09/06/2011
09/06/2011

ARCHITEKTURPREIS DES LANDES STEIERMARK 2010: weichlbauer / ortis – Arch. DI Reinhold Weichlbauer und Arch. DI Albert Josef Ortis Graz, Frohnleiten für das efh_surplus value01, Frohnleiten. Foto: Hertha Hurnaus

ANERKENNUNG: UN Studio, Amsterdam für das MUMUTH – Haus für Musik und Musiktheater, Graz. Foto: Hertha Hurnaus

Zum Architekturpreis des Landes Steiermark 2010 ist bei Birkhäuser das Architekturjahrbuch Graz Steiermark 2010 / Architecture Yearbook Graz Styria 2010 mit dem Titel "Raum, verschraubt mit der Zeit" / "Space, Twisted with Time", von Hubertus Adam erschienen. Herausgeberin ist Eva Guttmann - HDA Graz.

Am 09.06.2011 fanden im Kunsthaus Graz die Verleihung des Architekturpreises des Landes Steiermark 2010 und die Präsentation des Architekturjahrbuches statt. Danach erfolgte die Eröffnung der Ausstellung mit dem Preisträgerprojekt, den 3 Anerkennungen und 6 Nominierungen im HDA Graz.

Architekturpreis des Landes Steiermark 2010:
Raum verschraubt mit der Zeit

Alle zwei Jahre wird der Architekturpreis des Landes Steiermark für herausragende Bauten, die in der Steiermark realisiert wurden, verliehen. Über den Preisträger bzw. die Vergabe von Anerkennungen entscheidet ein auf Vorschlag des Hauses der Architektur vom Land Steiermark bestellter, nicht in Österreich ansässiger Kurator, der mit dem „Blick von außen“ seine Wahl aus der Summe der eingereichten Projekte trifft.
Der Preis ist somit nicht nur Gradmesser für die baukulturelle Entwicklung der Region, sondern auch wesentlicher Bestandteil einer inhaltlichen Reflexion.

Für den Architekturpreis 2010 wurde als Kurator Hubertus Adam eingeladen, in Zürich tätiger Kunst- und Architekturhistoriker sowie Architekturkritiker und künstlerischer Leiter des Schweizerischen Architekturmuseums Basel.

Der Preis wurde im Rahmen einer feierlichen Veranstaltung durch Kulturlandesrat Dr. Christian Buchmann im Space04 / Kunsthaus verliehen. Hubertus Adam erläuterte in einem kurzen Statement sowohl seinen prinzipiellen Zugang als Kurator als auch die Begründung für die Wahl des Preisträgers bzw. der drei Anerkennungen (siehe Link zur Langversion der Begründung von Hubertus Adam am Ende dieser Seite)

Preisträger 2010
weichlbauer / ortis – Arch. DI Reinhold Weichlbauer und Arch. DI Albert Josef Ortis Graz, Frohnleiten für: efh_surplus value01, Frohnleiten

Anerkennungen 2010
_ Gangoly & Kristiner ZT GmbH, Graz für: Generalsanierung Hörsaalgebäude Montanuniversität Leoben
_ terrain: loenhart&mayr BDA landscape urbanism, München für: Murturm Gosdorf
_ UN Studio, Amsterdam für: MUMUTH – Haus für Musik und Musiktheater, Graz

Nominierungen 2010
_ ELIN Motoren GmbH, Preding / Weiz, Architektur Consult / Peter Zinganel
_ Raumschnitt. Eine rurbane Intervention in der Südsteiermark, Arquitectos
_ Volksschule Mönichwald, dreiplus Architekten
_ eco2building Demonstrationsgebäude Eine Welt Handel AG, Niklasdorf, POPPE*PREHAL
_ GOGO, Graz, PURPUR.ARCHITEKTUR
_ Neubau Kinderkrippe Schönbrunngasse, Graz, Architektur Strobl

Projektbeschreibung Preisträger
weichlbauer/ortis
efh_surplus value01, Laufnitzdorf

Das Haus surplus value01 steht etwas versteckt in Laufnitzdorf. Seine Bewohner sind in der Landwirtschaft tätig und wünschten sich ein geräumigeres Domizil. Das Raumprogramm, welches die Familie zu realisieren gedachte, klang normal, fast konventionell: Küche, Speisezimmer und Wohnzimmer auf einer Ebene, Schlaf- und Kinderzimmer im Stockwerk darüber.
weichlbauer/ortis interessieren sich dafür, den gängigen architektonischen Formfindungsprozess in Frage zu stellen. Um die Linearität von der Idee zur Konkretisierung zu vermeiden, arbeiten sie mit Zufallskomponenten: So wurde das gewünschte Raumprogramm für das Haus in Laufnitzdorf mit Datensätzen früherer Projekte, gewissermaßen digitalem Abfall, der in Architekturbüros entsteht, angereichert. Die Architekten sehen Parallelen zu einem Häcksler, der in der Landwirtschaft anfallendes Material in neuen Rohstoff verwandelt. Aus diesem Datenbrei wählten sie einen willkürlichen Ausschnitt, der eine große Anzahl von Fenstern und Treppenelementen enthielt. Die Rohform wurde anschließend so manipuliert, dass ein realisierbares Projekt entstand.
Bestimmend war der Gedanke, eindeutig mit Nutzungen verbundene Elemente von ihrer Funktion zu befreien und auf ungewohnte Weise zu verwenden. Nicht zuletzt aus Kostengründen wurde die Anzahl der Details auf ein Minimum reduziert, und so dient ein Fenster eben nicht nur als Fenster, sondern quergelegt auch als Brüstung. Die präfabrizierten Betontreppen finden sich nicht nur im Stiegenhaus, sie dienen auch als Sichtschutz, Tragelement, Vordach oder Trittstufen für den Kaminkehrer, während für die Handläufe im Inneren Fensterprofile zum Einsatz gelangten. Und weil die Hülle des Hauses, das sich aus verschobenen und aufeinander gestapelten Kuben zusammensetzt, weich sein sollte, wurde das gesamte Äußere mit sechs Zentimeter hohem Kunstrasen umhüllt. Ein inmitten der Landschaft völlig künstliches Material, dessen Haptik man sich indes nicht entziehen kann.
Der Reiz des Hauses in Laufnitzdorf besteht in dem Nebeneinander von Konvention und Experiment. Erfreulich ist der unideologische Gestus, mit dem das geschieht. efh_surplus value01 ist ein Haus, das kein bestimmtes Verhalten erzwingt. Es ist ein ganz normales Haus, in dem ganz normales Leben gelebt werden kann. Und doch ist es mehr als das, nämlich eine ebenso intelligente wie spielerische, vielleicht auch ironische Etüde zu der Frage, was Architektur ist, sein kann und sein darf. Diese Architektur vermeidet jegliche Naivität und stellt die Fragen, die Architektur stellen muss, damit das Denken angeregt wird.

Projektdaten
8130 Frohnleiten, Laufnitzdorf 14
Planung: Architekten DI Reinhold Weichlbauer / DI Albert Josef Ortis, Frohnleiten
Statik: DI Peter Connert, Graz
Bauphysik: Ing. Bernhard Hammer GmbH, Fohnsdorf
Bauherr: Isabella und Martin Reisinger, Laufnitzdorf
Fertigstellung: 2009

Buchpräsentation
Architekturjahrbuch Graz Steiermark 2010
Hubertus Adam "Raum, verschraubt mit der Zeit / Space, Twisted with Time"

Raum, verschraubt mit der Zeit ist das zweite Architekturjahrbuch, das gekoppelt mit dem biennal vergebenen Architekturpreis des Landes Steiermark erscheint. Durch diese Verknüpfung ist eine regelmäßige publizistische Dokumentation aktuellen Baugeschehens in der Steiermark gewährleistet, werden doch sowohl das prämierte Bauwerk, als auch die Anerkennungen und Nominierungen ausführlich darin besprochen. Das inhaltliche Konzept sowie die Texte stammen von Hubertus Adam, die grafische Gestaltung erfolgte durch gabriele lenz – büro für visuelle gestaltung, Wien.

Der Aufbau des Buches ist komplex, der Zugang ein mehrfacher: Im titelgebenden Essay werden in sehr subjektiver Weise alle für den Landespreis nominierten Projekte vorgestellt. Eingebettet ist dieser Essay in mehrere architekturtheoretische Kapitel zu unterschiedlichen Themen, die jedoch immer auch mit den parallel dazu besprochenen Bauten zu tun haben und damit eine Referenzebene darstellen.

Ein weiterer Blick ist jener der Fotografin Hertha Hurnaus, deren Schwarz-Weiß-Bilder im zweiten Teil der Publikation eine eigene, vom Textteil unabhängig lesbare Interpretation der besprochenen Bauten transportieren.

Informationen zum Buch
Eva Guttmann – Haus der Architektur (Hg.)
Hubertus Adam: Raum, verschraubt mit der Zeit / Space Twisted with Time – Architekturjahrbuch Graz Steiermark 2010 / Architecture Yearbook Graz Styria 2010
Fotoessay: Hertha Hurnaus
Textteil 88 Seiten, Bildteil 112 Seiten Duotone
20,4 x 28,4 cm, Leinencover, Fadenheftung
€ 49,90
ISBN 978-3-0346-0792-6
© 2011 Birkhäuser Basel

Ausstellung
Raum, verschraubt mit der Zeit – Architekturpreis des Landes Steiermark 2010

WO: HDA Graz im Palais Thinnfeld, Mariahilferstraße 2, 8020 Graz
Dauer der Ausstellung: 10. Juni bis 31. Juli 2011
Geöffnet DI-SO 10.00-18.00 Uhr

In der Ausstellung „Raum, verschraubt mit der Zeit“, die in Zusammenarbeit mit Hubertus Adam konzipiert wurde, werden jene zehn Projekte vorgestellt, die aus den über sechzig Einreichungen für den Architekturpreis des Landes Steiermark 2010 nominiert wurden. Ein Preisträger, drei Anerkennungen und sechs weitere Bauten spannen sowohl geografisch als auch bautypologisch einen weiten Bogen und bilden das steirische Baugeschehen der letzten Jahre exemplarisch ab.

Die Ausstellungsgestaltung von Gabriele Lenz und Ulrich Huhs bezieht sich einerseits auf das Siegerprojekt, kann jedoch auch als Interpretation des Themas „steirische Architektur und Landschaft“ gelesen werden.

Die Fotografien für die Ausstellung stammen von Hertha Hurnaus und stellen neben Plänen und Texten eine weitere, eindrückliche Erzählebene mit starken Bezügen zur Einbettung der Projekte in ihre Umgebung dar.

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