26/07/2011
26/07/2011

Umsetzungsphase - Schablonen zeichnen: „Bei den Schattenbilder, beim „Drauflegen“ auf das Papier, haben uns die Schüler viel geholfen.“ (Sandra, Pius-Institut)

Entwurf

Landart - Gestaltung der Kastanienallee beim Pius-Institut

„Die Bäume sind endlich nicht mehr so kahl; Schüler und Lehrer sind so nett und akzeptieren uns, wie wir sind.“ (Ina, Pius-Institut) - Landart - Gestaltung der Kastanienallee beim Pius-Institut.

„Man findet Freunde fürs Leben.“ (Alexander und Fabian, BG/BRG Bruck a. d. Mur)

„Ich hatte am Anfang keine Ahnung, wo das Pius-Institut war“, schilderte Philipp (BG/BRG Bruck a. d. Mur) „und wir waren alle erstaunt, als wir gesehen haben, was die Leute vom Pius alles so machen.“ „Wir sahen,“ fügten Mati und Gerd (BG) hinzu, „dass unter den Leuten vom Pius-Institut große künstlerische Talente sind.“

„Wir finden, dass wir fast gleich sind. Aber es gibt kleine Unterschiede. Wir finden Behinderte fühlen anders und empfinden manche Sachen anders. Wir finden, dass sie sehr sensibel sind.“ (Niklas und Andreas, BG/BRG Bruck a. d. Mur)

„Manche können was besser als andere können. Deshalb soll man keinen dafür abwertend behandeln. Wir haben erfahren, dass die Leute vom Pius-Institut viel besser als mancher von uns, Sachen gestalten können.“ (Mati und Gerd, BG/BRG Bruck a. d. Mur)

„Man sollte Buntes und Licht in die Unterführung bringen – frisch und fröhlich gestalten.“ (Ina, Pius-Institut)

„Wir wohnen in der selben Stadt. Wir sind kreativ. Wir sind Menschen.“ (Peter und Sebastian, BG/BRG Bruck a. d. Mur)

Abgang zur Unterführung, Bestand: „Leider ist die Bemalung in der Unterführung ´verloren´ gegangen.“ (Christian, Pius-Institut)

Präsentation des Entwurfs am 30. Mai 2011 durch die TeilnehmerInnen. Fotos: Helene Remele, Barbara Gaar-Zettl, Petra Kickenweitz

„(La) Conexión – eine Anbindung und Verbindung schaffen!“ war das diesjährige Motto eines Projektbeitrags mit sozialem Mehrwert von revolver architecture zur Architekturvermittlung mit Kindern und Jugendlichen im Rahmen der Projektreihe RaumGestalten 2010/11.

Das Projekt „Conexion – Brücken schlagen“ wurde gemeinsam mit den Pädagoginnen Barbara Gaar-Zettl und Birgit Stöger, sowie den SchülerInnen der 2c Klasse (ca. 11-12 Jahre) der BG/BRG Bruck und der Behindertenbetreuungseinrichtung Pius-Institut, mit dem Betreuer Volker Kretschmer und seinen jugendlichen und erwachsenen KlientInnen im Stadtraum von Bruck an der Mur durchgeführt. Ziel des Projekts war es, in zweierlei Hinsicht eine neue „Brücke zu schlagen“: Einerseits städtebaulich, räumlich und damit architektonisch die Verbindung zur Stadt, hin zum Pius-Institut neu zu definieren bzw. aufzuwerten. Andererseits sollte eine soziale Annäherung zum Pius-Institut in die Wege geleiten und damit konkret am Abbau der sozialen gesellschaftlichen Barrieren gearbeiten werden.

Menschen mit Beeinträchtigung nehmen Signale der Umwelt meist noch intensiver auf und wahr. Die Vermittlung von Sicherheit und die Ermöglichung der Selbstständigkeit sind besonders wichtige Aspekte. Zur Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung ist die Möglichkeit der gesellschaftlichen Integration und Normalisierung der individuellen Lebensentwicklungsmöglichkeiten unumgänglich. Dementsprechend wichtig ist die Gestaltung der Umwelt – insbesondere jene der unmittelbare Umgebung, der alltägliche Unraum (Nichtraum / Nicht-Ort vgl. Marc Augé ) von Menschen mit Behinderung.

Neben der Architekturvermittlung war ein weiteres Ziel, den Teilnehmern durch die partizipatorische Gestaltung ein Selbstwertgefühl in ihre Fähigkeiten zu geben und ihre Teamfähigkeit zu schulen.
Das Projekt thematisierte darüber hinaus auch die gegenwärtigen städtebaulichen und verkehrstechnischen Veränderungen der Stadt durch den Abriss der sogenannten „Spinne“, der Hochbrückentrassenführung. Sie prägte die Stadt seit den 1970-er Jahren visuell, städtebaulich und räumlich durchaus negativ. Bruck an der Mur trat in erster Linie durch seine Verkehrselemente wie Autobahn, Schnellstraße und Bahnanlage in Erscheinung, welche die Stadt in mehreren Stücke teilten. Dieser städtebaulichen Trennung steht die ursprüngliche Absicht der Verbindung von zwei Seiten durch eine Brücke gegenüber. Der Begriff „Brücke“ ist damit nicht nur positiv besetzt, wie mit „Brücke schlagen“ gemeint, denn Brücken können auch trennen und unüberwindbar erscheinen.

Trotz des erwähnten Abbruchs der „Spinne“ erscheint ein Teil der Stadt weiterhin abgetrennt, bedingt durch die bestehenden Verkehrsanlagen Leobner Straße und Bahngleisanlage der ÖBB. Hinter der Lärmschutzmauer liegen allerdings öffentliche Einrichtungen wie das erwähnte Pius-Institut, die Musikschule, die Bildungsanstalt für Kindergartenpädagogik (Bakip) der Caritas der Diözese Graz-Sekau und zwei Friedhofsanlagen. Die verkehrstechnische Anbindung an die Stadt erfolgt unscheinbar durch drei Unterführungen, eine davon ist den Fußgängern und Radfahrern vorbehalten und liegt auf der Höhe des Kreisverkehrs Leobner Straße. Damit sind die oben erwähnten Einrichtungen zwar fußläufig gut an das Stadtzentrum angebunden, aber in der Wahrnehmung der Stadt nicht präsent.

Das Projekt Conexion untersuchte diese städtebauliche Situierung und Anbindung des Pius-Institutes an die Stadt, wobei die Fußgängerunterführung durch gestalterische Maßnahmen aufgewertet werden sollte. Ziel war, dass sich dieser Nicht-Ort durch die prozesshafte partizipative Neugestaltung zu einem Ort mit Identifikationsmöglichkeit und damit zu einem Ort der Unverwechselbarkeit entwickelt.

Dem Entwurf und der Entwicklung eines Konzepts für die Neugestaltung des Weges, des Zuganges zur Unterführung gingen eine Reihe von Workshops voraus, bei denen vor allem das gleichberechtigte Arbeiten aller Beteiligten in gemischten Gruppen Voraussetzung war. Die ersten drei Treffen zwischen den SchülerInnen der 2c Klasse des BG/BRG Bruck und den KlientInnen des Pius-Instituts dienten dem gegenseitigen Kennenlernen. Vor allem das Pius-Institut mit seinen unzähligen Werkstätten und seiner Musikband „Mundwerk“ faszinierte die SchülerInnen, die das Pius-Institut kaum kannten. Das dritte Zusammentreffen fand direkt in der Unterführung statt, wo in kleinen gemischten Gruppen mit Straßenkreide Ideen gezeichnet, Botschaften hinterlassen und Straßenspiele wie Tic-Tac-Toe und Tempelspringen die erste Hemmschwelle brachen.

Im Werkunterricht wurden dann mit einem Teil der Klasse eine Bestandsanalyse und ein Fragebogen ausgearbeitet. Darauf folgte an mehreren Tagen vor Ort PassantInnenbefragungen und eine Frequenzzählung durch die ProjektteilnehmerInnen. Die Auswertung, die den Handlungsbedarf bei der Unterführung widerspiegelt, wurde später Bürgermeister Bernd Rosenberger präsentiert und zur weiteren Bearbeitung übergeben.

Bei einem Brainstorming wurden die nächsten gestalterischen Schritte festgelegt. Dabei kristallisierte sich zuerst die Idee einer Landart-Gestaltung der Kastanienallee beim Pius-Institut heraus. Diese Aktionskunst war vor allem der Intensivierung der Zusammenarbeit und der Gruppendynamik dienlich. In einem darauffolgenden Vortrag im Stadtmuseum sprach der Raumplaner Peter Nistelberger über die Planungsgeschichte der Stadt Bruck und die Kastanienallee, ihre Bedeutung und ihren Schutz.

Bald stand fest, dass die Unterführung nicht einfach neu ausgemalt und die bestehenden Graffitis übermalt werden sollten, da sie zum Teil von den Pius-KlientInnen stammten und so Teil der urbanen Geschichte des Ortes sind. Vielmehr sollten neue Gestaltungselemente mit dem Bestand respektvoll umgehen. Der Wunsch nach reliefartiger Gestaltung war sehr rasch formuliert. Die Idee, die eigene, bewusste Körpersprache bildlich darzustellen, kam auch dem Grundgedanken am nächsten, jene Menschen anzusprechen, die täglich den Ort frequentieren. Der körperliche Gestus sollte zusätzlich durch aussagekräftige Texte in Form von Botschaften verstärkt werden.

Das realisierte Projekt zeigt eine Vielfalt von Motiven mit Figuren in Bewegung. Diese heben sich teilweise durch ihre Materialität aus Holzplatten von der Innenwand der Unterführung ab. Weiße bzw. schwarze Flächen im Hintergrund in Form von Kreisen, Blasen bzw. ovalen Flächen verstärken die Wirkung der Figuren. Angedacht ist zudem, dass einzelne Figuren auch im Außenbereich der Unterführung - wegsäumend und begleitend Richtung Pius-Institut und Stadtzentrum - aufgestellt werden. Damit können ein sanftes Überleiten und ein bewusstes Hinführen zur Stadt, zum Pius-Institut und den anderen Einrichtungen errreicht werden.

Am 4. Juli 2011 wurden im Beisein von Bürgermeister Bernd Rosenberger und Barbara Feller, Projektleiterin RaumGestalten, fünf Motive enthüllt. Im Verlauf des Sommers werden weitere Figuren vorbereitet. Das Low-Budget-Projekt wird im September bzw. Oktober des kommenden Schuljahres vervollständigt und fertiggestellt. Eine Ausstellung über den Prozess und das Ergebnis ist für November 2011 im Stadtmuseum Bruck geplant.

_ Konzept und Projektleitung:
REVOLVER*ZT architektur, Architekt DI Alexander Cziharz, DI.in Petra Kickenweitz
_Photographisch künstlerische Begleitung: Helene Remele
_ BG/BRG Bruck:
2c Klasse, 29 Kinder im Alter von 11-12 Jahren. Im Zuge des Projektfortschrittes hat sich auch die 2b Klasse beteiligt.
Klassenlehrerinnen: Mag. Barbara Gaar-Zettl & Prof. Mag. Birgit Stöger
_Pius-Institut:
10 KlientInnen (Jugendliche und Erwachsen)
Betreuer
Volker Kretschmer
_ Kooperation:
Projektreihe RaumGestalten
Verein Raum macht Schule Steiermark
Kinderbüro Steiermark
Stadt Bruck an der Mur
_Sponsoring
Fa. Wallner Holz, Bruck an der Mur
Fa. Rembrandtin Farbexperte GmbH, Graz
Fa. Obad, Graz
_ Fotos:
Helene Remele, Barbara Gaar-Zettl,
Petra Kickenweitz

Das Low Budget Projekt wurde durch das Engagement zahlreicher Freunde ermöglicht, daher ergeht ein besonderer Dank an: Karl Hall (Geschäftsführer Pius-Institut), Irmengard Kainz (Frauenreferat, Stadtmuseum und Denkmalpflege der Stadt Bruck), Margarete Müller (Direktorin BG Bruck), Peter Nistelberger (Raumplaner Stadt Bruck), Bernd Rosenberger (Bürgermeister Stadt Bruck), Monika Zachhuber (Kinderbüro Steiermark) und den Schülern der 2b Klasse BG Bruck.

INFORMATION
Die Projektreihe RaumGestalten wurde 1998 von KulturKontakt Austria (damals: öks – Österreichischer Kultur-Service) und der Architekturstiftung Österreich ins Leben gerufen. Ansprechperson und Projektleiterin ist Mag.a Barbara Feller, KulturKontakt Austria, Universitätsstraße 5, 1010 Wien/Vienna, T 01/523 87 65-0, F 01/523 87 65-20, office@kulturkontakt.or.at

Für das Schuljahr 2010/11 wurden von der Jury aus 42 Einreichungen 10 Projekte in verschiedenen Bundesländern ausgewählt.
Zusammensetzung der Jury: Arch. DI Marlies Breuss, Kammer der Architektinnen und IngenieurkonsulentInnen für Wien, NÖ und Burgenland; Mag. Ulrike Giessner-Bogner, KulturKontakt Austria; Mag. Heinz Kovacic, Stadtschulrat für Wien; DI Brigitte Rabl, Österreichisches Institut für Schul- und Sportstättenbau; Arch. DI Karlheinz Winkler, Ziviltechnikerforum – Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten für Steiermark und Kärnten.

Verfasser/in:
Petra Kickenweitz, kinderGAT
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
GAT+