17/08/2013

Ausstellung
Wilhelm Thöny
Im Sog der Moderne

Bis 6. Jänner 2014, Neue Galerie Graz.

Katalog
Wilhelm Thöny. Im Sog der Moderne.
Herausgeber: Christa Steinle und Günther Holler-Schuster
Verlag Kerber

17/08/2013

Wilhelm Thöny, Die Wäscherinnen, 1925/26

©: Wenzel Mraček

Wilhelm Thöny, Der Schulhof, 1925/26

©: Galerie Welz Salzburg

Wilhelm Thöny, Auf der Brücke, 1925/26

©: Neue Galerie Graz

Wilhelm Thöny, Toulon, Mitte 1930er

©: Universalmuseum Joanneum

Wilhelm Thöny, New York – Brooklyn Bridge, um 1935

©: Galerie Welz Salzburg

Ausstellungsansicht

©: Universalmuseum Joanneum

Rund 300 Exponate aus vier Jahrzehnten, damit aus allen Schaffensphasen des in Graz geborenen Zeichners und Malers Wilhelm Thöny, zeigt die Neue Galerie Graz.

Mit Beständen des Wilhelm-Thöny-Archivs der Neuen Galerie, weitgehend unbekannten Werken aus amerikanischen und deutschen Museen sowie privaten Sammlungen haben die Kuratoren Christa Steinle und Günther Holler-Schuster, in Zusammenarbeit mit Angela Fink, nach mehrjähriger Vorbereitung die bisher umfangreichste Schau zu Leben und Werk Wilhelm Thönys erstellt: Im Sog der Moderne.

1888 in Graz geboren, wurde Thöny schon während seiner Studienzeit in München mit Illustrationen zu literarischen Werken beauftragt und bald darauf für die Zeitschriften Jugend und Querschnitt respektive Thomas Manns Exilschriften Decision. Zahlreiche Künstlerkollegen lernte er während seiner Zeit in München kennen und auch seine erste Frau, die Amerikanerin Hilma White.
Zu Beginn des zweiten Kriegsjahres, 1915, meldete sich Thöny freiwillig zum Schützenregiment in Graz. Er besuchte die Reserveoffiziersschule in Mürzzuschlag, wurde zum Leutnant befördert und als Regimentsmaler beauftragt, in den Gefangenenlagern feindliche Soldaten zu porträtieren. Um 1917 sind es dann heroische Porträts österreichischer Offiziere und Schlachtenbilder von der italienischen Front. Nach dem Krieg lebte Thöny wieder eine Zeitlang in München. Infolge der Unruhen während der Räterepublik, aber auch aufgrund verschiedener Zerwürfnisse mit Mitgliedern der Münchener Neuen Secession, übersiedelte er mit Frau und Tochter ins schweizerische Interlaken. Dort wohnte man in Hotels, wie es der sich weltmännisch gebende Maler auch an allen weiteren Stationen seines Lebens halten sollte.
Als seine schlimmste Zeit bezeichnete Thöny die Kriegsjahre. Die offenbar von Traumata geprägten Bilder, die in der Schweiz entstanden, sind durchwegs in dunklen Farben gehalten in denen schemenhafte Figuren auftreten. Die Themen sind vorwiegend religiöse, aber auch alptraumhaft, wie der grafische Zyklus Das Buch der Träume in 100 Blättern zeigt.

Abermals über München, zieht Thöny 1923 wieder nach Graz. Mit Axl Leskoschek, Fritz Silberbauer, Alfred Wickenburg, Hans Wagula und anderen gründete er nach dem Münchener Vorbild die Grazer Sezession und war deren erster Präsident. Er wohnte im Hotel Wiesler und arbeitete in einem Atelier am Hilmteich. Nachdem sich Graz als nicht aufgeschlossen gegenüber der Moderne erwies – unter anderem war seine Bewerbung als Lehrer an der Landeskunstschule erfolglos – und hinsichtlich angestrebter Karriere, arbeitete Thöny vermehrt auch in München, organisierte dennoch Ausstellungen, Lesungen und Vorträge für die Grazer Sezession. Zudem erhielt er hier öffentliche Aufträge zu Arbeiten für Arbeiterkammer, Handelskammer, Thalia und Operncafé. In dieser Grazer Zeit entstanden an Edvard Munch orientierte Landschaftsbilder und Stadtansichten, die motivisch Graz zwar erkennen lassen, als Stimmungsbilder aber merklich mit der Subjektivierung von Topografien verbunden sind. Die Auseinandersetzung mit dem Werk Munchs wird vor allem an den wiederholten Brückenmotiven deutlich. Auf der Brücke von 1925/26 dürfte ebenso von familärer Trennung beeinflusst sein wie von Munchs Farben und Raumgestaltung. Der Schulhof (1925/26) dagegen, eines der maßgeblichen Bilder in einer vorsichtig geführten Diskussion um malerische Entwicklung einer steirischen Moderne, zeigt eine bemerkenswerte Nähe zum Symbolismus respektive Paul Gauguins Die Vision der Predigt (1888).

Inzwischen von seiner Frau geschieden, verlässt Thöny 1931 Graz endgültig. Schon Jahre zuvor hatte er in München Thea Herrmann-Trautner kennen gelernt. Mit ihr übersiedelte er nun nach Paris. In Aquarelltechnik und deutlich hellerer Palette legt er zahlreiche Ansichten von Paris an, die in ihrer Reduktion und Fragmentierung von Kontur und Binnenzeichnung nun in den für Thöny markanten Stil reichen. Wieder wohnte er im Hotel und nahm zahlreiche Porträtaufträge aus der Pariser Gesellschaft an. Hafenansichten und Seestücke von der Côte d'Azur dagegen erinnern nach Kolorit und Technik an den Impressionismus.
Über die österreichische Botschaft erhielt Thöny 1937 den Auftrag für ein großformatiges Porträt des französischen Kardinals Jean Verdier. Als entschiedener Gegner des Nationalsozialismus hatte Verdier in einem Communiquè 1936 zum sozialen Frieden aufgerufen, dem alle politischen Interessen nachgestellt seien müssen. Österreichische und französische Diplomaten, unter ihnen Viktor Matejka, hatten deshalb den Plan entwickelt, dem österreichischen Kardinal Innitzer das Porträt Verdiers zu schenken, um Innitzer von seiner Pro-Hitler Haltung abzubringen. Dazu sollte es allerdings nicht kommen, obwohl Matejka noch ein Foto des fertigen Porträts an Innitzer übermitteln konnte. Darauf ein handschriftlicher Aufruf Verdiers, „Innitzer möge der braunen Flut unter allen Umständen standhalten“. Thönys Verdier-Bild wurde 1937 im Jeu de Paume ausgestellt und fiel, mit angeblich hunderten anderer Werke, 1948 dem Brand von Thönys Depot in New York zum Opfer. In der Grazer Ausstellung sind mehrere Entwürfe zu sehen. Ebenfalls in Paris fertigte Wilhelm Thöny nach Thomas Carlyles historischem Werk einen Zyklus von Rötelzeichnungen zur Französischen Revolution.

Per Schiff begab sich Wilhelm Thöny im Sommer 1933 erstmals nach New York, um seine geschiedene Frau und seine Tochter zu besuchen. Zurück in Paris und nach dem Eindruck der Einfahrt vor Ellis Island, entstanden mehrere großformatige New-York-Veduten. Während des Einmarsches Hitlers in Österreich befand sich Thöny mit seiner zweiten Frau Thea gerade wieder auf Schiffsreise nach New York. Man beschloss, nicht mehr zurückzukehren und bezog letzte Wohnung im Barbizon Plaza Hotel. Thöny nahm an zahlreichen Ausstellungen in den USA teil und wurde von zwei großen Galerien vertreten. Krankheitshalber geschwächt, betrieb er allerdings kein Atelier mehr. Auch Themen und Stil seiner Bilder ändern sich. Columbus etwa trifft auf Ureinwohner, Städtebilder und Bilder von Personen der New Yorker Gesellschaft zeigen nun Anklänge an naive Malerei. 1948 dann der Brand seines Depots. Er selbst gab an, dass hunderte Grafiken und Gemälde zerstört seien. Infolge eines Gehirnschlags stirbt Wilhelm Thöny am 1. Mai 1949.

Im Sog der Moderne vermittelt das Schaffen eines aus der Steiermark stammenden Kosmopoliten, der sich akkurat mit den internationalen Entwicklungen der Moderne auseinander setzte, dessen Themen, Duktus und Stilistik sich an jeweiligen Strömungen orientierten. Mittels dieser Schau wird aber ebenso plausibel, wie Wilhelm Thöny solche Einflüsse jeweils für sich adaptierte, um in vier Jahrzehnten ein originäres Werk zu schaffen.

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