05/04/2017

BAU KULTUR LEBEN

Das 1992 im Napoleonstadel eröffnete Architektur Haus Kärnten ist die Drehscheibe für Baukultur in Kärnten.

Im Herbst 2017 feiern der Napoleonstadel und Architektur Haus Kärnten das 25-jährige Bestehen.

Eine aktuelle Bestandsaufnahme von Raffaela Lackner

05/04/2017

Eine Ausstellung im Architektur Haus Kärnten

©: dermaurer

Tagung im Architektur Haus Kärnten

©: dermaurer

Den größten Teil unseres Lebens verbringen wir in geplanter und gebauter Umwelt. Jeder Mensch definiert sein Umfeld durch persönliche Anforderungen entscheidend mit und trägt die Verantwortung dafür wie diese aussieht. Dabei geht es vorrangig nicht um Architektur sondern vielmehr um eine gesamtgesellschaftliche Bedeutung. Denn Raum beeinflusst nicht nur das persönliche Wohlbefinden sondern ist auch für das Zusammenleben ausschlaggebend. Wenn man genauer darüber nachdenkt und auch nachrechnet, dann ist eines klar zu erkennen: wir geben den Großteil unseres Einkommens für unsere gewählte Umgebung und die damit verbundenen Kosten aus. Sei es nun im Häuschen auf der grünen Wiese, von welchem ich jeden Tag mit meinem Auto über die Schnellstraße in die Stadt zum Arbeiten fahre oder in der Mietwohnung, von der ich in 2 Minuten bei der Bushaltestelle bin um am Markt einkaufen zu gehen oder um zum See mit dem Rad zu fahren.
Baukultur geht weit über die Architektur eines Gebäudes hinaus. Sie vereint zahlreiche Aspekte des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Baukultur betrifft jeden einzelnen von uns und ist ein Prozess, an dem nicht nur ArchitektInnen und Fachleute beteiligt sein sollten. Baukultur ist aber vor allem Gesprächskultur und kann nur entstehen, wenn das Grundverständnis und Bewusstsein für räumliche und gestalterische Qualität bei den handelnden Akteuren vorhanden ist.

25 Jahre – eine gemeinsame Plattform
Unter dem Motto bau.kultur.leben. hat sich das Architektur Haus Kärnten als Forum für Baukultur an der Schnittstelle von Architektenschaft zur interessierten Öffentlichkeit etablieren können. Im Herbst 2017 feiern der Napoleonstadel und der Verein das 25-jährige Bestehen.
Zu den vorrangigen Zielen des Vereins gehört die Förderung der Baukultur in Kärnten sowie den planenden ArchitektInnen und der Öffentlichkeit neue Wege in der Architektur aufzuzeigen. Durch die Belebung der Architekturdiskussion, Abhaltung von Wettbewerben sowie Preisen und der fortlaufenden Vermittlungsarbeit im Architekturbereich mittels Vorträgen, Workshops, Exkursionen, Ausstellungen und zahlreichen weiteren Veranstaltungen wird sowohl die Diskussion um Architektur angeregt als auch das Bewusstsein für Beamte, Politiker, Entscheidungsträger, Bauherren, und der breiten Öffentlichkeit gefördert. Die gemeinsame Gesprächsbasis wird stetig ausgebaut, schafft neue Impulse und fördert die Kärntner Architekturszene nachhaltig. Eine der wesentlichen Aufgaben ist es, die regionale Baukultur zu stärken, zu präsentieren und mit überregionalen Aspekten und Perspektiven zu beleben. Schwerpunkt ist die Konzentration auf das Architekturgeschehen im Land, von welchem aus der Blick auf das Überregionale und auch Internationale erfolgt. Dies wird durch einen ständigen Kontakt mit den anderen Architekturhäusern in Österreich als auch in den Nachbarländern wie Slowenien und Italien geschaffen. Der Austausch von Erfahrungen bildet eine solide Basis für gemeinsame Projekte und ermöglicht darüber hinaus auch die Zusammenarbeit mit anderen Kulturinstitutionen.

Haus mit (Bau)Kultur Geschichte
Der Napoleonstadel wurde im Jahr 1847 unter der Leitung von Alois Cargnelutti erbaut und fungierte damals als Magazin für das Stadtmagistrat Klagenfurt. Nach Ende des ersten Weltkriegs zog ein Tischlermeister mit Werkstätte samt Wohnung ein bis es nach dem zweiten Weltkrieg als Kulissendepot für das nahegelenge Stadttheater diente. Anfang der 1990er Jahre sollte der Napoleonstadel im Zuge einer Straßenverbreiterung des Ringausbaus abgerissen werden. Auf Initiative der Zentralvereinigung der Architekten in Kärnten wurde der Abriss verhindert indem das Haus angepachtet und umgebaut wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt kuratierte Architekt Klaus Holler jahrelang eine Ausstellungsserie über Kärntner und auswärtige Kulturschaffende im Künstlerhaus. Mit der Adaptierung des Napoleonstadels als Kärntens Haus der Architektur wurde nicht nur ein neuer Ort für Ausstellungen geschaffen sondern zugleich auch ein bedeutender Impuls für die Baukultur in Kärnten ermöglicht. Gemeinsam mit der Stadt Klagenfurt, dem Eigentümer des Hauses, wurde der Napoleonstadel mit rund 8 Millionen Schilling renoviert. Nach dem Wettbewerbsentwurf des jungen Architektenteams Wolfgang und Marta Gärtner aus Villach wurde der Napoleonstadel in Rücksicht auf den Denkmalschutz großzügig umgebaut. Er stellt mit Café, Büros und dem wunderbaren zweigeschoßigen Ausstellungsraum seit über 25 Jahren den örtlichen Schnittpunkt zwischen Fachwelt und Öffentlichkeit für Baukultur dar.
Als Vorbild für das damals mutige Projekt wurde das Haus der Architektur in Graz herangezogen, welches bereits 1988 gegründet wurde. Nach Kärnten folgten auch die weiteren Bundesländer dem Vorzeigeprojekt aus der Steiermark, an dem auch die Kammer der ZiviltechnikerInnen für Steiermark und Kärnten, das Land und die Stadt beteiligt sind. Heute sind alle Architekturhäuser in der Architekturstiftung Österreich gebündelt und leben einen regen und intensiven Austausch miteinander.

Junges Team
Seit 2010 ist ein neuer, „junger“ Vorstand tätig, welcher auf die Arbeit seiner Vorgänger mit viel Engagement und ehrenamtlichem Eifer aufbauen konnte. Mit der Umbenennung des Vereinsnamens in Architektur Haus Kärnten wurde auch nach außen der frische Wind symbolisiert. Das gemeinsame Ziel der Stärkung der Baukultur im Land fördert die Entwicklung zeitgenössischer Architektur und ist dabei ebenso von Bedeutung für den Erhalt des baukulturellen Erbes.

International
Einen selbstbewussten Schritt in die Zukunft tat das Architektur Haus Kärnten 2013 mit der Entwicklung eines Nutzungskonzepts für Günther Domenigs Steinhaus am Ossiachersee als offene Architekturwerkstatt. Damit wird dieses Kärntner Architekturjuwel mit seiner internationalen Strahlkraft, ganz im Sinne des Erfinders, für die breite Öffentlichkeit zugänglich und gleichzeitig für experimentierfreudige Architekten, Studierende und Künstler nutzbar gemacht. Ein sich ständig erneuernder Prozess der  Kunst-, Architektur- und Baukulturentwicklung wird diese sommerliche Werkstatt des Architektur Hauses auszeichnen und das Architekturland Kärnten noch stärker österreichweit und international vernetzen und bekannt machen.

Ausbildung
Seit 2004 ist der Studiengang Architektur an der Fachhochschule Kärnten unter der Studiengangsleitung von Architekt DI Dr. Peter Nigst eine Schmiede für ausgezeichnete Architektur-AbsolventInnen in Kärnten, welche nicht nur die Architekturszene im Land aufmischen sondern auch bei internationalen Architekturbüros mitarbeiten. Die „Jungen“ engagieren sich auch mit großem ehrenamtlichen Einsatz im Architektur Haus Kärnten und tragen wesentlich zur Vernetzung untereinander bei. Lag in den letzten Jahren eher das Problem an zu wenig verfügbaren Mitarbeitern in Kärnten, hat sich das durch die Absolventen der FH Kärnten zum Positiven verändert, dass gut ausgebildete Leute in Kärnten bleiben. Jedoch ist es für junge Architekturbüros leider immer noch schwierig, bei Wettbewerben eingeladen zu werden. Das mangelhafte Bewusstsein und die geringe Wertschätzung der Planungsleistung führt darüber hinaus zur einer Abwanderung der „Jungen“ ins Ausland, die dort ihre Chancen suchen.

Themenschwerpunkte

"Billig bauen will jeder! Auch der, der teuer baut. Wer weiß wirklich, ob er billig gebaut hat. Manch einer baut billig, aber dafür alles zweimal, ein anderer zahlt beim Bau die Hälfte, bei den Fixkosten das Doppelte. Oder man hat ein Passivhaus gebaut, das im Winter zu warm wird. Viele bauen ihr Haus auf einem billigen Grundstück im Grünen und sind ihr restliches Leben unbezahlte Chauffeure im Zweitberuf. Ist es billig, den Stadtrand mit Billigwohnbauten zu vermüllen, während die Stadt voll teurer, aber leerer Wohnungen ist? Baut jeder, der billig baut, wirklich billig?“ Zitat Architekt Roland Winkler, Themengruppe Billig bauen.
Das Architektur Haus Kärnten arbeitet seit 2011 unter dem provokanten Motto BILLIG BAUEN. Dabei geht es darum, auf Fehlentwicklungen in Wohnbau, Raumordnung und Baukultur hinzuweisen und Alternativen aufzuzeigen. Denn das Fertighaus auf der grünen Wiese ist nur auf den ersten Blick die günstigere Lösung. Langfristig entstehen dem Bauherrn mehr Kosten als gedacht, während die Allgemeinheit ebenfalls kräftig zur Kasse gebeten wird. Mit drei Kurzfilmen wurden Themen wie Verdämmung, Traumhaus und Gegendverkehr in lebendigen Zeichnungen von Roland Winkler und Harald Weber durch Kommentare von Oliver Vollmann und Maximilian Achatz ergänzt.

In Kooperation mit dem Land Kärnten, der Plattform Baukultur und dem Verein LandLuft wurde eine innovative Tagungsreihe unter dem Titel Raum ordnen – Lebensqualität schaffen initiiert. Die Serie reagiert auf die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen in der Baulandmobilisierung, der Widmungs- und Wohnpolitik sowie auf jene in den Ortszentren selbst. Insbesondere wurde das Bewusstsein für die Raumordnung und ihre Rolle als aktives Steuerungsinstrument herausgestrichen. Die Tagungen sind zugleich auch als inhaltliche Begleitung der zukünftigen Novellierungen für das Kärntner Gemeindeplanungsgesetz, der Kärntner Bauordnung und der Wohnbauförderungsrichtlinien initiiert worden.
Die Tagungsreihe, die immer sehr gut besucht war und das Architektur Haus Kärnten als Plattform für Baukultur stärkte, formte unter den verschiedenen Architekturinstitutionen in Kärnten eine noch nie dagewesene Kraft. In enger Zusammenarbeit wurde aufbauend auf die Veranstaltungen ein Positionspapier mit Stellungnahmen und Vorschlägen für die Gesetzesnovellierungen erarbeitet und den zuständigen Referenten öffentlich übergeben. Im weiterlaufenden Prozess wurden Referenzgruppen gebildet, die sich auch aus den Akteuren der Kärntner Baukulturinitiativen zusammensetzen. Wir sind zuversichtlich, dass die Forderungen in die Novellierung einfließen und dass Kärnten nach jahrzehntelangen Fehlentwicklungen bei Zersiedelung und Umwidmungswahn vor einem historischen Wendepunkt steht.

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