichte Adaptionen geben, da nicht alles zum Ziel geführt hat.
Wichtig am Grazer Modell war es, ein allgemeines Klima für die Baukultur in Graz entstehen zu lassen – gemeinsam mit der Architektenkammer und dem Haus der Architektur darauf hin zu wirken, dass es besser wird. Das Land ist mit seinen Baupolitischen Leitsätzen ebenfalls nicht in einem rechtsverbindlichen Bereich unterwegs – man versucht es mit weichen Maßnahmen. Es gibt auf allen Ebenen weiche Bemühungen.
Sie waren im Bürgermeisteramt ein Jahr lang für die baulichen Agenden verantwortlich und hatten Einblick in die politische Ebene. Welche Erfahrungen nehmen Sie daraus mit in Ihr neues Amt?
Inninger: Hintergrundwissen über das Zustandekommen von Entscheidungen auf der politischen Ebene. Ich hoffe, dass mir das zugutekommt. Es ist einfach so, dass die Stadtplanung wesentliche Produkte wie Flächenwidmungsplan, Stadtentwicklungskonzept und Bebauungspläne für den Gemeinderat vorbereitet und dort teilweise sogar Zwei-Drittel-Mehrheiten zu finden sind.
Bebauungspläne werden in Graz üblicherweise anlassbezogen erstellt und basieren häufig auf fertigen Investorenprojekten. Ist hier ein Umdenken absehbar? Wird die Stadtplanung in Zukunft auch eigenständig Bebauungspläne für sensible Gebiete oder Stadtquartiere vorgeben?
Inninger: Es ist ein ganz deutlicher Wunsch von mir, nicht nur anlassbezogen Bebauungspläne zu erstellen, sondern aktiv und von uns aus Entwicklungen anzustoßen. Die Stadt hat das im Rahmen das Grazer Modells vor einigen Jahren mit den Bebauungsleitlinien in einer weichen Form versucht, was aus verschiedenen Gründen nicht gut funktioniert hat. Da möchte ich ein Stück weit wieder hin. Was uns dabei hilft, ist das neue Raumordnungsgesetz. Mit Inkrafttreten des neuen Flächenwidmungsplanes werden die Bestimmungen des neuen Raumordnungsgesetzes für uns anwendbar sein, wonach wir Bebauungspläne in verschiedenen Detaillierungsgraden erstellen können. Da wird es dann auch sehr reduzierte Bebauungspläne geben, die sich sehr gut eignen würden, beispielsweise entlang der Haupteinfahrtsstraßen. Hier könnten ganz einfache, aber rechtsverbindliche Bebauungsrichtlinien im Bebauungsplan verankert werden, auch ohne bereits vorhandene konkrete Investoreninteressen. Dadurch kann ich Entwicklungen dort stimulieren, wo ich sie haben möchte: Indem ich einfach diesen Bebauungsplan kommuniziere, die Hauseigentümer anschreibe, eine Informationsveranstaltung organisiere und ihnen ihre Möglichkeiten aufzeige.
Noch eine Antwort zum Istzustand: Anlassbezogene Bebauungspläne werden momentan erstellt, aber es ist nicht der Regelfall, dass jemand mit einem fertigen Projekt kommt. Wenn man die letzten zwanzig bis fünfundzwanzig Bebauungspläne betrachtet – so viele gibt es ungefähr pro Jahr – dann ist sicher nur bei einer sehr geringen Anzahl jemand mit einem fertigen Projekt zu uns gekommen.
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Infobox
DI Bernhard Inninger (* 1975 in Grieskirchen, OÖ) studierte Architektur an der TU Graz und an der University of Bath (UK), 2001 erhielt er das Diplom für Architektur und absolvierte 2011 die Dienstprüfung für den höheren technischen Dienst. Er war mehrere Jahre Mitarbeiter in verschiedenen Architekturbüros in Graz, unter anderem bei der ArchitekturConsult ZT GmbH.
Von Dezember 2006 bis Oktober 2011 war Inninger im Stadtplanungsamt Graz als Referent für Flächenwidmungsplanung, Bebauungspläne, städtebauliche Gutachten, Wettbewerbsbetreuung und zuletzt als stellvertretender Abteilungsleiter tätig. Darauf folgte seine Mitarbeit als Referent für Baudirektion und Stadtplanung im Grazer Bürgermeisteramt. Diese Tätigkeit übte er bis 30. November 2012 aus.
Seit 1. Dezember 2012 leitet Bernhard Inninger das Stadtplanungsamt Graz.
workshopfverfahren a la schöttli
in graz geistert seit schöttli der begriff workshopverfahren herum, schöttli selbst hat bei keinem projekt auf raten der wb-vertreter der architektenkammer ein workshopverfahren gemacht. sehr wohl hat eine genossenschaft so ein verfahren versucht. wenn hier also die frage mit diesem schlagwort gestellt wird und die antwort mit dem satz lautet "nicht alles ist schlecht was schöttli iniziiert hat" dann muß ich mir die frage stellen ob die frager wissen was ein workshopverfahren überhaupt ist oder ob der neue stadtplaungsschef nicht weiß was ein workshopverfahren ist. wenn man den lionesstower meint, dann wurde hier über intensivere vorbesprechungen eine städtebauliche richtung gemeinsam mit den teilnehmenden architekten erarbeitet - die eigentliche entwurfs- und projektbearbeitung wurde dann in einem ganz normalen anonymen architekturwettbewerb abgewickelt. im übrigen eine schon über jahre immer wieder wiederholende forderung der architekten die gurndstücksbegehungen und hearings zu intensivieren - das hat aber nichts mir dem sogenannten workshop verfahren zu tun. dazu fehlt ltztenldich bei uns schlichtweg das geld, der wille und die rechtliche möglichkeit.