13/09/2016

Kommentar von Georg Schrutka zum 3. Themenabend der Reihe Start-up mit dem Titel Wie komme ich zu Aufträgen? 

Wie können sich Architekturschaffende und junge TechnikerInnen heutzutage selbstständig machen? Welche Möglichkeiten bieten sich im breiten Feld der Architektur/Technik und wie können diese erfolgreich umgesetzt werden? Was passiert, wenn aus einer One-Man-Show ein ernsthaftes Unternehmen werden soll?

Das HDA veranstaltet in Kooperation mit der ZT-Kammer für Steiermark & Kärnten dazu eine Themenabendreihe für junge ArchitektInnen und TechnikerInnen, die gerade dabei sind oder mit dem Gedanken spielen, sich selbstständig zu machen.

13/09/2016

Diskussionsrunde bei Start-up 03

©: Georg Schrutka
©: Georg Schrutka

Unter dem Titel Start Up: Wie komme ich zu Aufträgen? lud das HDA in Kooperation mit der Kammer der ZiviltechnikerInnen für Steiermark und Kärnten zu einer Veranstaltung für angehende junge Büros, um über Chancen und Strategien am Beginn der Laufbahn zu diskutieren. Die Gäste, nicht nur ArchitektInnen, sondern auch Immobilienentwickler, Bauingenieure und öffentliche Auftraggeber, diskutierten unter der Leitung von Petra Kickenweitz Erfahrungen als und mit jungen aufstrebenden Büros.

Während sich am Podium der Begriff des Vertrauens als zentral herauskristallisierte – offen blieb, wie dieses Vertrauen mit anfangs noch wenigen Projekten erreicht werden kann, wurde (wieder einmal) diesmal aus dem Publikum, die Forderung nach dem offenen Wettbewerb gestellt. Aber ist das wirklich der einzige und beste Weg um sich als junges Büro zu etablieren?

Bei Architekturwettbewerben spielt ab einer gewissen Teilnehmerzahl auch das Glück eine entscheidende Rolle. Bei vielen Projekten werden immer auch viele gute darunter sein und die Aufgabe der Jury das beste auszuwählen, wird zwangsläufig schwieriger und aufwändiger. Bei riesigen Wettbewerben, rechnete der holländische Architekt Tom Frantzen bei den Piran Days of Architecture vor zwei Jahren vor, stünden Aufwand und Chancen in keinem Verhältnis mehr und glichen dem Ausfüllen eines Lottoscheins. Er und sein Büro zogen daraus Konsequenzen und sie setzen seither vermehrt auf eigene Projektentwicklungen mit durchaus beachtlichen Ergebnissen.

Das ist nur ein Beispiel, dass ein Büro in einem sich verändernden Arbeitsumfeld auch anders gedacht werden kann und nicht dem scheinbar vorgegebenen Weg – pragmatisch als Dienstleister oder kreativ als Künstler – folgen muss. Dieser Herangehensweise fordert sicherlich mehr unternehmerisches Risiko und Wissen als das bei einem klassischen Architekturbüro der Fall ist. Aber einer der faszinierendsten Aspekte der Ausbildung, die Vielfälltig- und Vielseitigkeit, scheint, so zeigte die Veranstaltung, mit der Gründung eines jungen Büros abhanden zu kommen.

Wäre es nicht eine unglaubliche Chance das kreative Potenzial nicht nur in das Erfinden eines Bauwerks, sondern auch in das Erfinden des eigenen Büros einfließen zu lassen? Könnten junge Köpfe nicht auch junge Strategien entwickeln – abseits vom ausgetrampelten und anscheinend überfüllten Pfaden? Zu einem erfolgreichen Unternehmen, und als solches sollte sich ein Büro verstehen, gehört mehr als ein gutes Produkt. Dieses ist bestenfalls die Basis, aber keinesfalls das Unternehmen.

Der offene Wettbewerb im Speziellen, der Wettbewerb im Allgemeinen ist ein Weg – ein althergebrachter und sicherlich gangbarer, aber nicht der einzige. Vielleicht liegt die größere Chance nicht in der Forderung nach mehr offenem Wettbewerb, sondern im Neudenken von Strukturen und im Entwickeln von Strategien – durchaus eine Kernkompetenz von ArchitektInnen.

TeilnehmerInnen
Armin Haghirian, Architekt, EDERER+HAGHIRIAN Architekten
Oswald Held, PLUTO- Immobilienentwicklung
Manuela Hötzl, Architekturpublizistin
Wolfgang Köck, Architekt, PENTAPLAN
Thomas Lorenz, Bauingenieur, Lorenz ZT
Michael Pansinger, Leitung Planung, KAGes Stmk.
Anna Popelka, Architektin, PPAG architects
Rainer Plösch, GBG Gebäude- und Baumanagement Graz
Moderation: Petra Kickenweitz, Architektin

Neutra

Ich bin selbst seit über 15 Jahren als Immobilienentwickler und Bauträger tätig und möchte hier kurz meine Gedanken zu diesem Thema äußern. Aus meiner Sicht sind die Fakten klar und können für angehende Architekten auch nicht beschönigt werden.
- Keine zeitgemäße Ausbildung (Lehre) am Beispiel der TU Graz.
Der Großteil der Studierenden sind aus meiner Erfahrung nicht auf das
Berufsleben vorbereitet (es fehlt an bautechnischen und
wirtschaftlichen Grundlagen).
- Das Berufsbild des reinen Architekten gibt es nicht mehr, die heutigen Anforderungen bei Projektentwicklungen verlangen schon in der Entwurfsphase
mehr Knowhow als die meisten Büros aufweisen können.
- Architekturqualität ist zur Zeit bei Investoren kaum gefragt, im Fokus stehen Wirtschaftlichkeit und Rendite. Nur Büros die gelernt haben damit umzugehen gewinnen heute in Österreich Wettbewerbe bzw. werden überhaupt zu einem Wettbewerb geladen.
- Die Idee der eigenen Projektentwicklungen klingt nett, ist aber für junge Büros in Österreich nahezu unmöglich zu bewerkstelligen. Es fehlt an Finanzierungsmöglichkeiten, dem Zugang zu Investoren und vor allem wieder einmal am notwendigen Knowhow. Heutige Bauaufgaben sind für reine Architekten zu komplex geworden (Rechtliche Vorgaben,Vermarktungsmöglichkeit, Baukosten, Haustechnik, ... uvm).

Mi. 14/09/2016 9:44 Permalink
Neutra

Antwort auf von Anonymous

In erster Linie hängt vieles von der Definition des Berufsfeldes ab.
Hier sehe ich ein vor allem österreichisches Problem. Weder die Lehre (Hochschule) noch ein auf Einschränkungen und Kontrolle aufgebautes Kammersystem sind zeitgemäß. In der Realität gibt es zu viele Studierende, diese sind nach Ihrer Ausbildung in der Arbeitswelt kaum zu gebrauchen und verdienen dementsprechend auch sehr wenig Geld. Viele enden meist als technische Zeichner, Möbelverkäufer oder geben den Beruf ganz auf.
Mein Rat an junge Studierende und angehende Architekten lautet daher: Sammelt Erfahrung auf Baustellen wo Ihr nur könnt, geht ins Ausland, öffnet Euren Horizont, hinterfragt unsere bestehende Normen und Vorgaben, interessiert Euch für die Bedürfnisse der Menschen, beschäftigt Euch mit dem Thema "ganzheitliches Bauen und Baubiologie" und bitte wendet Euch vom "unnötig großen Ego" der jetzigen österreichischen Architektengeneration ab.
Bauen kann nur als ein "Miteinander"verstanden werden,erst wenn alle Beteiligten zufrieden sind, ist ein Projekt wirklich gelungen. Und wie viele Projekte können das in der heutigen Zeit schon von sich behaupten ?

Do. 15/09/2016 11:42 Permalink
Anonymous

Antwort auf von Neutra

Vielen Dank für die Tipps. Da ich alle Ihre Ratschläge in meiner bisherigen Karriere bereits umsetzten konnte, sehe ich meiner Selbstständigkeit gleich gelassener entgegen :-)

Do. 15/09/2016 3:46 Permalink
Anonymous

Im Zuge der aktuellen Handhabung von Wettbewerbsverfahren immer mehr 2.stufige Wettbewerbe zu veranstalten, wird die absurde Situation der Architekten und Büros in dieser "Lotterie" unserer Meinung nach noch weiter negativ verstärkt!
Aktuell gesehen, beim Verfahren für den Neubau der Volksschule Leibnitz, wurde offensichtlich von der Kammer ein 2-Stufiges Verfahren einreklamiert. Das hat nun zur Folge, dass in der 1. Stufe OHNE Hearing zwischen Fragenbeantwortung und Abgabe exakt 6 Werktage Zeit für Bearbeitung bleiben!
Das, obwohl eine raumscharfe Durcharbeitung gefordert und sogar lt. Ausschreibung eine Garantie des teilnehmenden Architeken beeinhaltet ist, dass der Entwurf im Kostenrahmen umsetzbar sei?!
Es wäre ein Einfaches gewesen, hätte man einfach einen normalen 1.-stufigen Realisierungswettbewerb durchgeführt, mit normalen Hearing, Begehung, genug Zeit und Agabe im Mai2018.
So werden Büros in absurde und unwürdige (!) Verfahren und Bearbeitungen getrieben, die keine Qualität und Ernsthaftigkeit mehr zulassen! Zudem verdoppelt oder vervielfacht sich der Einsatz für die Büros, die in die 2-te Stufe kommen! Das wirtschaftliche Risiko für mittlere und kleine Bürostrukturen vervielfältigt sich und gleichzeitig werden aufgrund einer völlig unnachvollziehbaren neuen Handhabung der Genossenschaften die Preisgelder für Verfahren lächerlich niedrig nach unten gefahren? Selbst der Gewinn eines Wettbewerbs deckt mit dem Preisgeld nicht mehr die wahren Kosten ab - im Falle eine Projektstopps oder einer Nichtbeauftragung (wenn das Projekt gar nicht realisiert wird) bleibt mittlerweile selbst ein Gewinner schon auf dem wirtschaftlichen Schaden eines 2-stufigen Verfahrens sitzen!
Das kann nicht mehr der Sinn eines Architekturwettbewerbs sein!
2-Stufige Verfahren sollten von der Kammer unbedingt neu überdacht werden, und wenn, dann nur bei sehr großen Projektumfängen durchgeführt werden!

Mo. 15/01/2018 2:49 Permalink

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