18/04/2011
18/04/2011

Heike Schlauch (raumhochrosen), Gerhard Sailer (HALLE 1), Maria Auböck.

Heike Schlauch (raumhochrosen)

Gerhard Sailer (HALLE 1)

Klaus Kada. Fotos: Joanna Pianka

Maria Auböck und Gerhard Manzl (Manzl Ritsch Sandner Architekten)

Resümee zum Vortragsabend mit dem Titel „WOHNBAU REGIONAL – Unterschiedliche Fördermodelle, andere Baukultur?“, der am 04. April 2011 im Rahmen der Wiener Wohnbaufestwochen an der Akademie der Bildenden Künste von der ZV Österreich in Kooperation mit dem Wiener Wohnfond veranstaltet wurde.

Ein Blockrand in unmittelbarer Umgebung vom ehemaligen Südbahnhof. Es ist Abend. Vor einigen Stunden noch überschlugen sich Kinderstimmen im Hof. Nun sitzen an deren Stelle Jugendliche und tauschen sich aus, während über ihnen gemeinsam gekocht, gelesen und sauniert wird. Andere haben es sich auf der Dachterrasse bequem gemacht und überblicken die Szenerie. Begebenheiten aus einem städtischen Wohnzimmer. Doch dazu später mehr.
Quartiere, die mehr sind als Schlafstätten. Orte, die den Bewohnern Zugehörigkeit vermitteln, obendrein leistbar sind und eine Verbesserung der Wohnqualität schaffen. Dies sind, grob umrissen, die Grundintentionen, die der Wiener Wohnbau seit nunmehr einem Jahrhundert verfolgt. Mit Erfolg. Dies hängt nicht zuletzt vom politischen Willen und einer angepassten Förderkultur ab. Projekte wie die Wiener Sargfabrik, die heuer ihr 10-jähriges Bestehen feiert, zeigen dies auf beeindruckende Art und Weise.
Der seit 1995 in Wien gesetzlich verankerte Grundstücksbeirat, der alle zur Förderung eingereichten Wohnbauvorhaben in Wien prüft, sowie transparente Bauträgerwettbewerbe sind wichtige Instrumente zur Qualitätssicherung im Wohnbau. Bei der Entwicklung von Fördermodellen sind Genossenschaften und Politiker genauso wichtig wie die Einbeziehung von Fachleuten und Architekten. Das Resultat ist ein nuanciertes Förderspektrum, das vom Neubau über Sanierungen und Dachgeschoßausbauten bis hin zum Kleingartenhaus reicht.

WIEN SCHALTET IN DIE BUNDESLÄNDER.
Wie sehen die Förderlandschaft und der Wohnbau in den Bundesländern aus? Welche Visionen und Potenziale eröffnen sich auf regionaler Ebene? Einen Rundblick zu diesen Themen verschaffte der Vortragsabend in der Akademie der Bildenden Künste. Unter der Moderation von Maria Auböck präsentierten die ArchitektInnen Heike Schlauch von raumhochrosen, Klaus Kada, Gerhard Manzl von Manzl Ritsch Sandner Architekten und Gerhard Sailer von HALLE 1 ihre jüngsten Wohnbauplanungen und stellten sie in den Kontext zur jeweiligen Förderlandschaft.

Der direkte Vergleich zeigt, wie unterschiedlich die einzelnen Fördermodelle sind, beispielsweise im Bereich der Energiebilanzierung: In Vorarlberg ist diese an ein differenziertes System mit fünf Förderstufen gekoppelt. Für bestimmte Gebäudeeigenschaften werden Ökopunkte vergeben. Bewertet werden Planung und Lage, Energie, Haustechnik, verwendete Materialien und der Innenraum. Generell gilt: Je ökologischer gebaut wird, desto höher wird gefördert. Um die höchste Förderstufe zu erreichen, wird Passivhausstandard vorausgesetzt. In Tirol werden zwei Kennwerte für den Heizwärmebedarf herangezogen, bei einer Verbesserung gibt es Zusatzleistungen. Auch die Einkommensobergrenzen schwanken teils erheblich. So ist das maximale Einkommen, mit dem man noch eine Förderung beziehen kann, in Graz um 700 Euro höher als in Salzburg oder Vorarlberg.
Einen starken Einfluss auf die Zahl der Neubauten hat die Grundstücksverknappung, vor allem in Tirol und Vorarlberg. Zwischen Bodensee und Arlberg gab es schon immer einen Hang zum Privateigentum, so Heike Schlauch. Selbst in der Nachkriegszeit, als in Wien und anderen Städten große Wohnbauoffensiven gestartet wurden, konzentrierte man sich in Vorarlberg auf den Ausbau bestehender Einfamilienhäuser und Landwirtschaften. Man wollte nicht in eine fremdbestimmte Abhängigkeit geraten und sah die Landwirtschaft als Nebenerwerb. Eine zeitgenössische Interpretation dieser Siedlermentalität ist die Schaffung von geteiltem Eigentum.

RAT AUS SALZBURG
Salzburg nimmt im Bundesländervergleich eine Sonderstellung ein. Schon Mitte der 80er-Jahre hat die Politik hier erkannt, dass man ein Gremium zur Bewertung von Bauvorhaben benötigt. Anfangs aus einer Neuorganisation von Architektur- und Planungsbegutachtungen hervorgegangen, ist der Salzburger Gestaltungsbeirat heute in vier Baugruppen unterteilt, die sich unterschiedlichen Schwerpunkten widmen. Die Mitglieder wechseln alle drei Jahre. Seit 1993 gesetzlich verankert, bildet dieser Beirat zusammen mit Bauträgerwettbewerben eine wichtige Instanz zur Qualitätssicherung der Salzburger Baukultur. Damals fand auch die Aufwertung vom Berater zum Gutachter statt. Gerhard Sailer beschreibt den hauptsächlich aus Architekten bestehenden Senat als wichtige Stütze, die verborgene Potenziale erkennt und deren Umsetzung begünstigt. Veränderungen, die vom Gestaltungsbeirat vorgeschlagen werden, haben sich durchwegs positiv ausgewirkt, wie Sailer anmerkt. Mit ähnlicher Qualität können im Bundesländervergleich Linz und Vorarlberg aufwarten. In Linz, weil auch hier bereits 1988 die gesetzliche Verankerung stattgefunden hat, im westlichsten Bundesland wegen der Dichte an herangezogenen, externen Gutachtern. Fast jede Gemeinde in Vorarlberg leistet sich einen Gestaltungsbeirat. Zu einer wirkungsvollen Institution machen den Gestaltungsbeirat am Ende aber dessen Protagonisten.

AUF DIE MISCHUNG KOMMT ES AN.
Da der Beirat schon in die Konzeption von Wettbewerben eingebunden wird, zeigt sich bereits in dieser Phase ein qualitativer Unterschied zu anderen Bundesländern. Beim Projekt Neue Mitte Lehen in der Stadt Salzburg (Planung: HALLE 1) wurde auf städtebaulicher Ebene erkannt, wo „latente Potenziale“ im Viertel schlummern. Das ehemalige Fußballstadion wurde abgerissen und ein Neubau statt eines Ausbaus der Stadiontribünen angestrebt. Das Ergebnis ist ein Mischtyp mit Bibliothek, Restaurant, Geschäften, Seniorentreff und nicht zuletzt 48 Mietwohnungen, die im Segment des geförderten Wohnbaus angesiedelt sind. Die Begleiterscheinungen des Gebauten sind u. a. der Europäische Stahlbaupreis 2009 und eine Erweiterung zum nahen Supermarkt, der als Markthalle konzipiert wurde.
Wo aber ist bei einem Mischtyp mit diesen Ausmaßen geförderter Wohnbau möglich? Sailers Vorschlag klingt einleuchtend: Für den Wohnbau soll der Preis stimmen, alles, was darüber, darunter und dazwischen liegt, soll frei finanziert werden. Auf die geschickte Mischung kommt es also an. Diesem Credo folgend wurde der Wohnbauteil von der Gemeinnützigen Wohn- und Siedlungsgenossenschaft „Die Salzburg“ errichtet, alle übrigen Kosten übernahm ein Investor.

Aufgrund der Richtlinien des Wiener Wohnbaus mögen gute Wohnbauten entstehen, Mischtypen werden jedoch von diesem System nicht begünstigt, es lässt keinen Spielraum dafür. Die Richtlinien gelten als zu scharf umgrenzt. Dass auch in Tirol die Realisierung von Hybridmodellen schwerfällt, zeigt der von Gerhard Manzl präsentierte Wohnbau Unibrücke in Innsbruck. Anfangs waren im Erdgeschoß Verkaufsbereiche vorgesehen, die nach und nach reduziert wurden. Aus einem multifunktionalen Gebäude wurde ein schöner Wohnbau, der sich immerhin einen öffentlichen Durchgang erhalten hat. Über einen schmalen Schlitz wird der Stadtraum wie durch ein Nadelöhr in den Innenhof gezogen. Dass solche Öffnungen zum Außenraum auch nach Fertigstellung und darüber hinaus frei von Barrieren bleiben, ist ein Verdienst des Architekten. Meist ist der öffentliche Zugang jedoch nur ein Lippenbekenntnis, um in den Architekturmagazinen den scheinbaren sozialen Charakter des Bauwerks zu propagieren. So gesehen beim Mirador Building von MVRDV in Madrid. Die Öffnung in der Gebäudemitte, als öffentlich projektiert und auch weiterhin vom Architekten als offen kommuniziert, ist für externe Besucher unerreichbar. Der Portier weist höflich darauf hin.

WOHNBAUSONNENWENDE?
Wohin bewegt sich der Wohnbau? Hin zu einer Architektur, die, in das Richtlinienkorsett gezwängt, nahezu erstickt? Nicht, wenn wir Klaus Kadas Empfehlungen ernst nehmen. Es sei seiner Meinung nach Aufgabe der Architekten und Kammern, an der Entwicklung von Förderprogrammen und deren Richtlinien mitzuarbeiten. Als Vorreiter dieses Denkens unter den Architekten ist Sven Markelius anzusehen, der in den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts für sein Kollektivhausprojekt in Stockholm eine eigene Wohnbaugenossenschaft gründete, um seine Ideen für den Wohnbau zu verwirklichen. Auch an den Hochschulen sollte eine Sensibilisierung für diese Themen geschaffen werden, da speziell junge Architekturbüros aufgrund von undurchsichtigen Verträgen nach der Fertigstellung ihres ersten Wohnbaus oft vor dem Ruin stehen. Ein weiteres Problem sei die starke Marktorientierung vieler Wohnbauprojekte. Das Abschöpfen von Gewinn werde vielfach über die sozialen Zusammenhänge gestellt.
Bei dem von Kada eingereichten Entwurf für das Wiener Sonnwendviertel ist jedoch keineswegs Enge zu verspüren. Der Blockrand wird an seiner Südseite aufgebrochen und die Versatzstücke zu einem, den Innenhof möblierenden Ensemble auf ein Maximum an Sonneneintrag ausgerichteten Baukörpern arrangiert. Gemeinschaftsbereiche sind in die Volumen eingeschrieben und über Verbindungsbrücken erschlossen. Man merkt sofort, dass hier versucht wurde, einer nachträglichen Umwidmung von Kollektivbereichen zu Wohnungen vorzubeugen. Die Entwurfsidee des städtischen Wohnzimmers zieht sich vom Außenraum über die halböffentlichen Bereiche bis zu den Wohnungsgrundrissen durch. Mehrere raumhohe Schränke auf Rollen erlauben höchste Variabilität und können auf etwaige Veränderungen reagieren. Dass die geschickte Einrichtung bekanntlich alles möglich macht, erkannte bereits Goethes Wilhelm Meister.
Baubeginn im Sonnwendviertel, wo neben Klaus Kada u. a. auch Projekte von Delugan Meissl – sie konzipierten einen baugruppenorientierten Wohnbau – Riepl Riepl Architekten, Hubert Rieß oder Geiswinkler & Geiswinkler umgesetzt werden, ist 2012.

Über den Autor:
Lukas Vejnik studiert Architektur und Industrial Design in Wien.

Verfasser/in:
Lukas Vejnik, Bericht
feyferlik

weit hat er's gebracht der steirische wohnbau, einst vorzeigeprojekt für, etwas überspitzt formuliert, halb europa, heute nicht einmal mehr eine zeile wert im steirischen architekturportal - weil darüber nicht mehr gesprochen wird.

Mo. 18/04/2011 9:19 Permalink
arch.di viktor jung

..so wie es derzeit im gef. wohnbau läuft, ist jeder in den wohnbau investierter steuereuro ein verlorener euro....!
......sich eigentum zu schaffen mit hilfe von steuergeld ist für mich sehr hinterfragungs- und kritikwürdig.....!

Di. 19/04/2011 8:15 Permalink
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