10/07/2007
10/07/2007

Abb. 1: Der Rundgang startete am Grazer Burgtor

Abb. 2: Arch. DI Ulrike Bogensberger (Sektionsvorsitzende Architekten; li.), Dr. Wiltraud Resch (v. mi.), Arch. DI Christian Andexer (2. v. li.).

Abb. 3

Abb. 4: das eh. Jesuitenkloster (Priesterseminar) in der Hofgasse.

Abb. 5

Abb. 6

Abb. 7

Abb. 8

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Abb. 13. Fotos: js

Die Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten für Kärnten und Steiermark veranstaltete am 26. Juni einen zweistündigen Rundgang durch die Grazer Altstadt. Als sachkundige Führer fungierten die Stadttopographin Dr. Wiltraud Resch und Architekt DI Christian Andexer. Mehr als 40 Architekten, Denkmalschützer und Interessierte folgten den Ausführungen des Duos, das auch für den Managementplan zum UNESCO-Weltkulturerbe der Stadt Graz verantwortlich zeichnet. (GAT berichtete)

Der Rundgang startete am Burgtor (Abb. 1, 2), dessen Renovierung im vergangenen Jahr abgeschlossen wurde. „Schon im 19. Jahrhundert wurde im Bereich der Grazer Burg (Abb. 3) einiges an Bausubstanz demoliert, sodass gotische Bauteile, wie die bekannte Doppeltreppe, nur mehr im hinteren Burghof erhalten geblieben sind“, erläuterte Resch. Dennoch ist noch an vielen Stellen die Bipolarität der historischen Stadt deutlich sichtbar, die sich im Mittelalter in einer räumlichen Trennung der Bürgerstadt am Marktplatz von der Stadtkrone mit dem „Regierungsviertel“ durch eine Stadtmauer ausdrückte. Hinter dem ehemaligen Jesuitenkloster (Priesterseminar) (Abb. 4,5) sind in mehreren Innenhöfen die Reste der alten Wehranlage (Abb. 6) erkennbar. Dort wurden leider auch einige weniger gelungene Gestaltungen vorgenommen, so der Einbau der Lüftungsanlage hinter der Alten Universität, die hinter einer Stahl- und Glaskonstruktion verschwunden ist und die jede weitere Nutzung dieses Ortes unter ästhetischen Gesichtspunkten stark einschränkt – eine vertane Chance zu einer einladenden Gestaltung (Abb. 7).

Der Spaziergang führte von der Stadtkrone über die Burggasse hinunter zum Färberplatz. Gerade in diesem Bereich wird das reiche Erbe der Stadt bei einem Blick hinter die Fassaden sichtbar, wie Resch hervorhob: „Nicht in erster Linie die Fassaden und Dächer, sondern die in den Gebäuden verborgene Bausubstanz von Jahrhunderten macht den wahren Reichtum dieser Stadt aus.“ Dazu gehören barocke Stiegenaufgänge in einem Palais am Glockenspiel-Platz (Abb. 8, 9) ebenso wie freigelegte mittelalterliche Elemente in der Prokopigasse (Abb. 10).

Jede Stilepoche ist durch bemerkenswerte Baudenkmäler vertreten, von der Gotik (Dom), über Renaissance (Arkadenhöfe), Manierismus (Mausoleum), Barock (Stadtpalais) bis zum Historismus und Jugendstil. „Das Weltkulturerbe der Grazer Altstadt definiert sich vor allem durch die Geschlossenheit und Authentizität der historischen Ensembles“, betonte Andexer. Im 16. Jahrhundert, als Graz Residenz wurde, haben über 200 italienische Bauleute hier gewirkt, deren Spuren an vielen Stellen gegenwärtig sind. Es gibt vorbildliche gelungene Restaurierungen, wie jene des „verborgenen“ Innenhofes des Hauses Bürgergasse 16 (Abb. 11, 12), das den ursprünglichen Charakter der in der Renaissance umgestalteten bayrischen Hofstätte des Hochmittelalters wieder aufleben lässt. Andererseits sind gerade in jüngster Zeit historische Strukturen, z.B. in den Bürgerhäusern der Murgasse, leider unwiederbringlich vernichtet worden, um die Gebäude „heutigen Erfordernissen“ anzupassen. Zum Abschluss führte der Weg wieder hinauf auf den Karmeliterplatz (Abb. 13), an dessen Rand der Pfauengarten noch einer würdigen Gestaltung harrt – ob diese, wie geplant, in einem mehrstöckigen Hotelbau bestehen sollte, ließen die Fachleute dahingestellt.

„Der beste Denkmalschutz war in Graz immer der Geldmangel, der die Umsetzung von Bauprojekten verhindert hat“, resümiert Resch zum Umgang mit dem historischen Erbe - ein fragwürdiger Schutz auf den leider nicht immer Verlass sein kann.

Verfasser/in:
Josef Schiffer, Bericht
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