14/12/2006
14/12/2006

Christian Niccoli: Escalating Perception - The Gaze, 2004, Videoinstallation; 640 min

Rudolf Steckholzer: title design, 2006, Dia-Sound-Installation; ca. 6 min

Daniel Hafner: Wald, 2006, 0,5 t Karton

Drago Persic: O.T., 2006, Öl auf Molino, 110 x 100 cm

Leonore Mau, Hubert Fichte: Der Tag eines unständigen Hafenarbeiters, 1966, Video; 13,06 min

Dem kunsthistorischen Topos der Bilderzählung, dem narrativen Element über Sequenzen im selben oder in mehreren Bildern war selbst in den Versuchen der Moderne, dieses erzählende Moment zu unterdrücken, kaum beizukommen. Die Narration lässt sich bei angemessener Akribie in nahezu jedem Kunstwerk entdecken und sei es im Informel – als Kontraposition zu Gegenständlichem – oder in postmodernen Formulierungen als Kunstwerk über Motive der Kunst. Gegenwärtig scheint es, kommt die (Bild-) Erzählung unter einem weiter reichenden Blick über die Genres Malerei, Installation, Plastik und Neue Medien unbedarft und ohne expliziten Verweis auf historische Strömungen zu neuen Ehren; man denke etwa an die synoptisch angelegten „Rätselbilder“ eines Neo Rauch, die in einer aktuellen Interpretation von Werner Hofmann (art 11/06) in den Vergleich mit jenen der Renaissance gestellt werden.

Die KuratorInnen Katrin Bucher Trantow und Katia Schurl haben für das Kunsthaus Graz eine im mehrfachen Sinn große Ausstellung unter dem etwas sperrigen Titel „Erzählungen -35/65+: Zwei Generationen“ zusammengestellt. Wie vielen Generationen die beteiligten 33 KünstlerInnen nun wirklich angehören mögen, sei dahingestellt. Wichtig ist jedenfalls der so mögliche direkte Vergleich eines Herangehens an ein weitgehend offenes Thema, wie es das Erzählen in unterschiedlichsten Medien und in inhaltlich und formal divergierenden Positionen nun einmal darstellt. Durch Beteiligung von KünstlerInnen aus Österreich und seinen Nachbarländern wird aber auch an die von Hanns Koren 1963 initiierte Biennale Trigon im Hanns-Koren-Bedenkjahr 2006 erinnert.

Die künstlerische Transformation von Raum und Zeit als Parameter der „Erzählungen“ nimmt so etwa der 1976 in Bozen geborene Christian Niccoli mit seiner Videoinstallation „Escalating Perception“ (2004) auf. In einer Doppelprojektion ziehen Personen auf zwei scheinbar diametral gegeneinander laufenden Rolltreppen aneinander vorbei. Beziehungen zwischen diesen Personen werden vom Autor konstruiert, indem Augenkontakte über den Schnitt hergestellt werden und Versatzstücke aus Kontaktanzeigen gesprochen werden.
Eine Dia-Sound-Installation von Rudolf Steckholzer (geb. 1977 in Sterzing) heißt „title design“ (2006). Über knapp sechs Minuten wird eine durch Musik getragene Abfolge von Einzelbildern projiziert, die in der kalkulierten Sequenz von Bild und Schwarzblende bereits die Wahrnehmung als Film oder Filmvorspann evoziert.
Eine der reduziertesten Arbeiten in einem Zwischenbereich von dichterischer Konzeption und Installation bringt der Innsbrucker Heinz Gappmayr (geb. 1926) mit seinem plastischen Textbild „LESERICHTUNG“ ein – und jetzt haben Sie bereits grundlegende Rezeptionsanforderungen erfüllt.
Ein hermetisches Environment – im Inneren eines der noch aus der letzten Ausstellung verbliebenen und neu adaptierten Fertigteilhäuser im Space01 – arrangierte der Grazer Daniel Hafner (geb. 1979). Ein in Mäandern verlegtes, 0,5 Tonnen schweres Endlos-Kartonband füllt mit einer Höhe von 1,6 Metern beinahe den ganzen Raum. Der so unmöglich gemachte Zugang wird durch den ästhetischen Akzent aufgewogen. Die zugrundeliegende Idee stammt aus der Nachforschung Hafners, wie ein Farbband für Nadeldrucker wohl in der zugehörigen Kassette untergebracht sein mag. Von Hafner stammen auch eine Reihe von „Regen-Momentaufnahmen“, die er nach einem selbst entwickelten Verfahren, vergleichbar Prinzipien der Fotografie und Druckgrafik, von verschiedenen Arten Regens direkt auf Leinwand abnimmt.
Einem klassischen Verständnis der Erzählung am nächsten kommen wohl die Videoarbeit „Der Tag eines unständigen Hafenarbeiters“ von Hubert Fichte und Leonore Mau aus dem Jahr 1966 und die 2005/06 entstandene Spurensuche von Felicitas Kruse zu Geschehnissen des zweiten Weltkrieges in Admont. „Nix für ungut“ sind Audioaufzeichnungen nach Methode der Oral History in denen AdmonterInnen ihre Zeit zwischen 1938 und 1945 erzählen.
Eine Annäherung an oben erwähnte Rätselbilder vollzieht der 1941 in Budapest geborene Ákos Birkás mit Arbeiten wie „The Problem“ (2006) und „Nature“ (2005).
Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen, darin u.a. ein „Gespräch zur Erzählung“ zwischen Katrin Bucher Trantow und Wieland Schmied und eine Erzählung des Grazer Stadtschreibers Saša Stanišić.

„Erzählungen -35/65+“ ist bis zum 14. Jänner 2007 im Kunsthaus Graz zu sehen.
Öffnungszeiten: Di-So 10.00-18.00 Uhr, Do bis 21.00 Uhr, Mo geschlossen.

Verfasser/in:
Wenzel Mracek, Empfehlung
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