29/07/2019

Gesundheitseinrichtung Josefhof
Haideggerweg 38, 8044 Graz

Ein in die Landschaft komponierter Bau aus Holz, Beton und Glas

Architektur / Generalplaner
Dietger Wissounig Architekten
2019

EU-weit offener Wettbewerb
2014

Planungsbeginn 2014
Baubeginn 11/2016
Baufertigstellung 11/2018
Inbetriebnahme 01/2019
Gesamtfertigstellung
inkl. Parkplatz 08/2019

Bauherr
Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau

Auszeichnung
GerambRose 2020

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In der GAT-Reihe bauwerk.aktuell werden Architekturproduktionen innerhalb und außerhalb Österreichs präsentiert, die kürzlich fertiggestellt wurden. Bei der Kuratierung werden Projekte von AkteurInnen bzw. ProtagonistInnen mit Bezug zur Steiermark bevorzugt.

Vorschläge an
redaktion@gat.st

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29/07/2019

Gesundheitseinrichtung Josefhof, Graz

Architektur: Dietger Wissounig Architekten©: paul ott photografiert

Ansicht Ost

©: paul ott photografiert

Baukörperstaffelung N – S

©: paul ott photografiert

Nordbaukörper – Eingang

©: paul ott photografiert

Südbaukörper – Atrium – Außenraum

©: paul ott photografiert

Hallenbad – Atrium

©: paul ott photografiert

Zimmer – Ausblick Süd

©: paul ott photografiert

Atrien mit Obstbäumen

©: paul ott photografiert

Lageplan

©: Dietger Wissounig Architekten

Schnitt – Atrien

©: Dietger Wissounig Architekten

Schnitt – Magistrale

©: Dietger Wissounig Architekten

Ebene 0

©: Dietger Wissounig Architekten

Ebene +1

©: Dietger Wissounig Architekten

Ebene -2 / -3

©: Dietger Wissounig Architekten

Ebene -5

©: Dietger Wissounig Architekten

Die Gesundheitseinrichtung Josefhof der Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau ist ein Kompetenzzentrum für stationäre Gesundheitsförderung und Prävention. Die Schwerpunkte richten sich mit stationärem Aufenthalt auf eine betriebliche Gesundheitsförderung, eine Gesundheitsförderung für PensionistInnen und pflegende Angehörige sowie eine Tabakentwöhnung. Die Programme sind zumeist einwöchig angelegt.

Die Einrichtung liegt in einer sehr idyllischen und ruhigen Lage am Stadtrand von Graz und bietet ein großes Angebot an Freizeit- und Erholungsmöglichkeiten. Es umfasst in Summe ca. 55 Hektar Grünland, das von den Gemeinde- bzw. Bezirksgrenzen Graz und Weinitzen geteilt wird. Das Gebiet ist trotz der Stadtnähe in eine ruhige Landschaft gebettet und bietet direkten Sichtbezug zum nahegelegenen Grazer Hausberg Schöckl.

Da eine Sanierung des bestehenden Josefhofs mit 71 Zimmern unwirtschaftlich war, ist er einem Neubau mit 120 Zimmern gewichen.

Architektonisches Konzept

Das Projekt verflicht die Landschaft mit dem Gebauten. Ganz im Sinne eines Ortes, der eine Atmosphäre wünscht, die den Menschen mit der Natur zu einer gegenseitigen Prägung führt.

Entwerferisch wird mit der für die Region typischen Streuobstwiese begonnen.
Drei schmale langgestreckte Baukörper werden mit der arenaartigen Topografie so verschränkt, dass die Gebäude teilweise darüber schweben oder sich in das Gelände graben. Die Landschaft fließt durch das Gebaute. Atrien, in denen sich die Bepflanzung der Streuobstwiese abbildet, unterstreichen dieses gestalterische Anliegen. Ausblicke auf den Schöckl und die umliegende hügelige Wald- und Wiesenlandschaft leiten die Organisation des Raumprogramms in der neuen Gesundheitseinrichtung.

Die sich im Erdgeschoß des Nordschiffs befindende Eingangszone, die Speisesäle und die Bar bieten Ausblicke sowohl nach Süden als auch nach Norden. Die darunterliegenden Baukörper sind so gestaffelt, dass sich die Dächer auf Brüstungshöhe des darüberliegenden befinden. Dazwischen fließt die Landschaft in seiner naturbelassenen Topografie durch. Alle 120 Zimmer haben durch diese Anordnung freie Sicht auf die Kulturlandschaften.
Der Seminarbereich und der aufenthaltsintensive Bereich der Ambulanz bieten neben Ausblicken, auch freie ebenerdige Ausgänge in den Naturraum. Der Bade- und Saunabereich befindet sich im südlichen Baukörper direkt am topografischen Fußpunkt mit freier Sicht auf die Finnenbahn und die Teichlandschaft.

Über die Architektur werden die Abläufe im Gebäude repräsentativ nach außen getragen. Erdgeschoßzonen sind über großflächige Verglasungen in der Fassade offen und transparent gestaltet. Die Obergeschoße erzeugen durch die Platzierung der Zimmermodule ein harmonisches serielles Bild. Die Anordnung der drei Baukörper repräsentiert den Ablauf innerhalb des Gebäudes vom Ankommen über das Ambulatorium und die Therapiezonen hin zum Wellnessbereich. Ausgehend von der Empfangshalle verbindet eine barrierefreie Erschließung sämtliche Bereiche auf kurzem Wege. Barrierefreie Zugänge sind so gestaltet, dass sie sich in das Gesamtkonzept einfügen. Schwellenlose Übergänge, ein Wegeleitsystem und ein taktiles Leitsystem ergänzen die entwurfsimmanenten Maßnahmen.

Die Brandschutzanforderungen an das Gebäude werden baulich unterstützt, effiziente Fluchtwege und das Einbinden der Baukörper in die Topografie ermöglichen ein einfaches Brandschutzkonzept. Die Offenheit der Stiegenhäuser und des Foyers kann durch die Installation von Brandschutzvorhängen gewährleistet werden.

Das Tragwerk des Gebäudes ist reduziert auf eine sparsame und sehr wirtschaftliche Art des Bauens, die einen sehr hohen Vorfertigungsgrad zulässt. Der Holzbau liegt über den im Hang eingebauten Ebenen, die in Stahlbeton hergestellt wurden. Einfache Deckenplatten auf einem klaren wirtschaftlichen Stützenraster bilden die tragenden Bauteile, die teilweise zur Aussteifung von Stahlbetonwänden in Stahlbetonbauweise ergänzt werden. Die Obergeschoße und die dazugehörigen Dächer der einzelnen Schiffe sind in Holzmodulbauweise aus Brettsperrholz hergestellt. In Teilbereichen sind die Module auf „Stahlbetontischen“ aufgelagert, im Regelfall sind die Module mehrgeschoßig aufeinander gestapelt. Die Stapelung erfolgt über die vertikalen Bauteile (Wände), damit es zu keinen Querpressungen kommt (Setzungen).

Das Hallenbad wird von einer Sonderkonstruktion aus Brettsperrholz und Stahl als „Virendeel“-Träger überspannt. Die Zimmerwände des darüber liegenden Zimmertraktes übernehmen zusammen mit Boden und Decke die Tragfunktion. Somit ist ein Überspannen ohne Unterzüge möglich. Die Abstimmung erfolgte in direkter Zusammenarbeit mit der Bauphysik.

Sämtliche Raumtrennungen, Einbauten und die Gebäudehülle sind in Montagebauweise hergestellt. Dies schafft Offenheit und Flexibilität, in dem spätere Änderungen leicht möglich sind.

Das Tragwerk, das Fügen der Bauteile, wie Fensterelemente, Wandelemente, Türen und das bewusste Auswählen von naturbelassenen möglichst CO2-neutralen Materialien werden als Beitrag zum Erreichen eines möglichst niedrigen Primärenergiebedarfs verstanden. Ergänzend sorgen genaue Lebenzyklusberechnungen für betriebliche Sicherheit.

Der Freistellung der Natürlichkeit und Lesbarkeit des Materials und der Konstruktion wird größtmögliche Aufmerksamkeit geschenkt.

Es werden wenige hochwertige Materialien in klarer Komposition verwendet. Die Nutzung von möglichst naturbelassenen, ungiftigen Materialien aus nachwachsenden Rohstoffen und der sparsame Einsatz von Ortbeton und Kunststoffen, sind dem Heute geschuldet. Die Außenflächen der Gebäude sind mit Steinwolle gedämmt. Außenliegend sind eine horizontale Lärchen-Holzverschalung und eloxierte Alu-Lamellen als Sonnenschutz angebracht. Im Inneren kommen besonders freundliche, helle Materialien wie helle Terrazzofliesen, Holzdielen und Lehmputz zum Einsatz. Holzoberflächen werden sichtbar belassen. Die Materialien treten in einen Dialog mit dem räumlichen Gefüge der Gesundheitseinrichtung. Der offene Charakter des Erdgeschoßes mit seinen Bezügen zum Außenraum wird durch großzügige, hochisolierte Verglasungen unterstrichen.

Die einfachen kompakten Baukörper des Josefhofs überzeugen mit ihrer im Verhältnis zur Fassade kaum direkt besonnten Fensterfläche. Eine optimal gedämmte Fassade und ein direktes Beschattungssystem ergänzen die energetischen Ansprüche. Die außenliegenden Alu-Lamellen bilden einen baulichen Sonnenschutz, der die Fassade vor der Sommersonne schützt, die tiefstehende Wintersonne jedoch in die Innenräume leitet.

Durch den Einsatz von neuen technischen Erkenntnissen und der Verwendung von ökologischen Baustoffen wird eine sinnvolle Nachhaltigkeitsstrategie verfolgt. Die klar konzipierte Gliederung des Gebäudes sowie das Erschließungs- und Infrastrukturkonzept und eine gute Orientierbarkeit ermöglichen einen leichten und effizienten Betrieb des Gebäudes. Das gebäudetechnische Konzept vertritt einen Low-Tech Ansatz. Der ausgewogene Einsatz von Bau- und Haustechnik sowie die vernünftige Nutzung zusammenhängender Systeme unterstreichen dieses Konzept. Den Vorzug erhalten natürliche Verschattungs- und Lüftungsvarianten. Zusätzlich wird ein verbessertes Raumklima durch die schadstoffbindende Eigenschaft und Regulierungswirkung (Luftfeuchte) von Lehm als natürlicher, biologischer Baustoff hergestellt. Die Innentrennwände zwischen Zimmer und Bad wurden mit Lehmputz versehen.

Die von den Zimmern direkt einsehbaren Dächer des Mittel- und Südschiffs sind als begrünte Dachflächen mit Lavendelbepflanzung geplant. Das Nordschiff ist mit einer normalen extensiven Begrünung versehen. Die Begrünung fördert das Mikroklima in der direkten Umgebung (kühlt im Sommer die Umgebungsluft, bindet Feinstaub und Schadstoffe), bietet einen verbesserten Schallschutz und verlängert die Lebensdauer der Dachhaut. Als optimale und sinnvolle baubiologische Ergänzung ist die Dachdämmung in Steinwolle (besserer Schallschutz, unbrennbar) und die Abdichtung als Bitumenbahn (natürlicher Baustoff, gut recyclebar) geplant.

Sämtliche Bereiche, die normgemäß einer Lüftung bedürfen, wie Seminar-, Speise-, Ambulanz- und Aquabereiche werden von den Lüftungszentralen im Kellergeschoß versorgt. Die Lüftungsleitungen sind rational und wirtschaftlich konzipiert. Über ein Erdregister wird Frischluft eingebracht und über die Lüftungszentralen verteilt. Der Fortluft wird mit 85%iger Wirksamkeit die Wärme entzogen.

Die Fußbodenheizung ist so ausgelegt, dass sie im Sommer zur Kühlung herangezogen wird – eine wirtschaftliche und äußerst effiziente Bauteilaktivierung.

Hans Gangoly

Gratulation! Ein selten herausragendes Stück Architektur in der Steiermark. Leider wurde es von einer völlig indisponierten Vorjury nicht für den Österreichischen Bauherrenpreis nominiert. Schade, dass die ZV wenig Wert auf ernsthafte Jurierenden legt. War mal eine große Sache der Bauherrenpreis.

Mi. 31/07/2019 12:45 Permalink
Martin Brischnik

Antwort auf von Hans Gangoly

Lieber Hans,
Roland Winkler, Georg Bechter und Birgit Schiretz als "nicht ernsthaft" und "indisponiert" (laut Duden: außer Form, in schlechter/keiner guten Verfassung, nicht fit, nicht in Form, unpässlich; (umgangssprachlich) nicht auf der Höhe) zu bezeichnen ist eine böse Unterstellung. Wie bei allen Jurierungen gilt es die Aufgabe der Jury zu beachten. Der BauherrInnenpreis der ZV zeichnet ausdrücklich die Leistung der BauherrInnen aus. Es werden BauherrInnen geehrt, welche über sich hinaus gewachsen sind, Mehrwerte zugelassen haben, welche im Rahmen der Bauaufgabe nicht erwartbar gewesen wären und in besonderer Form für ihr Projekt brennen. Um das zu eruieren, wird jedes eingereichte Projekt besichtigt und ein Gespräch mit den BauherrInnen und PlanerInnen geführt. Häufig kommt es vor, dass bei kleinen, augenscheinlich marginaleren Projekten, die Prozesse der Projektgenese ungleich bemerkenswerter sind, als bei beeindruckenden und durch und durch gelungenen Projekten weit größerer Dimension. Genau das unterscheidet den Bauherrenpreis von anderen Architekturpreisen, welche "nur" das fertige Ergebnis beurteilen und würdigen. So erklärt sich, dass es oft vorkommt, dass herausragende und perfekt gelungene Architekturprojekte nicht zum Bauherrenpreis nominiert werden oder aber am Ende nicht mit dem Preis ausgezeichnet werden. Zweifellos ist das Projekt von Dietger Wissounig ein Beispiel dafür und in jeder Hinsicht hervorragend und faszinierend.
Ich habe die Nominierungsreise selbst nicht begleitet, die drei JurorInnen waren aber drei Tage lang unterwegs, haben heuer 27 (!) eingereichte Projekte besichtigt, lange und intensive Gespräche geführt und drei ebenfalls hervorragende Projekte zum Österreichischen Bauherrenpreis nominiert.
Ich ersuche Dich die Entscheidung der unabhängigen Jury zu akzeptieren und lade Dich im Namen des ZV Vorstandes herzlich ein im kommenden Jahr als Nominierungsjuror in der Steiermark "ernsthaft" und "disponiert" die Bauherrenleistung (!) der eingereichten Projekte zu beurteilen. Freu mich auf Deine Zusage.
LG, Martin Brischnik

So. 04/08/2019 5:50 Permalink
Martin Brischnik

Antwort auf von Martin Brischnik

PS - Im Sinne der Objektivität wäre es natürlich noch feiner, wenn Du bereit wärst als Nominierungsjuror in einem anderen Bundesland tätig zu werden. Ich schlage Dich gerne vor. Wir laden, wie auch heuer, jedes Jahr zumindest zwei auswärtige JurorInnen ein.
LG, Martin

So. 04/08/2019 7:09 Permalink
Netzwerktreffen
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