03/05/2005
03/05/2005

Andreas Horlitz´ Installation "Palimpsest II" in der Stiftsbibliothek

"Buch-Speichersteine" von Alfred Resch, dahinter: Wolfgang Becksteienr "Library of Transformed Information" in der Säulenhalle, Foto:(c) Michael Braunsteiner

Altes Wissen und neue Kunst im Dialog.
Eine kurze Reise für Bibliophile, Kunstliebhaber und Naturfreunde

Als "Achtes Weltwunder" wurde die Stiftsbibliothek im 18. Jahrhundert von einem Stiftsbibliothekar benannt.
Derzeit wird sie unter dem Titel "Bibliothek anders: Wundersames & Transformiertes" um Beiträge zeitgenössischer Künstler im Dialog mit einer Auswahl an historischen Büchern bereichert.

Andreas Horlitz´ Installation "Palimpsest II" nimmt diesen Dialog in der Bibliothek selbst auf, Arbeiten von insgesamt 15 namhaften österreichischen Künstlern, die sich dem Thema Bibliothek als Wissensspeicher auf unterschiedliche Art annähern, sind in der Säulenhalle zu sehen. Gemeinsam mit wundersamen historischen Büchern aus dem 16. - 18. Jahrhundert, die Einblicke in ein sonst verborgenes Wissen über das Universum des Lebens, über Pflanzen, Tiere und Menschen aus der Sicht der frühen Neuzeit erlauben.

Die Speicherung von Wissen hat spätestens seit Erfindung des Internets eine neue Dimension erreicht, verbunden mit der Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit einer scheinbar unendlichen Informationsflut, immer und überall abrufbar, bei gleichzeitiger Abnahme der Haltbarkeit von Speichermedien.
Ein Vergleich (mittlerweile auch schon wieder fünf Jahre alt): Ausgehend von der Halbwertszeit eines Buches, angenommen mit 100 Jahren, konnte man bei Webseiten im Jahr 2000 von einem Jahr ausgehen, das ist der Zeitraum, nach dem eine Adresse im Internet samt ihrem Inhalt wahrscheinlich nicht mehr vorhanden oder verfügbar ist. Weitergedacht ergibt das einen Faktor 1:100, das heißt, dass innerhalb von 20 Jahren auf der Suche nach einer Website ungefähr so viel vorzufinden ist, wie von Dokumenten, die vor 2000 Jahren entstanden sind. Wurden nicht winzige Papyrusfragmente aus dieser Zeit in der Nationalbibliothek in Wien gefunden, die nur 50 Experten weltweit imstande waren, zu entziffern. Oder der Vergleich von Dissertationen, die zwischen 1998 und 1999 verfasst wurden, welche Internetadressen als Quellenangabe benutzten: 40% aller Angaben waren nach einem Jahr nicht mehr verfügbar. Im Gegensatz dazu sind von einer Dissertation aus dem Jahr 1876 80 Prozent der angegebenen Bücher ohne großen Aufwand auffindbar. (vgl. dazu: James Beaven, Quelle: http://listserv.muohio.edu/Scripts/WA.EXE?A2=ind9909b&L=archives&F=&S=&P... Stand: 23.02.2000)
Eine Tatsache, die Archivare des Wissens vor neue Aufgaben stellt und Künstlern ein weites Feld künstlerischer Auseinandersetzung bietet.

Der Grazer Künstler Alfred Resch hat seine "Buch-Speichersteine" nicht erst für oben genannte Ausstellung konzipiert, sondern sie vom Außenraum in den Innenraum transferiert. Bereits 2000 hat Alfred diese Arbeit als Auftragswerk für den Außenraum gestaltet im Kontext seiner Serie "Speicher Steine" mit materiellem Ortsbezug; das Ausgangsmaterial ist Pinolit, ein Stein, wie er ausschließlich in der Gegend vorkommt - im ehemaligen Magnesitabbaugebiet bei Trieben.

Steine sind umfassende Speicher, die Informationen über Jahrmillionen ungefiltert und ohne Erinnerungsverlust bewahren. Ohne Übersetzung bleiben diese im Inneren als Rohstoff "objektive Information" verborgen, lesbar erst in der Überlagerung mit subjektiven Ideenwelten.
Alfred Resch legt "Farbschichten" gleichsam als Filter über die Steine - nicht zufällig erinnern diese Schichten an leiterplattenähnliche Strukturen, digitale Spuren, Defragmentierungscodes von Festplatten - und schafft damit Möglichkeiten vielschichtiger Lesearten.
In ihrer Gesamterscheinung sind die Buch-Speichersteine als Bücherstapel zu lesen, einzelne Seiten zwischen Einbanddeckeln, und den, um eine technische Achse, rotierenden Festplatten im Computer – statisch und dynamisch zugleich.

Alfred Resch: geboren 22.02.1962 Graz, Gymnasium, Höhere Technische Lehranstalt - Elektronik und Nachrichtentechnik, TU-Graz – Architektur, freischaffender Künstler seit 1981: Malerei, Fotografie, Objekte

Die Transformation von Information ist Wolfgang Becksteiners Zugang in seiner Arbeit "Library of Transformed Information": Er "verformte" Bücher - genaugenommen 3650 Bücher. Unschwer lässt sich daraus das Tageswerk von 10 Büchern innerhalb eines Jahres erkennen, die er zuerst zerriss, um sie dann wieder akribisch in ihre ursprüngliche Form zu bringen - mit transformierter Information. Zehn Bücher am Tag zu zerreißen, ihre Schnipsel mit Leim zu verrühren, um sie anschließend in ihre ursprüngliche Form zu pressen, ist ein brachialer Akt, abseits intellektualisierender Kunstpraxen. Und doch lässt das Ergebnis vielschichtigste Deutungsebenen und Lesarten zu, denen man sich nicht entziehen kann. (Mehr zum Projekt siehe untenstehenden Link)

Wolfgang Becksteiner: geboren: 07.04. 1972 in Graz/Stmk, abgeschlossenes Studium der Architektur bei Prof. Giselbert Hoke, 1999 Teilname an der Salzburger Sommerakademie bei Hermann Nitsch.

Die von Michael Braunsteiner in Zusammenarbeit mit Johann Tomaschek (der die Auswahl der historischen Bücher vornahm) kuratierte Schau ist bis 6. November 2005 zu sehen.
Teilnehmende Künstler: Wolfgang Becksteiner, Jakob Gasteiger, Maria Hahnenkamp, Andreas Horlitz (D), Lisa Huber, Michael Kienzer, Brigitte Kowanz, Kai Kuss, Hannes Priesch, Arnulf Rainer, Lois Renner, Alfred Resch, Gerhard Rühm, Kurt Ryslavy, Stefan Sandner, Ruth Schnell.

Markus Wilflings temporäre Installation "...her und hin und her ...", 1 Video + Skulptur, Kamera: Krisztina Kerekes, im Kunsthistorischen Museum, ist zwar nicht Bestandteil der genannten Ausstellung, fügt sich allerdings nahtlos in das Thema des Speichern: Seine Arbeit "holt" Teile des normalerweise nicht sichtbaren Depots mitten in das Museum.
Von 13.April bis 6. November 2005

Im Museum für Gegenwartskunst, das in seiner jetzigen Form seit 2003 besteht, lässt sich die "Sammlung Stift Admont 2005" mit Neuerwerbungen zeitgenössischer - meist großformatiger Kunst sehen.
Von 2. April - 24. Juni 2005

Neu eröffnet wurde auch das "Naturhistorische Museum" mit Exponaten und Präparaten aus der Tier-, Pflanzen-, Gesteins- und Minealienwelt, die vom 18. bis ins 20. Jahrhunder gesammelt und bis heute bewahrt wurden.Öffnungszeiten Bibliothek & Museum:
Saison 2004 / 2005
April - Oktober: täglich 10.00 - 17.00 Uhr
November geschlossen

Außerhalb der Öffnungszeiten: Für Gruppen ab 20 Personen auf Anfrage
Führungen für Einzelpersonen: 11.00 und 15.00 Uhr
(ab 8 Personen)

Sonderöffnungszeiten entnehmen Sie bitte dem Veranstaltungsplan!

Verfasser/in:
Wohin am Wochenende, Ute Angeringer
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
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