12/09/2007
12/09/2007

Im Bild Wolfgang Feyferlik (li) und Gerhard Mitterberger (re). Beide Architekten leben und arbeiten in Graz. Foto: Zita Oberwalder

Bei der Präsentation des neuen, vom Land finanzierten Themenwettbewerbs „Gesellschaft und Ökologie. Generationen Wohnen“ des Landes Steiermark sind scharfe Worte gefallen. Der Architekt Klaus Kada meinte etwa, „dieses ständiges Blockieren von Ideen“ gehe ihm „schon seit dreißig Jahren auf die Nerven“. Im Büro von Landesrats Johann Seitinger war man „entsetzt“. Wo liegt das Problem?

Wolfgang Feyferlik:
Man glaubt, man könne durch einen Themenwettbewerb das System verändern, aber man fängt dabei ja mit dem letzten Glied an. Das Gewinnerprojekt verbleibt in der Umsetzung wieder in den üblichen Zwängen, darf also die genehmigungsfähigen Kosten pro Quadratmeter nicht überschreiten. Wenngleich positiv ist, dass die Mitauslober Artimage und Europan erreicht haben, dass es für architektonische Innovation Pluspunkte zusätzlich zum Kostenlimit gibt, ein paar Euro mehr pro Quadratmeter also.

Ihr kritisiert, dass das Siegerprojekt des Vorjahresbewerbs, mit dem ebenfalls Entwicklungssignale gesetzt werden sollten, „50+“, nicht wie geplant umgesetzt wird. Woran ist es gescheitert?

Gerhard Mitterberger:
Das Siegerprojekt von Pentaplan wird in einer überarbeiteten Version umgesetzt und hat dabei die Schärfen verloren. Schon beim ersten Schritt nach der Prämierung, beim Vorentwurf, mussten die Planer sagen, was es kosten wird, und da ergab sich ein höherer Preis als der förderbare. Daraufhin hat die ausführende Genossenschaft gesagt, sie beauftrage es nicht in der Form. Errichtet sie es nämlich zu einem höheren Preis, muss sie die Differenz selber zahlen. Das wird natürlich für die späteren Mieter oder Käufer teurer.

Wie war das Projekt geplant, und wie sieht es jetzt aus?

Mitterberger:
Vorgesehen war eine verdichtete, eingeschoßige Bebauung und statt einer Tiefgarage ein Parkdeck. Es hatte ein bisschen Einfamilienhaus-Charakter. Nun ist diese offene Struktur weg, der Bau wird wieder zweigeschoßig und hat eine Tiefgarage. Der Experimentiercharakter ist verloren gegangen. Pentaplan musste mitspielen, ansonsten hätten sie überhaupt kein Geld für ihre Arbeit bekommen. Sie hätten sogar fürchten müssen, für die entstandene Verzögerung auch noch Entschädigungen an die Genossenschaft zahlen zu müssen. Das Land bestellt also ein Experiment, lässt dieses aber dann am Fördersystem scheitern, und der Planer muss das komplette Risiko übernehmen. Das ist doch widersinnig.

Feyferlik:
Es ist ein Denkfehler, dass das Ergebnis eines speziellen Themenwettbewerbs dem Kostenrahmen des normalen Wohnbaus entsprechen müsse. Man muss in solchen Fällen gewisse Rahmenbedingungen aussetzen. Unser Wunsch war, dass das Land zumindest bis zur Ausschreibungsphase die Ausfallshaftung übernimmt. Erst da weiß man, ob das Projekt wirklich zu teuer ist, und könnte immer noch die Reißleine ziehen. So hat man aus dem Ergebnis nichts gemacht, und jetzt lässt man den nächsten Ideenwettbewerb vom Stapel - was hat das für einen Sinn?

Mitterberger:
Dabei wäre gerade das „50+“-Projekt eine gute Alternative zwischen dem üblichen sozialen Wohnbau und dem Einfamilienhaus gewesen, das ja derzeit in allen wahnsinnigen Ausformungen boomt wie noch nie. Der geförderte Wohnbau müsste hier endlich eine Zwischenlösung anbieten, damit die Leute nicht zuerst in den Wohnbau flüchten, weil sie kein Geld haben, und dann ins Einfamilienhaus, weil sie mehr Platz brauchen.

Die Förderung der Einfamilienhäuser ist vielen ArchitektInnen ein Dorn im Auge - warum?

Mitterberger:
Im sozialen Wohnbau gibt es seit einigen Jahren die „Ökopunkte“, also etwas zusätzliches Geld für ökologische Maßnahmen wie Wärmedämmungen, was die Baukosten enorm in die Höhe treibt. Gleichzeitig forciert man weiter die Einfamilienhäuser, denn diese bekommen natürlich auch ihre Förderungen. Deren Gesamtenergiebilanz fällt aber viel schlechter aus als jeglicher Geschoßbau, denkt man an die verbaute Landschaft, die zu bauenden Straßen und Kanäle, die langen Verkehrswege. Dennoch ist das Einfamilienhaus ein Liebkind der Politiker, es ist unmöglich, es auch nur anzutasten.

Was würden Sie an der Wohnbauförderung ändern?

Feyferlik:
Sie muss flexibler werden. Der Fördersatz darf kein fixer sein, denn der so genannte freie Markt ist gerade auch im Wohnbau keiner. Aus dem Fördersatz können Firmen genau schließen, wie hoch ihre Anbote sein dürfen. Das gehört abgeschafft.

Irgendwelche Obergrenzen wird das Land aber verständlicherweise immer haben wollen.

Feyferlik:
Das Land müsste einmal definieren, was es vom sozialen Wohnbau will, außer dass er Kostenlimits einhält. Danach kann es sagen, wie viel ihm ein bestimmter Wohnbau wert ist.

Mitterberger:
Derzeit hebt man einerseits die rein technischen ökologischen Ansprüche bis über die Decke hoch, auf der anderen Seite hungert man jegliche baukünstlerische Qualität aus. Aber diese muss einfach wieder steigen, sonst wird immer häufiger passieren, was in Linz kürzlich geschehen ist: Da haben sie einfach hundert in den Sechzigern erbaute Wohnungen gesprengt. Es kann aber nicht Ziel sein, dass ein Wohnbau nur mehr fünfzig Jahre hält.

Viel diskutiert ist ja auch die Frage, worauf stärkeres Gewicht gelegt werden sollte: auf die Objekt- oder die Subjektförderung. (Unter Objektförderung versteht man vorwiegend Förderungen der Errichtung von Miet- bzw. Eigentumswohnungshäusern, die an die Bauträger gehen, sowie Förderungen des Baus von Eigenheimen. Subjektförderungen sind direkte, meist einkommensabhängige Transfers wie Wohnbeihilfen, Anm.)

Mitterberger:
Dazu muss ich vorausschicken, dass ich den Begriff des sozialen Wohnbaus grundsätzlich falsch finde. Das Ziel muss ja sozial durchmischtes Wohnen sein. Derzeit ist es Wohlhabenden verboten, in geförderte Wohnbauten einzuziehen. Sie sollten aber in denselben Gebäuden wohnen können wie sozial Schwächere, wenn sie es wollen.

Feyferlik:
Man sollte also nicht mehr das Bauobjekt fördern, sondern nur mehr die Benutzer und Benutzerinnen, die das Geld brauchen – also keine Objektförderung mehr machen.

Mitterberger:
Sonst gibt es nie eine soziale Durchmischung. Sonst haben wir halt unsere Ghettos, billigst gebaut und in schlechten Lagen.

Das wäre also reine Subjektförderung, die ja auch europaweit im Trend liegt. Wobei dies sehr umstritten ist: Bei der kürzlich stattgefundenen KPÖ-Wohnbautagung (evtl. mit Artikel verlinken) meinten mehrere ExpertInnen, dies führe dazu, dass weniger gebaut werde und in der Folge die Preise steigen würden. Ein internationaler Vergleich zeigte, dass damit zwar die Gruppen mit den allerniedrigsten Einkommen profitieren, für die (untere) Mitte Wohnen aber schwerer leistbar geworden ist.

Feyferlik:
Ich sehe keinen Mangel an Wohnungen. Die Objektförderung ist vielleicht in wirtschaftlich schlechten Zeiten sinnvoll, aber nicht permanent.

Mitterberger:
Ich sehe das eher als eine parteipolitische Diskussion. Jeder neue Wahlsieger hat die Tendenz, Strukturen zu ändern. Wesentlich ist ja nur, die Ziele zu definieren – darüber nachzudenken, wie man diese erreicht, ist Aufgabe der Politik und der BeamtInnen. Wobei ich schon ein bisschen an die Objektförderung glaube. Für mich wäre sie für Gebäude in ungünstiger Lage sinnvoll. Um diese zu entschärfen, sollte dort teurer als im Durchschnitt gebaut werden, und diese Mehrkosten sollten gestützt werden. Außerdem ist die Objektförderung eine Steuerungsmöglichkeit, um Ziele im Wohnbau zu erreichen.

Feyferlik:
Momentan gibt es für problematische Grundstücke lediglich Belastungspunkte und damit ein paar Euro mehr etwa für Schallschutzmaßnahmen. Das war es aber auch schon.

Mitterberger:
Einer der Haupt-Problempunkte ist schließlich, dass die Gemeinnützigen Gesellschaften fast Monopolstellung genießen. Nur die Gemeinden und sie bekommen Objektförderung für soziale Wohnbauten - sonst niemand. Und die Gemeinden lassen auch immer mehr Infrastruktur von ihnen bauen, wie z. B. Schulen, Kindergärten oder Pflegeheime. Und die Genossenschaften machen offensichtlich Gewinn, denn sie haben hohe Grundstücksreserven und viel Geld. Wo da die Gemeinnützigkeit sein soll, verstehe ich nicht. Weil die Genossenschaften von den ArchitektInnen Nachlässe erwarten, kann man als Architekt im Wohnbau kaum mehr wirtschaftlich arbeiten, außer man macht immer genau dasselbe. Deshalb haben wir auch vorwiegend Massenware, Neuentwicklungen sind aus Honorarmangel kaum möglich.

Etwas, das auch Gabu Heindl vom Haus der Architektur kürzlich kritisiert hat – sie meinte, der soziale Wohnbau komme immer gleich daher.

Ja, man geht fast immer von der Startwohnung für die Jungfamilie aus, die meisten Wohnungen werden in einer Größe von 60 bis 70 Quadratmetern gebaut. Das geht sich mit zwei Kindern schon nur mehr sehr bedingt aus. Und in zehn Jahren, wenn die Kinder größer sind, ist das überhaupt nicht mehr bewohnbar. Große Wohnungen mit über hundert Quadratmetern werden nicht mehr gebaut. Dabei hat jedes Einfamilienhaus mindestens 150 Quadratmeter.

Zurück zum aktuellen Wettbewerb: Wenn man die Wortmeldungen damals gehört hat, fragt man sich, ob da überhaupt jemand teilnehmen wird.

Mitterberger:
Aber ja, letztlich tun dann doch immer nicht so wenige mit, die Aufgabenstellung ist wichtig und richtig! Wir finden es ja auch gut, dass es den Wettbewerb gibt, wir sagen nur, dass der allein nichts verändern wird, wenn man die Rahmenbedingugnen nicht ändert. Ob wir selber mittun, wissen wir noch nicht – das ist eine Entscheidung des gesamten Büros.

Verfasser/in:
Gerlinde Pölsleer, Interview
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
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