13/12/2017

Im Wartezimmer der Denkmalpflege – II

Das Kulturzentrum Mattersburg (KUZ), das letzte original erhaltene Kulturzentrum in Sichtbetonweise in Österrech, ist, weil nur teilgeschützt, nach wie vor gefährdet. Eine Teilramponierung steht bevor.

Lukas Vejnik zum aktuellen Stand in der Kontroverse um das KUZ.

13/12/2017

KUZ Mattersburg, Freilichtbühne, 1978

Architektur: Herwig Udo Graf©: Herwig Udo Graf

Stiegenhaus im Nordtrakt

©: Johann Gallis

In der Kontroverse um das Kulturzentrum Mattersburg (KUZ), eines wichtigen Vertreters des Sichtbeton-Brutalismus in Österreich, fällt es mittlerweile schwer, nicht den Überblick zu verlieren. Mehr als drei Jahre liegt die vorläufige Schließung zu Modernisierungszwecken nun bereits zurück und ein befriedigender Ausgang – im Sinne einer transparent geführten Debatte – ist derzeit nicht in Sicht. Einige Einblicke in die jüngsten Entwicklungen.

Entsprechend dem Bescheid des BDA (Bundesdenkmalamt) wird das Projekt nun umgesetzt. Das ist das vorerst letzte Wort der burgenländischen Landesregierung in der Causa KUZ (s. Stellungnahme im Download).

Zur Erinnerung: Damit wäre ein Teilabriss des Gebäudes und eine Reduktion des Bestandes auf Abschnitte der Fassade verbunden. Auf Initiative der überparteilichen Plattform Rettet das Kulturzentrum Mattersburg brachten die Abgeordneten Wolfgang Zinggl (damals noch Grüne jetzt Liste Pilz), Nikolaus Berlakovich (ÖVP) und Michael Bernhard (NEOS) am Anfang des Jahres 2017 das Thema in den Petitionsausschuss des Parlaments. Die Kritik richtete sich hauptsächlich gegen die Vorgehensweise des BDA. Trotz eines Gutachtens des Amtssachverständigen, das die "starke Plastizität" des (Gesamt-) Gebäudes und die skulpturale Konstruktion des Mattersburger Kulturzentrums würdigte, wurde lediglich ein Teil des KUZ als schützenswert erachtet. Die Volksanwaltschaft prüfte die Angelegenheit und stellte fest, dass die Teilunterschutzstellung als widersprüchlich und nicht rechtmäßig einzustufen ist und legte nach, dass hier ein Missstand in der Verwaltung vorliegt. Die Antwort des burgenländischen Landtagspräsidenten Christian Illedits ließ nicht lange auf sich warten. Die Entscheidung der Volksanwaltschaft, so Illedits, werde keine Auswirkungen auf den weiteren Verlauf der Bauarbeiten haben. Dass das KUZ zurzeit als eines von 150 herausragenden Beispielen des Sichtbeton-Brutalismus im Deutschen Architekturmuseum (DAM) gezeigt wird, dürfte daran wenig ändern.

Zusammengefasst bedeutet das: Die Entscheidung der Volksanwaltschaft wird derzeit ebenso ignoriert wie die Meinung von nationalen und internationalen ArchitekturexpertInnen, die sich allesamt für die Qualität und den historischen Wert des KUZ ausgesprochen haben.

Worauf begründet sich diese Jetzt-erst-recht-Mentalität?
In der Stellungnahme aus dem Burgenland werden dem Neubau zusätzlich verkaufte Karten in der Höhe von 3.6 Millionen Euro und Einsparungen bei den Betriebskosten von rund 1.4 Millionen Euro im Vergleich zu einer Generalsanierung innerhalb von 30 Jahren zugetraut. Nur, wer kann ernsthaft voraussagen, wie sich das Kulturbetriebsklima in den kommenden drei Jahrzehnten entwickeln wird? Kritische LeserInnen werden sich ebenso fragen, wer in der Zwischenzeit so fleißig an einem Konzept zur Generalsanierung gearbeitet hat.
Gäbe es eine Alternative, einen dritten Weg zwischen Teilramponierung und Generalsanierung?
Wie sähe ein respektvolles und präzises Weiterbauen an den vielfältigen Qualitäten der Nachkriegsmoderne, wie es Norbert Mayr kürzlich im Spectrum der Presse vorgeschlagen hat, auf das KUZ angewandt, aus?

Ein herausragendes Beispiel für einen solchen differenzierten Umgang mit dem jungen architektonischen Erbe ist der Umbau der Kirche St. Agnes in Berlin von Brandlhuber+. In den brutalistischen Kirchenraum wurde, um die zusätzlichen Funktionen der neuen Nutzung als Veranstaltungs- und Ausstellungsraum zu integrieren, ein Tisch mit zwanzig Beinen gestellt, der sich über eine umlaufende Fuge vom denkmalgeschützten Bestandsbau dezent fernhält. Das, mit den Worten der Architekten, "minimal invasive Weiterbauen" entspricht nicht nur den strengen Auflagen der Denkmalschutzbehörde, sondern führt das Gebäude entsprechend der Charta von Venedig in „eine der Gesellschaft nützliche Funktion“ über.

Minimal invasives Weiterbauen?
 Strenge Auflagen der Denkmalschutzbehörde?
 Das klingt nach klarer Kante und schafft eine unverwechselbare Symbiose zwischen Alt und Neu bei gleichzeitiger Anpassung an heutige Standards. Ähnliches wäre für Bauten wie das KUZ oder das Kongresszentrum in Bad Gastein wünschenswert.

In Österreich fehlt es zurzeit nicht nur am sensiblen Umgang in Einzelfällen, sondern darüber hinaus an einer systematischen Erfassung und nachvollziehbaren Bewertung der Nachkriegsmoderne. Und wenn ein artgerechter Umgang mit den Betonmonstern auch hierzulande gefordert wird, dann ist das – soviel sei vorausgeschickt – keine Hetzjagd. Das ist Zivilcourage.

Fortsetzung folgt...

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