29/07/2014

Die Verbindung zwischen dem Mont-Saint-Michel und dem Festland ist nach 3 Jahren Bauzeit seit 22. Juli 2014 für Fußgänger freigegeben. Die offizielle Eröffnung findet im November 2014 statt.

Bauherr: Syndicat mixte du Mont-Saint-Michel

Architekt: DFA | Dietmar Feichtinger Architectes

In der GAT-Reihe bauwerk.aktuell werden Architekturproduktionen innerhalb und außerhalb Österreichs präsentiert, die kürzlich fertiggestellt wurden. Bei der Kuratierung werden Projekte von AkteurInnen bzw. ProtagonistInnen mit Bezug zur Steiermark bevorzugt.

29/07/2014

Flugaufnahme vor Fertigstellung: neuer Steg rechts im Bild. Der alte Damm links davon wird abgetragen.

Architektur: Dietmar Feichtinger Architectes©: Michael Zimmermann

Serpentine der neuen Verbindung vom Festland zum Mont-Saint-Michel

©: Mathias Neveling

Formen der Verlandung in der Bucht werden künftig verschwinden.

©: Mathias Neveling
©: Mathias Neveling

Stegprofil: Gehweg / Bank / Fahrbahn / Gehweg

©: Mathias Neveling
©: Mathias Neveling

Herstellung der Stegelemente bei Eiffel

©: Dietmar Feichtinger Architectes

Verladung der Stegelemente

©: Dietmar Feichtinger Architectes

Montage der Stegelemente

©: Dietmar Feichtinger Architectes

Baustelle

©: Dietmar Feichtinger Architectes

Probebegehung

©: Mathias Neveling

Lichtversuche am Prototyp der Bank

©: Dietmar Feichtinger Architectes

Indirekte Beleuchtung des Gehwegs

©: Mathias Neveling

Lageplan

©: Dietmar Feichtinger Architectes

Querschnitt Steg: Gehweg / Bank / Fahrbahn / Gehweg

©: Dietmar Feichtinger Architectes

Detailschnitt vor Anbindung an den Mont

©: Dietmar Feichtinger Architectes

Vorgeschichte
2001 wurde der Wettbewerb für die Verbindung zwischen dem Mont-Saint-Michel und dem Festland ausgeschrieben. 4 Teams wurden eingeladen, ein Projekt zu unterbreiten:
_ Feichtinger Architectes, Paris mit Schlaich, Bergermann & Partner, Stuttgart
_ Ove Arup and Partners, London
_ Dominique Calvi und Hennin Normier, Architekten mit Berlotier, SECOA, Cité France, Ingenieure
_ Jean-Michel Wilmotte, Architekt mit Scetauroute, Ingenieure
Die Jurysitzung fand im März 2002 statt. Das Projekt von Feichtinger Architectes, Paris, mit schlaich bergermann und partner, Stuttgart, wurde zur Weiterbearbeitung empfohlen. Hervorgehoben wurde von der Jury der minimalistische elegante und der Landschaft entsprechende Entwurf, der sich durch seine Kontinuität in der Form und den ausgewählten Materialien der einzelnen Teilbereiche von den anderen Entwürfen abhob.

Das Projekt setzt sich aus drei Hauptbestandteilen zusammen:

_ Ersatz der Dammstraße durch einen Steg auf Pfeilern, der der Strömung freien Lauf lässt. Ein Teil des Stegs ist den Fußgängern vorbehalten, der andere ist als Zubringerstraße für den Shuttle- und Zulieferungsverkehr ausgebildet.

_ Herstellung eines Staudamms an der Einmündung des Couesnon: Ein System von Staukammern hält das Wasser bei steigender Flut zurück. Bei Ebbe werden die Tore geöffnet, sodass das Wasser die Sedimente mit sich reißt.

_ Verlagerung der Parkplätze auf das Festland. Der Mont ist von den neuen Parkplätzen zu Fuß oder mit den Shuttle-Bussen erreichbar.

DAS PROJEKT

Die Bucht um den Mont-Saint-Michel besticht durch die Gewalt des Ortes, die Schönheit des Lichts und die Farben der Natur. Die mittelalterliche Stadt wurde auf einem Felsen in der Mitte der Bucht erbaut. Gekrönt durch eine Abtei und ein Kloster ist sie ein wichtiges kulturelles Wahrzeichen und einer von Frankreichs meist besuchten Orten. Der Mont-Saint-Michel und seine Bucht stehen seit 1979 auf der Unesco-Weltkulturerbe-Liste.
Durch den Bau einer Straße (1879) wurde eine Verbindung der Insel mit dem Festland hergestellt, die jedoch den freien Lauf der Meeresströmungen verhinderte, indem das Wasser des Flusses Couesnoon von der Bucht getrennt wurde. Die Bucht verlandete, die Insel "verschwand" langsam. Der neue knapp 760 Meter lange Steg ersetzt die massive Fahrbahn und macht den Mont-Saint-Michel wieder zur Insel.

Eine subtile Intervention
Der sich verändernde Meeresspiegel – während den Gezeiten steigt er bis zu 14 Meter – schafft durch die Kräfte der Natur eine Vielfalt an Landschaften zwischen einem riesigen Sandstrand oder einer komplett gefluteten Bucht mit dem Mont-Saint-Michel als Insel und Landmark. Grundsätzlich gibt es zwei Gezeiten am Tag – was ziemlich außergewöhnlich ist –, die etwas mehr als 12 Stunden dauern. Zweimal im Jahr wird die jährliche Hochwasserwelle den Mont durch seinen neuen Steg wieder in eine Insel verwandeln.
Eingriffe des Menschen in diesem Zusammenhang sind mehr als heikel. Daher hat das Projekt es sich zum Gebot gemacht, die Atmosphäre und die Einzigartigkeit des Ortes, die durch seine mystische Magie und das Fehlen von Bezugspunkten oder -größen entsteht, nicht anzutasten. Die Intention des Projektes ist es, die Unendlichkeit der Landschaft zu betonen. Besucher erleben sich hier als kleiner Teil von etwas Großem.
Das Design des Stegs fügt sich in die Landschaft so nahtlos wie möglich ein, um maximale Transparenz zu gewährleisten. Die Strömung des Wassers ist einer der wichtigsten Faktoren; sie lässt den Mont Saint Michel wieder zur Insel werden und beschleunigt die Aushöhlung der Flussmündung.

Auf dem Wasser gehen
Eine Serpentine auf 134 Pfeilern führt über das Watt bis zum Mont. Dabei berührt die niedrige Struktur beinahe das Wasser. Der Charakter des Stegs resultiert aus einer sehr bewussten Beziehung zum Ort. Tatsächlich ist die Umsetzung der Verankerung der Pfeiler alle 12 Meter im Watt, um eine möglichst flache Bauhöhe zu erreichen, gut durchdacht. Es entsteht mehr als ein einfaches Überqueren: die engen Abstände der Pfeiler bringen die Fußgänger dem Wasser näher.
Der Steg beschreibt eine ausladende gekurvte Linie, die sich an den Linien der Landschaft und der Sandbänke orientiert. Der Fußgänger erlebt den Mont und die Landschaft aus verschiedenen Perspektiven, ohne ständig das Brückendeck vor sich zu haben. Man nähert sich dem Mont, ohne direkt auf ihn zuzugehen. Der Steg endet auf einem dem Berg vorgelagerten Bereich, der aus Sedimenten aufgebaut ist. Er ist überflutbar, wodurch der Berg für ca. 70 Stunden pro Jahr zu einer völlig isolierten Insel werden kann.

Funktion, Konstruktion & Materialität
Die allgemeine Breite des Stegs beträgt 11,50 Meter. Funktionell ist der Steg in drei Bereiche unterteilt: Ein zentrales Band in der Breite von 7 Metern ist dem Shuttle- und Lieferverkehr vorbehalten. Es wird im Osten von einem 4 Meter breiten Band und im Westen von einem 1,50 Meter breiten Sicherheitsstreifen begleitet. Diese seitlichen Bänder sind für Fußgänger vorgesehen.
Die Shuttlebusse halten 200 Meter vor dem Ende des Stegs. Ein Terminal verbreitert den Steg. Die Ausweitung des Fußgängerbereichs nimmt den vergrößerten Fußgängerfluss auf und dient als Wartebereich, die Ausweitung des Fahrbandes ermöglicht das Manövrieren der Shuttles.
Die einzelnen Bänder sind durch ihre Materialien charakterisiert: die Fahrbahn wird aus Betonelementen hergestellt, die Fußgängerbereiche weisen einen durchlässigen Holzbelag aus Eiche auf.
 Zwischen Fahr- und Fußgängerbereich im Osten ist ein 80 Zentimeter breites, vom Boden abgehobenes Betonelement angelegt. Dieses Element stellt einen Schutz zwischen den Bereichen dar und dient gleichzeitig als Bank. Die Beleuchtung des Weges ist an der Unterseite dieser Bank integriert und unterstreicht bei Nacht die Horizontalität im Kontrast zur durch Licht inszenierten Vertikalität der Abtei auf dem Berg.
Das zentrale 7 Meter breite Band stellt eine Art Rückgrat dar: Eine vorgespannte, sich zum Rand verjüngende Betonplatte wird von extrem schlanken Stützen in einem Abstand von 12 Metern getragen. Der relativ geringe Stützenabstand ermöglicht eine maximale Reduzierung des Brückenquerschnitts. Die Stützen aus massivem Stahlkern sind in die Betonplatte und in die Fundamentpfeiler eingespannt. Den Korrosionsschutz bildet ein Überzug aus Epoxidharz.
 Die Fussgängerbereiche sind an der Betonplatte befestigt und kragen von dieser aus. Sie bilden vor allem im östlichen Bereich eine weite Auskragung und geben dem Deck seine Leichtigkeit. Die konstruktiven Teile (Konsolen) sind aus Stahl.

Gesamtprojekt:
_ Ersatz der Dammstraße durch einen Steg auf Pfeilern, der der Strömung freien Lauf lässt. Ein Teil des Stegs ist den Fußgängern vorbehalten, der andere dient dem Shuttle- und Zulieferungsverkehr.
_ Herstellung eines Staudamms an der Einmündung des Couesnon: Ein System von Staukammern hält das Wasser bei steigender Flut zurück. Bei Ebbe werden die Tore geöffnet, sodass das Wasser die Sedimente mit sich reißt.
_ Verlagerung der Parkplätze auf das Festland. Der Mont ist von den neuen Parkplätzen zu Fuß oder mit den Shuttles erreichbar.


Architekt Dietmar Feichtinger
(* 1961 in Bruck a. d. Mur) studierte an der Technischen Universität Graz Architektur. Nach ersten Erfahrungen bei Prof. Eilfried Huth, Prof. Volker Giencke und Prof. Klaus Kada wechselte er 1989 nach Paris. 1994 erfolgte die Gründung von Feichtinger Architectes mit Bürositz in Paris, 2002 kam die Filiale in Wien hinzu. Seit 1994 lehrt Feichtinger an verschiedenen Universitäten in Österreich, Deutschland und Frankreich. Der internationale Durchbruch kam mit der Realisierung der Passerelle Simone de Beauvoir in Paris. 2009 wurde Feichtinger in Frankreich zum Auslandsösterreicher des Jahre ernannt.

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