19/12/2006
19/12/2006

Stapler: RONDO. Fotograf: © KOKAPOP

Markus Pernthaler ist Architekt mit einem eigenen Büro in Graz seit 1990. Pernthalers Arbeiten spannen einen breiten Bogen vom Einfamilienhaus über zahlreiche öffentliche Bauten bis zur Platzgestaltung. In jüngerer Zeit beschäftigt sich der Architekt zunehmend mit der gesamten Entwicklung größerer Projekte. GAT traf ihn zu einem Gespräch.

GAT: Das Jahr 2002 war ein bedeutendes Jahr für Dich, gleich drei Projekte, die sich stark aus dem städtischen Kontext hervorheben bzw. ihn bestimmen, wurden fertig gestellt:
Tower Flughafen Graz, Hauptplatz Graz und die Helmut-List – Halle.
Was macht Dich so prädestiniert für diese Landmark-Projekte und welchen Ansatz verfolgst Du dabei?

MP: Nun, die Projekte sind nicht grundsätzlich als Landmarks angelegt, sondern jedes hat seine spezifische Aufgaben- und Problemstellung. Wir arbeiten das sehr rational und sachlich ab und versuchen durch Innovationen die bestmögliche Lösung zu finden. So hat jedes Projekt eine eigene Geschichte und präzise Entwicklung.

GAT: Aber diese drei Projekte, Hauptplatz, Flughafentower, List-Halle stehen so prominent im städtischen Kontext - ist es da nicht von vornherein Teil der Aufgabenstellung, dass das auch als Eyecatcher funktionieren kann oder muss?

MP: Ein Tower ist immer ein Eyecatcher, schon allein durch seine Situierung und Dimensionen. Dadurch entfaltet er seine eigene Wirkung.
Beim Hauptplatz ging es weniger um starke formale Elemente, sondern um eine Neuorganisation des Platzes mit seinen vielfältigen Funktionen. Zunächst war eine Entrümpelung zahlreicher Ein- und Aufbauten notwendig, um danach mit den Mitteln einer klaren neuen Geometrie des Platzes diese Neuorganisation umzusetzen. Dass es hier natürlich auch partielle, markante Elemente gibt, wie beispielsweise die Masten und Reflektoren für die Beleuchtung, ist auf das mit der Fa. Bartenbach gemeinsam erarbeitete Beleuchtungskonzept zurück zu führen. Es geht also nicht um Zeichen sondern um Licht.
Die Helmut-List-Halle war ein sehr spezielles Projekt, das über die Zusammenarbeit mit Akustikspezialisten zu seiner formalen Prägung geführt hat. Wir haben hinsichtlich Akustik, Funktionalität und Flexibilität sehr strikte Vorgaben bekommen, die dann in einer Art Pingpong-Spiel innerhalb einer interdisziplinären Gruppe (Haustechnik, Raumakustik, Bauakustik) zu diesem Ergebnis geführt hat.
Dass die Bauten dann doch eine Zeichenhaftigkeit bekommen, liegt also an den inhaltlichen Aufgabenstellungen, die jedoch sehr unterschiedlich sind. Wenn jemand im gleichen Zeitraum drei Wohnbauten macht, wird so eine Prägnanz und Außenwirkung wahrscheinlich nicht möglich sein.

GAT: Das Rondoprojekt hast du entwickelt und bist Generalplaner. Du sagst also: Da ist dieser Ort, der eine bestimmte Reaktion erfordert, und ich möchte mit dem Projekt entsprechende Möglichkeiten anbieten bzw. es für verschiedene Gruppen interessant machen. Die Beschreibung vermittelt den Eindruck, dass du dort durchaus etwas platzieren möchtest, dass das ganze Viertel auch von außen bestimmt und aufwertet.

MP: Wir haben uns ausführlich mit den Möglichkeiten dieses Ortes auseinandergesetzt und das Projekt in knapp zwei Jahren zusammen mit Albert Ortis entwickelt. Das ist natürlich interessant, weil man vorweg noch abgekoppelt von ökonomischen Bedingungen oder Zwängen, die dann unweigerlich kommen, wenn man mit Investoren zusammenarbeitet, frei nachdenken kann. Was kann so ein Projekt mittel- und langfristig in diesem speziellen städtebaulichen Kontext leisten? Die Ästhetik des Projektes war nie das primäre Anliegen. Im konkreten Fall war es die Auseinandersetzung mit dem inhaltlichen Programm. Welche Nutzungen könnten dort zu einem interessanten Mix zusammengeführt werden? Welche Technologien können wir anwenden? Wir haben dort de facto „Passivhausstandard“, arbeiten mit Alternativenergien. Im Nutzungsmix haben wir letztendlich dann auch ein paar sehr interessante Funktionen für das Projekt auf die Reihe gebracht, wie zum Beispiel Künstlerateliers in einer Zusammenarbeit mit dem Land Steiermark oder ein spezielles Arbeiten- und Wohnen-Projekt für einen großen Konzern.

GAT: Wie führt man diese doch sehr unterschiedlichen Nutzergruppen zusammen?

MP: Das Gebäude hat eine sehr präzise innere Struktur und Organisation. Es gibt im Erdgeschoss keine Wohnungen, es gibt nur Dienstleistungs- und Geschäftsflächen sowie einen gastronomischen Betrieb zur Versorgung des Hauses. In den Obergeschoßen gibt es eine Schichtung unterschiedlicher Wohntypologien. Es gibt großzügige Standardwohnungen, zweigeschossige Maisonetten und vier Penthäuser. Die Bereiche Wohnen und Dienstleistung sind getrennt, es gibt keine Vermischungen, sondern klare Zuordnungen, Zugänge, Eingänge etc.

GAT: Welche Wirkung wird dieses Projekt haben und was ist für Dich an der Situation dort so attraktiv?

MP: Eine der Ursachen unserer heutigen innerstädtischen Probleme liegt in einer Tendenz der letzten Jahrzehnte, die elementare Funktionen wie Wohnen und Arbeiten geographisch aufgesplittet hat. Diese Trennung oder Monofunktionalität im Bauen, die beispielsweise zu reinen Schlafquartieren oder aber zur Entvölkerung der Innenstadt geführt hat, halte ich insbesondere bei großen Projekten für eine sehr ungesunde Entwicklung mit negativen Konsequenzen. Das Projekt Rondo ist eine Gegenthese zu dieser Entwicklung. Es werden dort in etwa gleich viele Leute arbeiten wie wohnen.
Die Lage des Projektes hat ganz entscheidende Vorteile – die Nähe zum Bahnhof, wie die Nähe zur Innenstadt. Außerdem haben die Bezirke Lend und Gries noch ein relativ hohes Potential an Entwicklung, während andere innerstädtische Bezirke baulich ausgereizt sind. Ich bin davon überzeugt, dass dieses Projekt durch seine Größenordnung die ganze Umgebung verändern wird. Unser Ziel ist es ja, einen qualitativen Sprung im Umfeld zu erreichen. Die Problemfelder einer Stadt sind nicht statisch, sondern wandern. Dieser Prozess eröffnet die Möglichkeit aktiv zu agieren, im Sinne einer Veränderung des Marktes.

GAT: Schafft dieses Projekt innen denn nicht eine Art Parallelwelt?

PM: Nein, denn das würde ja das Kappen einer Verbindung bedeuten. Hier ist es so, dass die Schnittstelle zwischen öffentlichem und privatem Raum anders definiert wird. Unsere dicht begrünten und thematisch gestalteten Foyers mit der davor gespannten Polykarbonathaut bilden nicht nur einen Filter gegen Immissionen wie Staub und Lärm, sondern sollen auch durch die Möglichkeit tiefer Einblicke von außen den öffentlichen Raum attraktivieren.

GAT: Ich habe den Eindruck, dass hier in Österreich im Allgemeinen die Ansicht herrscht, dass Architekten, die investieren und dann verkaufen, eine Kommerzarchitektur machen, da will man nichts damit zu tun haben. Viele denken auch, dass man nicht künstlerisch kreativ sein kann, wenn es um Wirtschaftlichkeit geht. Du überwindest das, indem du qualitativ hochwertige Architektur anbieten kannst, wenn du ein Projekt selbst entwickelst und dann trotzdem, wenn alles gut geht, auch etwas verdienst. Das darf man doch?

MP: Ich habe zunächst einmal ein Problem mit diesen willkürlichen Trennungen in kreative und nicht-kreative Arbeit; Schlagwort ‚Creative Industries’. In der Wissenschaft, ganz egal ob in der Genetik, Biochemie oder Teilchenphysik, arbeiten äußerst kreative Köpfe und es werden äußerst kreative Fragen gestellt. Elementare philosophische Fragen, man denke an die Quantenelektrodynamik usw. Hier ist die Notwendigkeit und die Einsicht da, dass man komplexe Probleme nicht mehr alleine sondern nur in Netzwerken lösen kann. Und diese Schlussfolgerung - wenn ich kreativ bin, kann es ökonomisch nicht gut laufen - damit kann ich überhaupt nichts anfangen.
Es gibt noch immer dieses tradierte Bild des Architekten als Einzelkämpfer und Künstler mit einer starken emotionalen Bindung an das Werk und einer latenten Bereitschaft zur Selbstausbeutung. Das Berufsbild des Architekten heute ist wesentlich umfassender und die Komplexität der Probleme und Fragestellungen nimmt zu. Heute fließt sehr viel Expertenwissen in die eigene Arbeit ein und die Verknüpfung unterschiedlicher Disziplinen wird immer wichtiger. Projektentwicklung, wie wir sie seit einigen Jahren betreiben, setzt zu einem Zeitpunkt ein, wo der Handlungsspielraum noch sehr groß und die Abhängigkeiten minimiert sind. Das sind die Hauptvorteile und die Motivation, das Risiko zu nehmen. Voraussetzung dafür ist natürlich ein Gestaltungswille, der über rein formale Aspekte hinaus greift. Das Entwerfen oder dieser kreative Prozess, Gedanken auszuformulieren, wird aber immer im Mittelpunkt meines Interesses stehen.

GAT: Was ist für Dich in Deiner Arbeit wirklich wichtig?

MP: Neben Logik und inhaltlicher Schlüssigkeit im Entwurfsprozess würde ich technisches Verständnis nennen, weil ich überzeugt bin, dass nur dadurch Technologien sinnvoll umgesetzt werden können. Und ich bin ein Anhänger der Philosophie, im eigenen Büro möglichst hohe technische Kompetenz zu halten.
Mathematik und Geometrie sind wichtige Grundlagen bei unserer Arbeit. Die dynamische Form der Polykarbonathaut des Rondo-Projektes basiert auf einer präzise entwickelten Geometrie, mit der wir versucht haben, mehrere Bedingungen „mathematisch“ abzuleiten.

GAT: Das macht sich sicher auch im Sinne einer verständlichen Wahrnehmung bezahlt.

PM: Auf jeden Fall, denn Architektur wirkt dann positiv, wenn jemand im Vorbeigehen angeregt wird, nachzudenken und auch den nächsten Gedankenschritt zu tun. Architektur sollte lesbar sein und Raum schaffen für Partizipation und Reflexion. Das muss nicht auf den ersten Blick passieren, sondern gerade das schrittweise Erfassen tiefer liegender Motive macht die Auseinandersetzung mit Architektur so spannend.

GAT: Gibt es schon weitere Projekte?

MP: Es gibt einige Ideen und Projekte. Zusammenarbeit und das Aufbauen von Netzwerken sind wichtige Ziele für die nächste Zukunft. KONTAKT:
Arch. DI Markus Pernthaler
Beethovenstraße 22
A-8010 Graz
T 0316/32 1150
F 0316/32 1150-14
architekt@pernthaler.at
Bildnachweis Startseite:
Stapler: RONDO
Fotograf: © KOKAPOP
kokapop@inode.at

Verfasser/in:
Susanne Baumann-Cox, Gespräch
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
GAT+