20/03/2006
20/03/2006

SLO} {interviews ist Teil der Veranstaltung SLO}, ein Projekt der ZV Steiermark zur jungen slowenischen Architektur. SLO} findet im Rahmen von „auszeit – hanns-koren-bedenkjahr 2006“ statt und beinhaltet neben der Interviewserie SLO} {interviews auch die Diskussionsreihe SLO} {discussions sowie SLO} {exhibition im Haus der Architektur. Kooperationspartner sind: HDA – Haus der Architektur Graz, GAT – das steirische Internetportal für Architektur und Lebensraum und nextroom – architektur im netz. Näheres zum Projekt SLO} erfahren Sie über den unten angeführten Link.

AKSL, 2000 von Aleš Košak und Špela Leskovic in Ljubljana gegründet, realisierte bis dato vorwiegend innenarchitektonische Arbeiten. AA Kultura, seit 2002 von Marko Apollonio und Nina Crljenko in Koper geführt, bauen gegenwärtig ein Wohnhaus an der Küste von Portorož. Im Bild von links: Aleš Košak, Špela Leskovic (AKSL) und Marko Apollonio (AA Kultura)

AKSL arhitekti: Segelbedarf Sailing Point, Lucija, Portorož, 2004. Foto: B. Budja

AKSL arhitekti: Restaurant Cubo, Ljubljana, 2003. Foto: B. Budja

AKSL arhitekti: Friseursalon Mali, Ljubljana, 2001. Foto: L. Kase

AKSL arhitekti: Renovierung eines Einfamilienhauses, Murgle, Ljubljana, 2004. Foto: AKSL arhitekti

AA Kultura/ Marko Apollonio, Nina Crljenko, Andrej Mlakar, Petra Brank, Anze Zalaznik: Wohnhaus Villa Artes, Portorož, 2005. Auftraggeber: Artes Nepremicnine d.o.o.Primorska

AA Kultura/ Marko Apollonio, Nina Crljenko, Andrej Mlakar, Petra Brank, Anze Zalaznik: Wohnhaus Villa Artes, Portorož, 2005. Auftraggeber: Artes Nepremicnine d.o.o.Primorska

AA Kultura/ Marko Apollonio, Nina Crljenko, Petra Brank: Inneneinrichtung des Büros der Studentenvereinigung der Universität Primorska, Koper, 2005. Auftraggeber: Studentenvereinigung der Universität Primorska

AA Kultura/ Marko Apollonio, Nina Crljenko, Petra Brank: Radständer, Koper, 2005. Auftraggeber: Studentenvereinigung der Universität Primorska

AA Kultura/ Marko Apollonio, Nina Crljenko, Petra Brank: Radständer, Koper, 2005. Auftraggeber: Studentenvereinigung der Universität Primorska

AKSL arhitekti und AA Kultura stehen für die jüngste Generation slowenischer Architekturbüros. Das folgende Gespräch mit ihnen bildet den Auftakt zur Interviewserie SLO}{interviews auf GAT.

> English version: Please follow the link at the end of this page.
(Translation: [Y'plus] Graz - http://www.yplus.at)

AKSL arhitekti, im Jahr 2000 von Aleš Košak und Špela Leskovic in Ljubljana gegründet, sowie AA Kultura, seit 2002 von Marko Apollonio und Nina Crljenko in Koper geführt, zählen zur jüngsten Architektengeneration in Slowenien. Dennoch zeichnen sich beide Büros weniger durch jugendlichen Überschwang denn durch eine ebenso ernsthafte wie kritische Haltung aus. Über Gehirnwäsche, Identität und Superstars: GAT traf Aleš Košak, Špela Leskovic und Marko Apollonio zum Gespräch.

GAT: Der niederländische Architekturkritiker Roemer van Toorn hat einmal beobachtet, dass in Slowenien Perfektion eine nicht unwesentliche Rolle spielt. So würden Slowenen beispielsweise überdurchschnittlich oft ihr Auto waschen; aber auch in der Architektur sieht van Toorn einen Hang zum Trendigen, zur Perfektion. Wenn man sich hier im Büro von AKSL umschaut, ist alles sauberst aufgeräumt. Seid ihr das perfekte slowenische Büro?
AKSL: Na ja, eigentlich könnten wir noch viel perfekter sein. Es stimmt schon, auch unsere Eltern waschen täglich ihr Auto – aber die Art, wie wir in unserem Büro arbeiten, hat mehr mit unserer Persönlichkeit und weniger mit Trends zu tun. Wir mögen es sauber und organisiert.
AA Kultura: Bei mir ist das umgekehrt: Ich habe kein Büro. Ich hasse Büros. Wenn Du den ganzen Tag dort bist, ist das wie im Gefängnis. Ich arbeite ortlos, in einem Netzwerk mit unterschiedlichen Leuten – wie in einem Videospiel. Ich habe mittlerweile fast mein gesamtes Büromaterial im Auto, weil ich herausgefunden habe, dass ich die Dinge früher bei Bedarf nie dabei hatte – jetzt sind sie immer griffbereit. Darüber hinsaus richten wir gerade in der Altstadt von Koper ein Café ein – mit einem gläsernen Besprechungsraum. Denn normalerweise treffen wir unsere Kunden ja auch im Café oder Restaurant.

GAT: Sie sehen also Architektur als etwas Öffentliches, das auch im öffentlichen Raum erarbeitet werden soll?
AA Kultura: Architektur ist ein Prozess. Ein Gebäude wird niemals so gebaut wie es gezeichnet wurde. Wenn das so wäre, wäre Architektur kein Prozess, und das Gebäude hätte keine Seele – es wäre immer nur ein Teil der Persönlichkeit des Architekten. Ich glaube, je mehr Leute in einem Prozess beteiligt sind, desto besser ist das Resultat. Architektur ist ein Zusammenspiel unterschiedlicher Ideen, jener der Investoren, der Architekten, der ausführenden Firmen.

GAT: AKSL und AA Kultura gehören zur jüngsten Generation slowenischer Architekturbüros. Im Unterschied zur Kollegenschaft, die nach dem Studium in Slowenien in vielen Fällen ein Postgraduate-Studium an der AA in London oder am Berlage Institut in Rotterdam absolvierte, haben Sie Ihre Ausbildung ausschließlich in Slowenien genossen. Eine bewusste Entscheidung?
AA Kultura: Es war eine bewusste Entscheidung – auch gegen den Mainstream. In der Architektur arbeiten wir mit Raum, mit Kultur, mit der Kultur der Leute. Wenn Du nicht direkt mit den Leuten arbeitest, kannst Du auch nicht für sie bauen. Dann baust Du nur Satelliten Deiner selbst, die mit dem Ort an dem sie stehen nichts zu tun haben. Ich finde das einen interessanten Gedanken: Sollte ich einmal in einer anderen Gegend bauen, ziehe ich auch dorthin. So kann ich mein Denken verändern.
AKSL: Für uns war immer klar, dass wir nach der Universität selbständig arbeiten würden. Das können wir jetzt sehr gut auch ohne ein Postgraduate-Studium tun, zumal ein Postgraduate-Studium ja auch nichts anderes ist als ein Arbeiten an sich selbst. Wir wissen, dass wir an neuen Dingen interessiert sind, dass wir Neues kennen lernen möchten: Unsere Idee ist es, durch die gemeinsame Arbeit als Architekten zu wachsen. Außerdem gab es nie den richtigen Zeitpunkt um ins Ausland zu gehen, da wir laufend an Projekten arbeiten. Denn was passiert, wenn Du ins Ausland gehst? Du lernst neue Dinge kennen, aber Du bist auch nicht mehr im Architekturgeschehen Sloweniens präsent.

GAT: Sind Sie schon zu dick im Geschäft?
AKSL: Wir versuchen derzeit eher, über Projekte mit dem Ausland zu kooperieren, etwa mit Firmen im Bereich der Holztechnologie. Österreich, Slowenien, die Schweiz: Seit es Internet gibt, ist das ja alles ein kleiner Raum geworden.

GAT: Dennoch: Könnte ein Auslandsaufenthalt nicht auch die Gelegenheit bieten, die eigene Arbeit zu reflektieren?
AKSL: Das ist sicher ein guter Punkt. Die Frage ist: Brauche ich dafür die Kilometer und den Wechsel der Sprache?
AA Kultura: Ich kann um die ganze Welt reisen – oder ich kann zuhause ein Buch lesen und mir meine eigenen Gedanke machen. Ich brauche auch niemanden, der mir einen Gedanken erklärt. Denn das ist Indoktrination, Gehirnwäsche – und davor habe ich ein bisschen Angst. Ich liebe es, einen freien Geist zu haben.
AKSL: Und mit einem freien Geist können wir auch bessere Ergebnisse in der Architektur erwarten. Der architektonische Output jener Kollegen, die nach dem Studium an einer Schule im Ausland waren, ist zwar neu, aber die Projekte sind sich auch in gewisser Weise ähnlich. Wenn Du jedoch in Dir selbst suchst und in den Dingen die Dich umgeben, entstehen einzigartige Antworten, und somit einzigartige Architekturen. Das sind dann keine gebauten Manifeste mehr, die Du irgendwo gehört hast und nun reproduzierst; es ist Dein eigener Ausdruck. Das schätzen wir am meisten.
AA Kultura: Architektur ist keine Mode. Wenn Du ein Gebäude baust, wird es für hundert Jahre stehen. Wenn Du ein Manifest baust, besteht die Gefahr, dass es die Leute nach einiger Zeit nicht mehr verstehen, weil sie den Gedanken dahinter nicht mehr kennen. Ich habe ein Problem in der Architektur: Ich hasse es, wenn Architektur formal gedacht wird.

GAT: Steht hinter Ihrer Haltung auch die Frage nach einer slowenischen Identität?
AKSL: Slowenien war immer ein Teil eines größeren Gebildes; war es früher Jugoslawien, ist es heute die Europäische Union. Trotzdem gab es immer ein Slowenien. Auch wenn die Grenzen heute offen sind: Es gibt da etwas, das noch immer einzigartig ist, und so etwas sollte bleiben. Denn dies macht auch Europa interessanter.
AA Kultura: Die Frage der Identität hat in der Architektur Sloweniens schon immer eine große Rolle gespielt. Schon Plečnik hat gesagt: Denken ist international, Handeln aber immer lokal. Heute gibt es in Slowenien zwei große architektonische Strömungen: die Revolutionäre, die sehr stark sind und in der internationalen Szene auftreten wollen – und die Traditionalisten, denen eine solche Präsenz egal ist. Eine dritte Position könnte für die Zukunft nützlich sein.

GAT: Ihnen ist die internationale Szene also egal?
AA Kultura: Momentan ist mir das jedenfalls nicht wichtig. Ich will kein Superstar sein.
AKSL: Wir können darin auch keinen Nutzen für die Allgemeinheit erkennen. Denn als Superstar bist Du auch ein Gefangener des Kapitals. Ich sage nicht, dass Architekten arm sein sollen – natürlich sollst Du für Deine Arbeit bezahlt werden. Aber man muss zu einem Investor auch „Nein“ sagen können – auch auf die Gefahr hin, einen Job zu verlieren. Unser oberstes Ziel sollte es sein, Architektur zu vermitteln, dem Kunden neue Potentiale zu zeigen. Das wäre für mich ein Superstar-Architekt: Jemand, der einen Kunden so überzeugt, dass dieser mit seinem Geld etwas für die Allgemeinheit baut.

Verfasser/in:
Fabian Wallmüller, Gespräch
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
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