25/02/2013

Timber in Town-Projekt Graz
Das Projekt am Murufer rund um das Grazer Veranstaltungszentrum 'Seifenfabrik' soll eine neue Ära der Verwendung von Holz als Baustoff in der Stadt einläuten. Das Projekt wird auf einem fünf Hektar großen Areal errichtet werden und rund 380 Wohnungen, Arbeitsplätze und Grünflächen - also Lebensraum für ca. 1000 Personen direkt am Fluss beinhalten.

Standort: Graz-Liebenau
Projektträger: Kovac Immobilien
Beteiligte Architekten: Josef Hohensinn, Martin Strobl, Peter Zinganel
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Beteiligte Holzindustrie: Mayr-Melnhof Kaufmann Holding GmbH, Stora Enso Wood Products GmbH, KLH Massivholz Gmbh.

25/02/2013

Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Gerhard Schickhofer vom Institut für Holzbau und Holztechnologie der TU Graz.

©: Gerhard Schickhofer

Der Endbericht über das Wohnbauprojekt Timber in Town am Areal um die Grazer 'Seifenfabrik' liegt seit Kurzem vor. Im März geht es für die Projektbeteiligten in die Verhandlungen mit der Stadt Graz um Widmungsangelegenheiten und Bebauungsabstände zum Murufer. Ein guter Zeitpunkt, um in bisherige Entwicklungen hineinzufühlen. Hanna Geisswinkler für GAT im Gespräch mit Professor Gerhard Schickhofer vom Institut für Holzbau und Holztechnologie der TU Graz über Timber in Town, die Etablierung von Brettsperrholz (BSP) für Gebäude bis an die Hochhausgrenze und damit verbundene Chancen für Holz im urbanen Raum.  

Welchen Leitgedanken umfasst der Slogan Timber in Town?
Gerhard Schickhofer: Der Titel Timber in Town wurde zwar speziell für dieses Projekt kreiert, stellt für mich aber mittlerweile eine Haltung dar. Unter diesem Begriff will ich alle Projekte wissen, die unter dem Thema „Holz zurück in die Stadt“ am Institut für Holzbau und Holztechnologie der TU Graz laufen. Die heutigen Möglichkeiten im Holzbau sind intensiv im städtischen Raum zu nutzen. Dies stellt eine wichtige Haltung für die Zukunft dar, wird aber meiner Meinung nach noch zu wenig umgesetzt. Hier ist das aktuelle Timber in Town-Projekt eine Chance für diese Thematik und könnte, verbunden mit der Murkraftwerkthematik im Bereich der Stauwurzel zu einem interessanten Lebensraum beitragen.

Auf einen Wettbewerb wurde ja verzichtet. Wie war das Vorgehen, um ein bestmögliches Planungsergebnis zu erzielen?
Schickhofer: Statt durch einen Wettbewerb Ideen zu verschwenden, haben wir gezielt Architekten mit Erfahrung im Holzbau, nämlich Josef Hohensinn, Martin Strobl, Peter Zinganel, eingeladen, von denen wir auch überzeugt waren, dass sie gut zusammenarbeiten können. Es war uns wichtig, die Kompetenz der Industrie durch die Mayr-Melnhof Kaufmann Holding GmbH, die Stora Enso Wood Products GmbH und die KLH Massivholz GmbH sowie die Holzbaukompetenz der steirischen Zimmermeister und das wissenschaftliche Fachwissen durch unser Institut einzubringen. In Form von gemeinsamen Workshops ist jeder Planungsschritt auf Umsetzbarkeit und Wirtschaftlichkeit mit allen Beteiligten ausgearbeitet und abgesprochen worden. Dabei war die ständige Interaktion mit dem Projektträger Kovac Immobilien nicht weniger wichtig. Diese dialogartige, durchaus neue Vorgehensweise hat wunderbar funktioniert und ist ein großer Gewinn für alle Seiten. Wir, das Institut, verstehen uns dabei als Projektkoordinierende.

Das Steiermärkische Baugesetz erlaubt maximal drei Geschoße in Holzbauweise. Für das Projekt sind jedoch bis zu acht vorgesehen. Welche Brandschutzmaßnahmen werden nötig sein, um es letztlich auch in dieser Ausführung realisieren zu können?
Schickhofer: In Sachen Brandschutz fällt das Projekt in die Gebäudeklasse 5. Da bedarf es entsprechender Holzschutzmaßnahmen oder, und das ist der Punkt, Brandschutzkonzepte, um diese Geschoßzahl realisieren zu dürfen. Zum einen ist eine Kapselung vorgesehen, die brennbare Oberflächen im Falle eines Brandes absichern. Zum anderen haben wir ein Brandschutzbüro miteingebunden, das uns anhand eines Gutachtens drei mögliche Konzepte ausgearbeitet hat. Im Laufe der Bauphase und nach Abstimmung der Behörden wird eines der Konzepte ausgewählt. Dazu braucht es aber auch Diskussions- und Kompromissbereitschaft von beiden Seiten. Letztlich ist dieses Thema aber lösbar, nachdem die Brandschutzkonzepte von Anfang an im gesamten Projekt mitintegriert und bei der Planung berücksichtigt worden sind.

Nachdem der Stand der Technik für BSP gut ausgereift zu sein scheint, stellt sich die Frage, wieso das Steiermärkische Baugesetz nicht, wie es in anderen Bundesländern schon passiert ist, mitzieht?
Schickhofer: Diese Frage wird häufig gestellt, ich kann mich aber nicht mit allen Themen befassen. Was ich machen kann, ist ein System so weit darzulegen, dass es als ausgereiftes System empfohlen werden kann, was erst dann möglich ist, wenn alle Grundlagenarbeiten erledigt sind. Das heißt: Nachweise führen auf Tragfähigkeit und Gebrauchstauglichkeit, physikalische Aspekte prüfen, alle Grundkenngrößen des Materials benennen, Leitdetails entwickeln und alles weitere, was es braucht, um eine Bauweise auch als solche bezeichnen zu können. An diesen Grundlagen arbeiten wir bereits seit 25 Jahren, daher kann man heute von Brettsperrholz als Bauweise sprechen. Um Architekten und Ingenieuren Sicherheit in der Nachweisführung, der Bemessung und Verwendung dieser Elemente zu geben, gibt es das Softwarepaket CLTdesigner – www.CLTdesigner.at – verfügbar in fünf Sprachen. Diesen Service nutzen mittlerweile rund 3000 registrierte User.

BSP-Konstruktionen bis an die Hochhausgrenze erfreuen sich in Österreich wie auch im Ausland wachsender Beliebtheit. Worauf führen Sie zurück, dass es gerade jetzt so gefragt ist?
Schickhofer: Dass es jetzt in dieser Form so intensiv zum Einsatz kommt, hängt sicher mit der langfristigen Forschungsaktivität zusammen. Nicht umsonst wurden bisher große Summen an Forschungsgeldern, jenseits der zwei Millionen Euro, in diesen Bereich investiert. In den nächsten vier Jahren wird noch mal dieselbe Größenordnung in die Forschung einfließen. Dazu kommt, dass diese Bauweise mittlerweile ein Markenzeichen der Steiermark und Österreichs ist. Nicht umsonst sind die meisten 8-10-geschoßigen Bauten im Ausland von österreichischen Unternehmen ausgeführt worden. Wir können zu Recht behaupten, dass wir Know-how-Transfer tätigen, verbunden mit dem Produktexport.

Sind die konstruktiven Eigenschaften, die BSP zulassen, eine Chance für Holz in andere Märkte vordringen zu können?
Schickhofer: Klar, mit diesen großformatigen Flächen hat sich eine wichtige Ergänzung ergeben. Was lange dem Beton vorbehalten war, kann jetzt auch in Holz ausgeführt werden. Sprechen wir heute von Massivbau, ist es wichtig, unsere Köpfe frei zu machen und aufzuhören, ausschließlich an Ziegel- und Betonbau zu denken. Alle Märkte, die diese Materialien für sich beansprucht haben, werden in Zukunft auch für Holz interessant sein. Das heißt aber nicht, dass wir ausschließlich in Flächen denken dürfen. Es ist wichtig, dass wir in alle Richtungen offen bleiben, die Möglichkeiten einer Kuppel oder von Stabsystemen, die große Spannweiten erlauben, weiterhin betrachten. Hier ist die Kombination aller Holzprodukte und -bauweisen wichtig.

Höher, besser, weiter. Ist es nur mehr eine Frage der Zeit, bis Holz in höhere Dimensionen vorstoßen wird?
Schickhofer: Rein von der Lastabtragung und Beanspruchung kann ich mir das vorstellen, es gibt ja auch Bäume, die 100 Meter hoch sind. Konzepte mit 30 Geschoßen werden ja auch schon erstellt. Es ergibt für mich aber keinen Sinn, immer höher zu gehen, größere Weiten anzustreben und diese olympischen Spiele hinsichtlich der Abmessungen voranzutreiben. Es geht darum, Wohnraum zu schaffen und Objekte, die bestens funktionieren. Letztlich muss sich vor allem der Benutzer wohlfühlen, da spielt es keine Rolle, in welchem Stock er wohnt, sondern dass das Bauwerk perfekt ausgeführt ist.

Wenn nicht in die Höhe, wo könnte Holz dann hin?
Schickhofer: Man sollte Holz gezielt mit Bauaufgaben in Verbindung bringen, für die es sich noch besser eignet als im Hochhausbau. Zum Beispiel für Gemeinde- oder Schulbauten. Für diese, meist 1-4-geschoßigen Gebäude wäre Holz das perfekte Einsatzgebiet. Man würde sich auch die Brandschutzthematik ersparen, weil Brandschutz für diese Höhen keine große Hürde darstellt. Zwar wird in Graz diesbezüglich schon viel getan, man könnte aber den Einsatz von Holz zum Beispiel im Bildungsbau noch stärker forcieren. In England machte die Initiative „Building Schools for the Future“ Holz im Schulbau zur gelebten Praxis. Die CO2-Thematik ist dort viel stärker in den Vordergrund gebracht worden und lieferte durch das CO2-Speicherpotential von Holz einen kalkulierbaren Benefit. Frei nach dem Motto „Bildung baut auf Holz“ wäre meine Idee für eine österreichische Offensive zur Etablierung von Holz im Kindergarten-, Schul- und Universitätsbau. Hinsichtlich Nachhaltigkeit und CO2-Thematik wäre eine solche Offensive von großer Bedeutung, nicht zuletzt um des wirtschaftlichen Faktors willen.  

Wir danken für das Gespräch!

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