07/12/2009
07/12/2009

Peter Kammerlander (ASVK), Michael Redik (Stadtplanungsamt), Edith Zitz (XENOS), Christian Stenner (Korso, Moderation), Manfred Rupprecht (Altstadtanwalt) (v.l.) und Otto Hochreiter (Stadtmuseum)

In einer von Xenos und HDA organisierten Veranstaltung im Grazer Stadtmuseum wurde Bilanz gezogen über das seit nun einem Jahr verabschiedete Grazer Altstadterhaltungsgesetz NEU.

Im Grazer Altstadterhaltungsgesetz (GAEG) von 1974 wurden erstmals konkrete Schutzbestimmungen für die Grazer Altstadt festgelegt, deren Baustruktur und Bestand zu dieser Zeit schwer gefährdet war. 1980 erfolgte eine Novellierung und damit konnte der baukulturelle Bestand in einem Ausmaß erhalten werden, das 1999 entscheidend war für die Aufnahme in das UNESCO-Weltkulturerbe. Im Vordergrund stand damals die Einmaligkeit der mittelalterlichen „Hofstätten bajuwarischen Typus“ und deren Dachlandschaft in der Kernzone I, der Grazer Innenstadt.
Eine Aktualisierung des GAEG trat am 1. 12. 2008 in Kraft, deren wichtigste Neuerungen von Vertretern der Altstadtsachverständigen-Kommission (ASVK), des Stadtplanungsamtes und des für die Kommission seit knapp einem Jahr tätigen Altstadtanwaltes erläutert und kommentiert wurden. So schickte in der Diskussion Peter Kammerlander von der ASVK voraus, dass nach der alten Form des Gesetzes Bauwerber ihre Anträge an die Baubehörde stellten und diese erst an die ASVK weiterleitete, wodurch relevante Fragen gegenüber dem GAEG erst im Zuge des Bauverfahrens behandelt wurden. Nun besteht die Möglichkeit, die ASVK vorab zu konsultieren und den Antrag an die Behörde, entsprechend der Empfehlungen der ASVK und Prüfung durch den Altstadtanwalt, zu adaptieren.
Durch die Installierung eines weisungsfreien Altstadtanwaltes, erläuterte Manfred Rupprecht seine Position, habe das GAEG „eine österreichweit einzigartige Verstärkung erfahren“. Im Zielparagrafen des neuen Gesetzes ist definiert, was unter die „öffentlichen Interessen an der Erhaltung der Altstadt“ fällt: Einerseits sind dies die Erhaltung der Altstadt in ihrem Erscheinungsbild, ihrer Baustruktur und Bausubstanz, andererseits die urbanen Funktionen, die „aktiviert werden sollen“, zudem muss das „Weltkulturerbe unterstützt werden“. Dem Altstadtanwalt stehen somit Rechtsinstrumente zur Verfügung: Die Grazer Baubehörde ist verpflichtet, den Altstadtanwalt schon im Verfahren erster Instanz beizuziehen und zur Stellungnahme aufzufordern, wenn sie beabsichtigt, vom Gutachten der ASVK abzuweichen. Nur in diesem Fall, und ab diesem Zeitpunkt, kommt dem Anwalt Parteistellung zu. Dieses Recht gilt gleichermaßen für Bau- wie Abbruchbewilligungen. Ab zweiter Instanz steht dem Altstadtanwalt das Berufungsrecht zu, sofern der Bescheid dem ASVK-Gutachten widerspricht. Das Berufungsrecht gilt für alle Schutzzonen der Landeshauptstadt.

Der Anwalt kann auch gegen Bescheide der Berufungsbehörde Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof erheben. Das Beschwerderecht ist allerdings für die erste, dreijährige Funktionsperiode auf die Zonen I, II und den Bereich Eggenberg (Zone IV) eingeschränkt.
Im Fall einer rechtskräftigen Abbruchbewilligung schutzwürdiger Bauwerke gilt nach dem neuen Gesetz eine einwöchige Abbruchsperre. Während dieser Frist kann der Anwalt der Berufungsbehörde mitteilen, dass er vor dem Verwaltungsgerichtshof Beschwerde erheben wird und die Abbruchsperre verlängert sich bis zu dessen Entscheidung.
Diese Rechtsinstrumente gelten für Verfahren, die nach dem 1.12.2008 eingeleitet worden sind.

Aus dem demnächst an die Landesregierung ergehenden ersten Tätigkeitsbericht führt Manfred Rupprecht einige Eckdaten an: Etwa 700 Fälle werden jährlich von der ASVK begutachtet. In den letzten Jahren wurden davon etwa zehn Prozent, rund 70 Fälle, entgegen dem Gutachten der ASVK durch die Bau- und Anlagenbehörde entschieden. Seit Gültigkeit des neuen Gesetzes, betont Rupprecht, wurde kein einziger Bescheid gegen ein Gutachten der ASVK erlassen.

Die ASVK bietet Bauwerbern wöchentliche Sprechtage in ihrer Geschäftstelle Paulustorgasse 4 an, um allfällige Projekte vor dem Behördengang hinsichtlich positiver Gutachten zu diskutieren. Eine schriftliche Stellungnahme der ASVK ist bindend für nachfolgende Bauverfahren. Eine „Legaldefinition“ zur „Bauqualität“, hält Rupprecht aber noch fest, gibt es nicht. Immerhin beschreibt die EU im Jahr 2001 Kriterien für „baukünstlerische Qualität“, deren Auslegung naturgemäß ein weites Spektrum eröffnen: Strukturelle und funktionelle Gliederung vor allem bei der Einfügung; Grundrisse und Schnitte, die Unverwechselbarkeit der Ansichten; die räumlichen Proportionen; der Grad der Innovation; der historische Bezug oder die historische Bedeutung des Gebäudes. – Ein Kommentar erscheint demgegenüber müßig.
Rupprecht wünscht sich „von Investoren Verständnis dafür, dass bei Zu- Um- oder Neubauten, aufgrund des gesetzlich verankerten ‘Einfügungsgebotes’, nicht die Gewinn- und Raummaximierung das Maß aller Dinge sein kann, sondern ein Optimum anzustreben ist.“ – Kommentar s.o.

Michael Redik, Leiter des Stadtplanungsamtes, erinnert an das Angebot der Bauberatung, während der der „gesamte Stab der Stadt Graz zur Verfügung steht“ und wo über Altstadtfragen hinaus sämtliche Baubelange verhandelt werden. Der „Projekttisch“ im Rahmen des Grazer Modells, eingerichtet vor allem für Großprojekte, werde allerdings wenig frequentiert.

Als Vertreterin von Xenos (Verein zur Förderung soziokultureller Vielfalt) moniert Edith Zitz, dass es zum Thema Altstadterhaltung „so gut wie keine juristische Literatur gibt“. Davon abgesehen sei tatsächlich der Fall des Kommodhauses Auslöser für den Neubeschluss des GAEG gewesen. Damit besteht nun ein erweiterter Begriff dessen, was ein erhaltungswürdiges Bauwerk ist und dazu gehören nun auch Vorgärten und Innenhöfe. Spekulationsvorhaben würden mit dem neuen Gesetz zumindest erschwert, nachdem Nutzungsänderungen an Objekten nur bis zu 50 Prozent der Gesamtnutzfläche erfolgen dürfen. Die ASVK hat nun auch die Möglichkeit, Stellungnahmen zu Flächenwidmungs- und Bebauungsplänen abzugeben.

Dass nun aber keineswegs eitel Wonne herrscht zeigten Stimmen aus dem Publikum: Nichts geändert habe sich bei der Bestimmung um „wirtschaftliche Zumutbarkeit“. Wie weiland am Kommodhaus erfahren, kann unter diesem Titel so gut wie jedes Haus immer noch zum Abbruch gebracht werden. Für Begutachtung betreffend die „Einfügung“ käme nach wie vor nur ein Berufsstand in Frage, die Architekten. Kritik an der ASVK wurde etwa auch geäußert, indem gewissen Personen immer wieder positive Gutachten für ihre Projekte erstellt würden; als Beispiel wurde ein Dachausbau im Bereich Freiheitsplatz genannt. Diesbezüglich müsste die ASVK Planern klare und verbindliche Richtlinien zur Verfügung stellen. Ein bedenkliches Projekt stünde etwa mit der Planung eines Hotelbaues im Pfauengarten bevor.

Verfasser/in:
Wenzel Mracek, Bericht
Tschavgova

Den Wettbewerb haben die spanischen Architekten gewonnen mit einem Dachaufbau, der in Farbe und Form den Dächern der Altstadt nachempfunden war (und sich damit allen abgesandten und selbsternannten Altstadtschützern angebiedert hat). Ob's einem gefallen hat oder nicht: fest steht, dass der nun realisierte Dachausbau, sollte dies die bleibende Form und Farbe sein (und es scheint so), kaum mehr Ähnlichkeit hat mit dem Wettbewerbsentwurf, der bis vor kurzem noch die Bautafel geziert hat. Es ist gar nicht notwendig, Gesetze zu beugen, denn - und das lernen wir daraus - erlaubt ist, was (später) besser gefällt oder billiger ist oder witterungsbeständiger oder .... Damit kein Missverständnis entsteht: es geht nicht darum, ob die eine oder andere Dachlösung besser ist, sondern darum, dass nicht umgesetzt werden muss, was einen Entwurf zum Siegerprojekt gemacht hat. Wie viele Wettbewerbsprojekte zum Kastner Ausbau wurden von der Jury seinerzeit ausgeschieden, weil sie oder ihr Dachausbau nicht "Altstadt-verträglich" waren? Was man daraus lernen kann: Klug ist, wer der Altstadtkommission und dem Denkmalamt "altstadtkompatibel" zurechtgemachte Projekte vorlegt und diese später nach Bedarf abändert. Man muss nur wissen, wie! Der hässlich-derbe Hotelhinweis von Helmut Marko am Ende der Sackstraße steht ja auch noch immer, jetzt halt als Kunstwerk.

Di. 15/12/2009 12:45 Permalink
Arch. Gerald Hirsch

mit dem kastner-dachaufbau habt ihr ja ein gutes beispiel für die einhaltung des altstadterhaltungsgesetzes gefunden.
so bestimmend wie der § betreffend der erhaltung der dachlandschaft ist das altstadterhaltungsgesetz in seinen übrigen punkten nicht. und trotzdem: alu oder kalzip oder was das sonst ist:
positiv beurteilt - ein possenspiel?

Mo. 14/12/2009 7:44 Permalink
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