27/01/2008
27/01/2008

Die Räumlichkeiten des HDA Graz, seit 2008 im Palais Thinnfeld, Mariahilferstraße 2, 8020 Graz. Planung: ifau (institut für angewandte urbanistik) mit Jesko Fezer, Berlin. Foto: J.J. KUCEK

Palais Thinnfeld NEU, in der Mariahilferstraße 2, 8020 Graz. Planung: ifau (institut für angewandte urbanistik) mit Jesko Fezer, Berlin. Foto: J.J. KUCEK

Am 30.01 2008 lud das HDA Graz, gemeinsam mit den neuen Nachbarn, dem Grazer Kunstverein, sowie dem Bauherrn, der GBG, zur Eröffnungsfeier des neu gestaltenen Palais Thinnfeld am Südtirolerplatz in Graz.

Nach einer Führung durch das Haus mit den Architekten ifau & Jesko Fezer, fand um 19.00 Uhr ein Empfang mit LH-Stv. Dr. Kurt Flecker, Stadtrat Werner Miedl, Stadtrat Dr. Wolfgang Riedler und LAbg. Univ.-Prof. DDr. Gerald Schöpfer statt. Anschließend luden die Veranstalter zu zwei Konzerten und einer Party. "Haus im Haus" - von Karin Tschavgova
Ein neuer Anfang für das Haus der Architektur

Im Alter von zwanzig den Kinderschuhen entwachsen, gereift an Programmen und Erfahrung, professionalisiert in Struktur und Organisation. Was liegt näher, als sich ein neues Zuhause zu suchen? Das Grazer Haus der Architektur (HDA) zieht um, von der geräumigen großbürgerlichen Villa mit dem zweifelhaften Charme abbröckelnder Fassaden im durchgrünten Gründerzeitquartier in ein frisch renoviertes Palais inmitten der Stadt. Veränderung birgt neue Chancen, doch sie hat auch ihren Preis. Im Palais Thinnfeld in der Mariahilferstraße teilt sich das HDA die Flächen mit dem Landesmuseum Joanneum und dem Grazer Kunstverein. Das neue Haus der Architektur ist erheblich kleiner geworden, doch die neuen Räume auf Straßenniveau steigern deutlich seine öffentliche Präsenz.
Man zieht in die Gasse, mitten hinein in eine bunte Kulturlandschaft aus jungen Kulturinitiativen, Kunstproduzenten und Lokalen, die sich am rechten Ufer der Mur im Windschatten des Kunsthauses von Peter Cook und Colin Fournier seit 2003 zu etablieren versuchen. Hier, an der Schnittstelle zwischen den Bezirken Lend und Gries ist, seit Graz in jenem Jahr Europas Kulturhauptstadt war, der trostlose Anblick leer stehender Läden der Aufbruchsstimmung vielfältiger künstlerischer Experimente gewichen. Veränderung bedeutet Erneuerung und so nimmt das HDA den Standortwechsel auch zum Anlass einer inhaltlichen Neupositionierung, in der man sich verstärkt darauf konzentrieren will, wieder ein belebter Marktplatz des Austausches, der Kommunikation und der Diskussion über Architektur zu werden.
Im Sommer 2005 ließ die Stadt Graz einen offenen, zweistufigen Wettbewerb zur Revitalisierung des denkmalgeschützten Palais Thinnfeld (auch Thienfeld) ausloben, in dem sie die drei Kulturinstitutionen versammelt sehen wollte.
Im November desselben Jahres prämierte die Jury aus sechs verbliebenen Projekten den Entwurf der Berliner Architektengruppe ifau (institut für angewandte urbanistik) mit Jesko Fezer, ein auf den ersten Blick nüchternes, schnörkelloses Konzept ganz ohne Selbstinszenierung oder Betonung von Repräsentanz. Mit der über den kleinen Hinterhof an das Palais angrenzenden blauen „Bubble“ des Kunsthauses wollten die Architekten gar nicht in Konkurrenz treten. Also wurden die Fassaden lediglich saniert und der Eingang bleibt das historische Steinportal. Selbst die großen Öffnungen der Schaufenster, ein Erbe der 1950er Jahre, werden mit verschiebbaren Blenden aus Lochblech einer angedeuteten Geste des Rückbaus unterzogen. Das Raumprogramm der Architekten, die „Architektur als Ort alltäglicher Handlungen verstehen und aneignungsoffene Räume entwickeln wollen, die vielfältige Interpretationen und unterschiedliche Gebrauchsmuster zulassen“, kommt mit wenigen monofunktional ausformulierten Festlegungen aus.
Ihre Räume nennen ifau Verhandlungsräume. Verhandelt werden soll etwa die Zuordnung der halböffentlichen Passage im „Hoheitsbereich“ des HDA – eine mittig gelegene Längsachse durch das Haus. Ihre Funktionen überlagern sich: Sie ist das Entree der drei Kultureinrichtungen und Zugang zu Aufzug und Treppenhaus, zugleich für den Besucher ein erster, noch neutraler Ort der Information über Programme und Service im Haus, Treffpunkt und zu bestimmten Anlässen die hauseigene Bar. Bei Bedarf muss die Passage auch als Erweiterung des Vortrags- und Ausstellungsraums dienen. Demnach gibt es hier kaum fixe Raumtrennungen. Pfeilerachsen und niedrige, gemauerte Bänke in linearer Folge deuten nur an, können fallweise durch flexible Schiebeelemente auf beiden Seiten zu Raumabschlüssen ergänzt werden. Die ständige Präsenz im öffentlichen Raum ist für Mitarbeiter wie für Gäste des HDA neu und wird gewöhnungsbedürftig sein. Durchlässigkeit und Transparenz also auch im Organisations- und Verwaltungsbereich des HDA, der nun mit Minimalgröße auskommen muss. Mit Raum- und Geldnot wird auch die Entscheidung begründet, die in den letzten Jahren wenig frequentierte Bibliothek und Zeitschriftensammlung aufzulösen und sich künftig darauf zu konzentrieren, Eigenpublikationen aufzulegen und eine Literaturauswahl zur Architektur der Region zur Verfügung zu stellen.
Die Idee der Verhandlung von Räumen folgt dem pragmatischen Ansatz des Mangels, zeugt aber auch von einer Bereitschaft zum nachhaltigen Handeln auf der Basis radikaler Effizienz: Nachdem der von den drei Institutionen angegebene Platzbedarf die vorhandenen Flächen um 40 Prozent überstiegen hatte, steht der Begriff für Doppelnutzung und zeitversetzte Überlagerung von Funktionen. Da gibt es im ersten Obergeschoss den wenig attraktiven, fensterlosen Raum, geeignet für ungestörte Besprechungen und intimere Vorträge, der mit der Infrastruktur für Computerarbeitsplätze aufgewertet werden soll. Man teilt sich Küche und Besprechungstisch im öffentlichen Aufgang zum großzügigen, lichtdurchfluteten Ambiente des Kunstvereins im zweiten Obergeschoss. Die Architekten von ifau wissen, dass ihr nutzungsneutrales Konzept ein Entwicklungspotenzial in sich trägt, das allen Beteiligten ein hohes Maß an Offenheit, Flexibilität und Kommunikationsfähigkeit abverlangt. Wann sie das Experiment als gelungen betrachten würden, erläutern sie an einem Beispiel: Wenn der nicht nur für Ausstellungen wunderbar geeignete stützenlose Großraum des Kunstvereins in der Mansarde mit dem Hauptraum des HDA auf der Ebene des Südtirolerplatzes temporär getauscht werden würde und oben in konzentrierter Atmosphäre ein Seminar oder ein Workshop stattfände, während unten, im öffentlichen Raum, die Präsenz des Kunstvereins und seiner Künstler zu mehr Interesse und höherer Besucherfrequenz führte.
Im „radikalen Kompromiss“ solch unkonventioneller Aneignungsformen und Alltagspraktiken sieht ifau Bezüge zur urbanen Wirklichkeit, deren Zwänge die Phantasie für produktive Lösungen geradezu herausfordern würden. Das Architektenkollektiv empfiehlt, den Straßenraum ebenso als erweiterten Handlungsraum zu sehen wie freistehende Räume in umliegenden Häusern, die für kurze Zeit angemietet werden könnten. Schon jetzt ist ein Kooperationsmodell ausgehandelt, das ermöglicht, den space 04 des Kunsthauses, der als direkte Verlängerung der Passage über den kleinen Hof erreicht werden kann, für Vorträge zu nützen.
Und Vorträge, die wird es weiterhin geben, wenn auch das HDA-Programm der kommenden zwei Jahre eine Verschiebung von reaktiver, das architektonische Zeitgeschehen abbildender Tätigkeit hin zu proaktivem Tun anstrebt. Das neue Haus der Architektur sieht sich nicht nur als Ort der Reflexion und Präsentation von Architektur, sondern wird sich stärker als Initiator und Unterstützer von Projekten mit gesellschaftlicher Relevanz und produktiver Gestaltungskraft positionieren. „Gemeinsam“ lautet das Programm für die kommenden beiden Jahre. Der seit 2008 tätige Vorstand nimmt darin vorausschauend Bezug auf einen aktuellen Diskurs, der konstatiert, dass die Architektur an einem Wendepunkt angekommen zu sein scheint – weg vom Medienhype, vom Spektakel, von der Glätte einer aufs Äußerste ausgereizten Form. In der Tendenz hin zu Inhalten verhält sich der Anspruch an das neue Programm des HDA kongruent zur Haltung, die hinter dem Entwurf zum neuen Palais Thinnfeld steht. Ein guter Anfang.

(Erstevröffentlichung des Beitrags "Haus im Haus" in der GAZETTE (01.2008), das Magazin des HDA Graz.)

> > VORSCHAU:

Mittwoch, 27.02.2008 - 19.00, im HDA Graz

VERNISSAGE "Doppelhaushälften"
Als Einführung in das Zweijahresprogramm GEMEINSAM GEMEIN SEIN zeigt das Haus der Architektur Graz die Ausstellung "Doppelhaushälften" des Kölner Fotografen Andreas Machanek.
KONTAKT:
HDA Haus der Architektur Graz
Palais Thinnfeld
Mariahilferstraße 2, 8020 Graz
T 0316/32 35 00, office@hda-graz.at

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