27/01/2010
27/01/2010

GAT hat am 23. Dezember 2009 als erstes Medium auf die veröffentlichten Visualisierungen zum geplanten Asylerstaufnahmezentrum in Eberau reagiert. Der Entwurf hat kritische Stimmen und düstere Vergleiche ausgelöst. Es wurden Fehler im Zuge der Vergabe der Planungsleistungen vermutet und die Bauverhandlung im Blitzverfahren schien fragwürdig. Die Hintergrundrecherchen ergaben unter anderem, dass ein Salzburger Innenarchitekt beauftragt worden war, die Grundstücke als Strohmann zu kaufen, das Projekt in sehr kurzer Frist zu planen und in seinem Namen einzureichen.

GAT hat natürlich auch das Innenministerium selbst mit diesen Vorwürfen konfrontiert. Die Reaktion seitens des Ministeriums, welche uns diese Woche erreicht hat, fiel überraschend aus (siehe unter "Lesen Sie auch: "Erledigung Sektion III _Extern_20 01 2010", am Ende dieser Seite). So scheint man sich im Innenministerium nach wie vor keiner Fehler bewusst zu sein. Die Kritik, die nicht zeitgemäße Architektur betreffend, scheint nicht angekommen zu sein. Im Gegenteil: der Entwurf wird dadurch gerechtfertigt, dass seitens der Gemeinde eine „burgenländische Prägung“ gefordert war. Das Innenministerium verteidigt den Entwurf weiters mit der notwendigen Vermeidung einer „offenen Bauweise“ zum „Schutz der Persönlichkeit“ und zeigt auch hier enormes Unverständnis gegenüber gegenwärtiger Architektur. Hätte man mit ArchitektInnen kommuniziert, wäre man zwingend zur Einsicht gekommen, dass auch geschlossene Teilbereiche, offene Gemeinschaftsflächen sowie transparente Innenhöfe diese Zwecke erfüllen hätten können.

Auch hinsichtlich der Interpretation des Bundesvergabegesetzes vertritt das Innenministerium wie es scheint die Ansicht, dass Projekte beliebig filetierbar seien, um die Unterschreitung von Schwellenwerten zu erreichen.

Die Vergabetragödie Eberau erreicht durch diese Reaktionen einen weiteren, traurigen Höhepunkt. Fehler und Pannen werden nicht eingestanden. Es manifestiert sich hingegen der Eindruck, dass in vollem Bewusstsein gehandelt wurde und nach wie vor keine Einsicht gegeben ist. Die Entscheidungen in der Causa Eberau wurden ganz bewusst getroffen und der vorliegende Entwurf entspricht nach wie vor den Vorstellungen des Innenministeriums.

Originale und ungekürzte Reaktion des Innenministeriums:

GAT: Wer war für die Planung Auftraggeber bzw. Bauherr?
Innenministerium: Der Auftrag wurde vom Bundesministerium für Inneres vergeben.

GAT: Wer wurde mit der Planung des Projektes beauftragt?
Innenministerium: Mit der Planung des Projektes wurde ein befugtes Planungsteam beauftragt.

GAT: Hat es eine öffentliche Bauverhandlung zu dem Projekt gegeben?
Innenministerium: Es hat eine dem Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz entsprechende und den Parteien im Verfahren zugängliche Bauverhandlung stattgefunden.

GAT: Wie hoch ist die voraussichtliche Bausumme?
Innenministerium: Die Kosten für die Errichtung des Projekts betragen etwa 16,5 Millionen Euro.

„Bei der Architektur des Objekts wurden im Wesentlichen die Wünsche der Gemeindevertreter berücksichtigt. Hier war es der Gemeinde ein Anliegen, dass die Architektur der Erstaufnahmestelle eine deutliche burgenländische Prägung erhält und sich die Objekte harmonisch ins Ortsbild einfügen. Um die genaue Ausgestaltung und die Lage der Baukörper in der Liegenschaft beurteilen zu können, ist es allerdings auch erforderlich, die Anforderungen an eine Erstaufnahmestelle des Bundesasylamts zu kennen. Daher orientiert sich die Planung an den spezifischen und komplexen Verfahrensabläufen in einer Erstaufnahmestelle, die unter anderem vom Zusammenwirken der verfahrensführenden Beamten, Rechtsberater, Dolmetscher und medizinischen Einrichtungen und Fachpersonal geprägt ist.

Wesentliche Funktion einer Erstaufnahmestelle ist neben der effizienten Abwicklung der Asylverfahren und der Unterbringung und Versorgung der Asylwerber vor allem auch der Schutz dieser Personen. Hier steht der Schutz der Persönlichkeit ebenso im Blickpunkt wie sicherheitsrelevante Einrichtungen, durch die sichergestellt werden muss, dass Personen, die dort nicht arbeiten oder untergebracht sind, keinen Zutritt zur Erstaufnahmestelle und möglichst auch keinen Einblick in diese haben. Dies ist deshalb notwendig, da Österreich verpflichtet ist, Asyl suchenden Personen für die Dauer des Asylverfahrens jedenfalls auch Schutz vor konspirativen oder geheimdienstlichen Aktivitäten ihres Herkunftslands oder anderer Staaten zu bieten. Die oftmals angesprochene und gewünschte offene Bauweise scheidet daher aus rein sachlichen Argumenten aus.

Eine fundierte Beurteilung eines Vergabeverfahrens kann nur dann erfolgen, wenn alle Eckpunkte des Verfahrens bekannt sind. Im gegenständlichen Fall wurden alle einschlägigen Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes 2006 idgF genauestens eingehalten. Durch die Erstellung der Einreichplanung wurde betragsmäßig der Subschwellenwert für eine Direktvergabe nicht erreicht, was auch im Rahmen der vorab durchgeführten Kostenschätzung so prognostiziert war.“
(Stellungnahme des BMI, siehe unter "Lesen Sie auch")

Verfasser/in:
Martin Brischnik, Kommentar
Tschavgova

Ich habe diesen Antwortbrief auch erhalten, weil ich am 27. Dezember eine Protestnote ans Ministerium geschickt und die Ministerin zum Rücktritt aufgefordert habe. Kritiker werden darin als unfähig hingestellt, die Bauqualität dieses Lagers beurteilen zu können, weil sie "die Anforderungen an eine Erstaufnahmestelle des Bundesasylamtes nicht kennen". Frechheit! Meine Schlussfolgerung: offensichtlich bringen Argumente dort nichts, Kritik wird gar nicht ernst genommen. Das zeigt mehr als deutlich und schon lange die Selbstherrlichkeit und Abgehobenheit der dort Entscheidenden/des Ministeriums, die ihre Entscheidungsbefugnis offensichtlich nicht vom Volk ausgehend erkennen oder sehen wollen. (auch eine kleine Gruppe von Kritikern - Caritas, Bundeskammer, Einzelpersonen - ist das Volk). Meine Reaktion darauf: es wird immer offensichtlicher, dass friedliche Mittel der Konsensfindung nichts ausrichten, dass unsere Politiker nicht darauf aus sind, sozialen Ausgleich zu schaffen. Es gibt nicht wenige kluge Köpfe, die uns soziale Unruhen, gewaltvolle Aufstände und Umstürze voraussagen. Auch meine Wut wächst Tag für Tag ... (ich hoffe, dass ich nicht ab sofort von der Geheimpolizei observiert werde, die mich womöglich beim Nasenbohren ertappen könnte)

Do. 28/01/2010 12:10 Permalink
Petra Kickenweitz

dass läßt auf jeden Fall die Ausschreibung zum Schubhaftszentrum Vordernberg - schon durch den Auslobungstext und durch den Auslober erhoffen ...
Woran liegt das bloß? Haben wir eine janusköpfige Innenministerin?

Do. 28/01/2010 11:46 Permalink
Petra Friedl

Diese Causa bedarf der Aufklärung mehrerer Punkte.
Es ist einigermaßen ernüchternd, wenn sich dieses Vorgehen nicht als unglückliche Ansammlung von Fehlentscheidungen, sondern als eine gestaltungswillige Gesinnung offenbart.
Angesichts der symptomatischen Inkompetenz und unerträglichen Präpotenz der handelnden Personen, ist eine daraus resultierende Politikerverdrossenheit kein bewußtloses Desinteresse, eher eine gesellschaftskritische Notwendigkeit...

Fr. 29/01/2010 10:45 Permalink
Fabian Wallmüller

Die seitens des Innenministeriums geäußerte Zusicherung, dass "alle einschlägigen Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes 2006" eingehalten wurden, wäre eine eingehende vergaberechtliche Prüfung wert. Laut BVergG 2006 liegt der Schwellenwert für die Direktvergabe geistiger Leistungen – so auch von Planungsleistungen von Architekten – bei 40.000 Euro. Darüber hinausgehende Leistungen sind bis zu einem Schwellenwert von 211.000 Euro durch ein geladenes Verhandlungsverfahren zu vergeben, über 211.000 Euro ist ein Verhandlungsverfahren mit EU-weiter Bekanntmachung durchzuführen. Für öffentliche Auftraggeber (Zentrale Beschaffungsstellen) liegt der Schwellenwert für Verhandlungsverfahren mit EU-weiter Bekanntmachung weiters bei 137.000 Euro, wobei die öffentliche Hand sich außerdem zur Abhaltung von Architekturwettbewerben verpflichtet hat. Angenommen, dass die vom Innenministerium vergebenen Planungsleistungen mit einem üblichen Architektenhonorar abgegolten wurden (Das Gesamthonorar für alle Leistungsphasen bis zur Fertigstellung wären ca. 8% der Errichtungskosten von 16.5 Mio. Euro = 1.320.000), dann liegt alleine des Honorar für die Einreichung des Erstaufnahmezentrums (Honorar: 10% des Gesamthonorars = 132.000 Euro) jenseits des Schwellenwerts für eine Direktvergabe der planerischen Leistung. Weiters muss die Frage gestellt werden, wer mit dem für eine Einreichplanung unerlässlichen Vorentwurf (Honorar: 13% des Gesamthonorars = 171.000 Euro) bzw. Entwurf (Honorar: 17% des Gesamthonorars = 224.000 Euro) des Erstaufnahmezentrums beauftrag wurde. In Summe gilt es, die Vergabe planerischer Leistungen im Umfang von 527.000 Euro zu klären. Seitens des Ministeriums besteht dringender Erklärungsbedarf.

Do. 28/01/2010 11:31 Permalink
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
GAT+