12/06/2017

GENERATIONENWOHNEN
Diplomarbeit von Lisa Hrinkow, 2016 an der Technischen Universität Graz im Master-Studium Architektur erstellt und von Univ.-Prof. Andreas Lichtblau betreut.

Die Arbeit gliedert sich in drei Teile: Der erste Teil beschäftigt sich mit dem Begriff Generationenwohnen und es werden drei Referenzobjekte näher analysiert. Darauf aufbauend entsteht im zweiten Teil ein eigener Entwurf. Im letzten Teil sind alle Interviews in voller Länge angeführt.   

Die Arbeit ist in der Bibliothek der TU Graz einsehbar.

Die GAT-Reihe young planning präsentiert Entwürfe, die im Rahmen von Diplomarbeiten an österreichischen Technischen Universitäten und Fachhochschulen entstanden sind. Die Arbeiten werden auf Empfehlung von ProfessorInnen und StudienlehrgangsleiterInnen ausgewählt.

12/06/2017

Entwurf – Gesamtübersicht

©: Lisa Hrinkow

Entwurf – Kindergarten

©: Lisa Hrinkow

Entwurf – Gemeinschaftsküche

©: Lisa Hrinkow

Analyse: Graz – Wien – Winterthur

©: Lisa Hrinkow

Analyse – Messequartier Graz: „[...] Es werden immer die Feste gemeinsam gefeiert [...] da kommen einmal in der Woche die Omas und gehen mit der Krippe spazieren. [...]"

©: Lisa Hrinkow

Analyse – ÖJAB G-WG Wien: „Ich finde die Mischung gut, dass ich mich in meinen eigenen Bereich zurückziehen kann und meine Privatsphäre habe, aber trotzdem in Gesellschaft gehen kann, wenn ich es brauche [...] man hat seinen Rückzugsbereich [...] und trotzdem ist man nicht alleine.”, so die Direktorin des ÖJAB Hauses über das Leben in den Generationen-WGs.

©: Lisa Hrinkow

Analyse – Giesserei Winterthur: „[...] Wir sind durchaus eine gemischte Gesellschaft. Ich finde das sehr gut. Es gibt auch sehr viele Kinder. [...] Ich höre sie so gerne spielen. Wirklich. Ich finde das gemütlich. Mir gefällt das. [...]”

©: Lisa Hrinkow

Analyse und Entwurf

Generationenwohnen: ein Begriff, der in der heutigen Zeit verstärkt verwendet wird. Ob in Zeitungsartikeln oder Fernsehberichten, das sich verändernde Zusammenleben unterschiedlichster Generationen ist präsent. Gemeinschaftliches Wohnen gibt es schon seit langer Zeit. Für ein Zusammenleben gibt es seit jeher unterschiedlichste Gründe. In jüngster Zeit wandelt sich der Begriff der Familie. Die „traditionelle“ Kern-Familie wird seltener und es kommt vermehrt zu Patchworkfamilien, Singlehaushalten oder alleinerziehenden Müttern und Vätern. Mit diesen Veränderungen treten auch in der Architektur neue Wohnformen auf. Wohnungen müssen flexibel und anpassbar sein.       

In der Arbeit wird dargelegt, wo die Ursprünge und Gründe für gemeinschaftliche Wohnformen liegen und welche Bestandteile und Voraussetzungen dafür nötig sind. Durch intensive Beobachtungen, Besuche und Besichtigungen dreier unterschiedlicher Wohnbauprojekte in Graz, Wien und Winterthur habe ich viel über das Thema erfahren. Interviews mit Architekten, Personen der Verwaltung sowie mit BewohnerInnen haben geholfen, wertvolle Informationen zu sammeln, aus denen ein eigener Entwurf konzipiert wurde.

Messequartier Graz                                   
Das Messequartier befindet sich im Zentrum von Graz. Im ersten Bauabschnitt stehen geförderte Wohnungen unterschiedlicher Größe, Wohnungen für StudentInnen und SeniorInnen zur Verfügung. Über 5000 m2 Gewerbe- und Dienstleistungsfläche tragen zu einer Belebung des Quartiers bei, zum Beispiel der Kindergarten und die Kinderkrippe, ein Fitnessstudio, ein Café im Innenhof, verschiedene Büros und Arztpraxen. Das Zusammenleben zeigt sich durch gemeinsame Feste, wie das jährliche Sommerfest oder auch durch gegenseitige Besuche der Kindergartenkinder bei den SeniorInnen des betreuten Wohnens.

ÖJAB Generationen-Wohngemeinschaften Wien                       
Von der österreichischen Jungarbeiterbewegung (ÖJAB) werden im Bezirk Meidling zwei Generationen-Wohngemeinschaften (G-WGs) geführt. Menschen unterschiedlichen Alters finden hier Platz zum Leben. Gemeinschaftlich genutzt werden die Küche, das Esszimmer, ein Wohnzimmer und eine Waschküche. Die BewohnerInnen treffen sich im Alltag beim Kochen in der Küche, oder abends im Wohnzimmer, auch in der Freizeit werden gemeinsame Aktivitäten unternommen.

Die Giesserei – das Mehr-Generationen-Haus                       
Die Giesserei ist das größte Wohnbauprojekt der Gesewo, der Genossenschaft für selbstverwaltetes Wohnen. Im Erdgeschoß haben sich viele unterschiedliche Nutzungen angesiedelt, die das Wohnviertel zusätzlich beleben. Ateliers, eine Bibliothek, eine Kindertagesstätte, ein Restaurant und ein Fahrradladen sind nur einige davon. Das Gemeinschaftsleben wird in der Giesserei durch das Modell der Selbstverwaltung gebildet. Die erwachsenen BewohnerInnen müssen sich in Hausvereinen selbst organisieren, in verschiedenen Bereichen engagieren und eine gewisse Anzahl an Stunden für die Giesserei arbeiten.

Entwurf                                           
Neben dem Verständnis für das Leben von Mehr-Generationen-Häusern war die Recherche vor allem auch wichtig, um zu sehen, was man besser machen kann, auch, was nicht so gut funktioniert und was sich die BewohnerInnen für die Zukunft wünschen. Die Referenzobjekte haben gezeigt, dass ein zentraler Standort von Vorteil ist. Infrastrukturangebote sind in Reichweite und die Stadtzentren sind mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in wenigen Minuten erreichbar. Auch Grünanlagen befinden sich in unmittelbarer Nähe.                       
Bei den Wohnungen ist es wichtig, auf eine gute Durchmischung der Größen zu achten. Alle Wohnungen verfügen über einen privaten Freibereich. Die Wohnungen sind so konzipiert, dass sie, unabhängig vom Alter, für jeden ansprechend sind und sich die Generationen somit auch geschossweise vermischen.
Für das Funktionieren eines Mehr-Generationen-Hauses ist ein ausgewogenes Verhältnis von Privatheit und Gemeinsamkeit wichtig. Gemeinschaftsküchen in den Geschoßen laden zum gemeinsamen Kochen, Essen und Austausch ein. Die Giesserei in der Schweiz hat gezeigt, dass auch Waschküchen zur Gemeinschaft beitragen können. Die BewohnerInnen waschen und trocknen ihre Wäsche in den sogenannten „Waschbars“ und treffen dabei ihre Nachbarinnen und Nachbarn. Ebenfalls aus der Schweiz stammt die Idee von Jokerzimmern: Erwarten die BewohnerInnen längeren Besuch, können diese Räume dafür gemietet werden. Öffentliche Einrichtungen im Erdgeschoß tragen zur Belebung und zum Aufenthalt bei. Zudem wird ein Austausch mit Menschen, die nicht im Quartier leben, generiert.
Der Entwurf stellt unterschiedliche gemeinschaftliche Bereiche zur Verfügung. Die BewohnerInnen entscheiden selbst, wann und wie oft sie in Gemeinschaft sein wollen, oder wann sie Zeit für sich selbst in ihren privaten Wohnungen brauchen.

Fazit                                                              
Generationenübergreifende Projekte können sehr unterschiedlich ausgeführt werden. Einerseits gibt es große Wohnkomplexe mit unterschiedlichen Wohnungsgrundrissen für jegliche Generationen und Bedürfnisse. Es gibt aber auch kleine, überschaubare Projekte, beispielsweise Wohngemeinschaften mit zwanzig Personen unterschiedlichen Alters, Herkunft und Beruf. Durch die Besuche der Referenzobjekte habe ich erfahren, dass es schwierig ist, wirklich auf alle Bedürfnisse der BewohnerInnen einzugehen. Die Architektur kann den Grundstein für ein gutes Zusammenleben schaffen, ob es funktioniert, hängt jedoch sehr stark von den BewohnerInnen selbst ab. Ihnen muss im Vorhinein klar sein, was es bedeutet, in einem solchen Wohnbauprojekt zu leben.

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