06/05/2013

Junge Choreographen Werkstatt III
Mitglieder der Tanzkompanie choreographieren
_ Premiere (Uraufführung):
2. Mai 2013, 20.00 Uhr
_ weitere Aufführungen:
7., 11.05.2013
25., 27., 29.06.2013
jeweils 20.00 Uhr
_ Ort:
Opernhaus, Studiobühne
Kaiser-Josef-Platz 10
A-8010 Graz
www.oper-graz.com

06/05/2013

Norikazu Aoki in BUMM BUMM

©: Opernhaus Graz

Norikazu Aoki in KOPFKINO

©: Opernhaus Graz

Ist Ballett etwas anderes als eine extreme Form von Architektur? Wenn an einem Ende des Spektrums starre Strukturen mit Ewigkeitsanspruch stehen, dann nimmt den Platz gegenüber wohl das Ballett mit seiner flüchtigen, nur im Augenblick fassbaren Architektur ein. Und da wie dort geht es um die Bewegung menschlicher Körper, um Aufteilung von Räumen, um das kalkulierte Spiel mit Licht und letzten Endes um Skulpturen, starr die einen, im wirbelnden Fluss die anderen. Man muss allerdings kein Architekt sein, um von "Junge Choreografen Werkstatt III" auf der Studiobühne der Grazer Oper hingerissen zu sein. Das Team des Grazer Balletts hat mit jugendlicher Verve einen tänzerischen Diskurs über "Identität" geführt. Neben etwas selbstverliebten Fragen an sich selbst - "Was liebe ich am meisten an meinem Körper?" - wird nach Grenzen gesucht: Inwieweit bin ich durch meinen Körper definiert? Wo hört mein Tänzerkörper auf und beginnt mein eigener? Wo hört der Tanz auf und beginnt das Leben? Ab wann wird das Tanzbühnenbild zur Bildenden Kunst?

Die Leidenschaft der Aufführung legt den Verdacht nahe, dass eins ins andere fällt. Ohne dieses mitreißende, jugendliche Engagement wäre ein so reicher, gedrängter Abend auch undenkbar. Sechs Choreografien, durch zwei Pausen untergliedert, zeigen die faszinierende Variationsbreite des modernen Tanztheaters. Der Zuseher bekommt etwas für sein Geld. "Free Birds", kraftvoll choreographiert von Challyce Brogdon, führt geradewegs in eines der Probleme des "reinen" Tanztheaters. All die rasanten Bewegungen und akrobatischen Figuren verweisen auf etwas außerhalb ihrer selbst. Aber auf was? Und gelten diese Bedeutungsverweise nicht auch in der (schlechten) Architektur? Die anderen Ansätze führen einen deutlichen literarischeren Diskurs oder verwenden Referenzbilder aus der Massenkultur - auf das eben, was die jungen Tänzer interessiert. Beunruhigend weit hat sich dabei Bostjan Ivancsich mit einer sadomasochistischen Collage "Kopfkino" hinausgewagt, die mit einer sauberen Badewanne und großen, transparenten Malflächen beginnt, dann immer tiefer in Alp- und Wunschträume taucht und blutrot endet. Bei sparsameren Leuten wäre das allein schon ein ganzer Abend.

Michael Munoz paraphrasiert in "Oscar and Me" (Part1) Pulp von "Sin City" bis "Django" und vermischt das mit einer Liebesgeschichte und noch etwas anderem. Sein komplexer Ansatz wird dann der Klarheit, die mit diesen visuellen Vorbildern stets einhergeht, nicht ganz gerecht. Identität macht Albert Garcia in "Generations" fest und Claudia Fürnholzer stellt die gleiche Frage an ihre Tänzer als Individuen; beide Arbeiten haben ihre starken Momente. Und herausragend, wirklich wundervoll ist "Staub/Dust"  von Michal Zabavik. Jemand steht unter einem hellen Strahl aus Staub, ein anderer rennt unglaublich schnell verkehrt im Kreis. Dann stellt er sich unter einen Wasserstrahl, und ein Paar tanzt vorsichtiger über das zurückgebliebene Wasser, erzeugt Geräusche, sobald es sich durch die Lache schiebt - und dazu "Cara sposa" aus Händels "Rinaldo". Die Reduziertheit von Michal Zabavik "Dust" macht süchtig, vielleicht bedeutet sie etwas, hoffentlich nichts, aber das spielt eigentlich keine Rolle. Man muss Ballettdirektor Darrel Toulon auch für das bewundern, was er zulässt. Und man hofft, dass auch die neue Leitung des Hauses das Engagement für den Tanz beibehält.

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