02/07/2019

Jeden ersten Dienstag im Monat veröffentlicht GAT in der Kolumne Aber Hallo! Anmerkungen von Karin Tschavgova zu aktuellen Themen von Architektur und gebauter Umwelt.

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02/07/2019
©: Karin Tschavgova

Von der Verbesserung des Lebens und der Verschönerung von Straßen im Klimawandel

Seit letzter Woche weiß ich, dass es auch in Hamburg, im kühlen Norden, heiß werden kann. Am Samstag, dem letzten Tag unserer Architekturexkursion stieg das Thermometer auf satte 34 Grad. Das ist grenzwertig – selbst für lebenslange Sommeraficionados und hitzeerprobte Vielreisende – wenn man den Ehrgeiz hat, viel zu sehen und auch noch das ganz normale Leben der Hamburger abseits der Touristenströme kennenzulernen. Also der Hitze trotzen: Frisch gewagt ist halb gewonnen, das Stadtrad-Entleihsystem entschlüsselt, gesattelt und los geht’s nach der selbstgewählten und durchaus genossenen „Pflicht“ des Vormittagsprogramms.
Welch angenehme Überraschung! Unser Weg, am Ufer der Binnenalster und der äußeren Alster, führt uns alsbald durch schattige Alleen und an geschützten Rändern des Parks entlang, mit der Sonne als kurz flirrendes Strahlen durchs Grün des Blätterdachs. Kurzum: es ist wunderbar, vergessen sind Hitze und Mühen des Radelns.
So war’s auch am nächsten Nachmittag, nachdem der Spaziergang an der Elbe zum Hafengebiet in Altona bis zum Strand, entlang der Hamburger „Perlenkette“, nicht wirklich Abkühlung bringen konnte. Danach aufs Rad, kurz bergwärts geschwitzt in schmalen Gassen mit Pflaster, und rein in den Kiez, den wir nur als Reeperbahnhölle kennen. Da musst du tagsüber hin, ins St. Pauli nördlich der Reeperbahn, verrät mir Herr Merian und ich folge der just an diesem Tag erst erschienenen Ausgabe, ohne zu zögern. Die Gassen und Radwege holprig gepflastert, so wie beim Radfahren in Berlin-Neukölln der Hintern massiert, aber halt: Gassen und Gässchen im schattigen Alleengrün und kleine Plätze vor Kirchen so baumbeschattet, dass der Eingang erst gefunden werden musste. Und überall Bänke vor den Gassenlokalen. Kein Schickimicki-Schanigarten, sondern einfache Bierbänke und selbst zusammengezimmerte Tische. Alles alternativ – „Ist das überhaupt ein öffentlicher Ort oder ein Nachbarschaftstreff?“ – und nirgends Sonnenschirme, denn die braucht man nicht unter Bäumen in der Allee. Ich war im Kandies shop und Kerstin nahm erst einmal keine Bestellung auf, sondern brachte zwei Schüsseln ungewaschene Erdbeeren. Wollt ihr die? Für den Althippie „ich rauche auch, aber …“, der sich später als Gast daran machte, die Kippen am Gehsteig wegzukehren, und Erdbeeren für mich, die ich nur dasaß und vermutlich doofglücklich in die Gegend schaute. Herz, was begehrst du mehr?
Hamburg kann auch heiß sein, aber schon früher haben die dort vorsorglich schon alles richtig gemacht, um der damals (im ausgehenden 19.Jahrhundert?) noch gar nicht drohenden Erderwärmung mit Temperaturen bis 35 Grad und mehr etwas entgegensetzen zu können. Straßen und Gassen werden von Bäumen gesäumt. Was das für das Leben im öffentlichen Raum und für Nachbarschaft und das soziale Leben bedeuten kann, muss ich nicht erklären.
Als ich nach Graz zurückkehre, lese ich spät abends, noch mit halbem Herzen in Hamburg, die versäumten Zeitungen quer. Neuer Hitzerekord 37,2° in Graz lese ich da auf der Titelseite. Aber auch das Folgende, einspaltig auf Seite 23: Baumschnitt. Rätsel um gefällte Hainbuchen. In der nördlichen Conrad-von-Hötzendorf-Straße wurden ohne öffentliche Ankündigung die Hainbuchen umgeschnitten. Auf Nachfrage erfuhr man, dass alles nachgepflanzt wird, und zwar mir passenden Sträuchern, mit ausreichendem Platz, die aber nur eine bestimmte Höhe erreichen. Hintergrund sei laut Holding Graz die Sicherheit. Andererseits hat die Zeitung im Büro des Bürgermeisters erfahren, dass dieser den Wunsch habe, „die wichtige Einfahrtsstraße nach Graz optisch schöner zu gestalten“. Ich bin sprachlos. Heute, wo man weiß, wie man die Hitze in den immer mehr aufgeheizten Städten etwas mildern kann…. In diesem Rekordhitzejuni, in dem jeder in den Schatten eines Baumes flüchtet, wenn er in den Straßen und auf Radwegen wie in der Conrad-von-Hötzendorf-Straße unterwegs sein muss, lässt unser Herr Bürgermeister Büsche neu pflanzen, die nicht so hoch wachsen sollen.
Wie wär’s mit einer Exkursion ins alte, gewachsene Hamburg, mit den für Grünraum Verantwortlichen der Holding Graz, an einem der sicher nicht weniger heißen kommenden Julitage? Und bitte, Pflanzung von Büschen aufschieben, und erst nach Ortsaugenschein klug und vorausschauend handeln?

Gewidmet den Radfahrern und Radfahrerinnen in der Conrad-von-Hötzendorf-Straße:

Und wir sind nicht mehr zag,

unser Weg wird kein Weh sein,
wird eine lange Allee sein
aus dem vergangenen Tag.

von Rainer Maria Rilke. Die letzte Strophe des Gedichts Alles ist eins

Laukhardt

Poesie des lebenserhaltenden Grüns! Eine wunderbare Kurgeschichte aus dem grünen Hamburg, das ich noch aus der Zeit kenne, als der Wechsel zwischen Sonnenschein und Regen fast halbstündlich erfolgte. Die damaligen Hamburger kannten daher auch kaum Regenschirme - man war ja unter Bäumen. Und erst die Alster - ob Außen- oder Binnen-, Graz hinkt mit der Augartenbuch ja leider noch etwas hinterher; und auch die Gondeln zum Thalersee lassen leider, leider noch auf sich warten. Das wird's dann sein: 1000 Personen stündlich über den Plabutsch zum rettenden Nass. Eine Frage hätte ich: wieviele Allebäume kriegt man für ca. 40 Millionen Euro?
Ich wage daher zu behaupten: Der Hinweis auf Graz war - fast - überflüssig. Hier bei uns denkt man eben alles "weiter" (weg). Fast unverzeihlich, dass der Hinweis darauf fehlt, dass unser BM ja den veggie-day jeden Mittwoch als universale Klima-Strategie eingeführt hat. Da werden die Hamburger noch staunen!

Di. 02/07/2019 1:32 Permalink
Anonymous

Graz ist was die Pflanztechnik von Straßenbäumen betrifft Vorreiter in Österreich, in der Eggenberger Allee und beim Lendhotel wurde diese neue Technik schon umgesetzt, mögen viele weitere Standorte folgen, besonders dort wo derzeit kein schattiges Grün zu finden ist.
http://sensenkurs.wordpress.com/2018/08/15/stadtbaeume/
Es wäre auch wichtig das alle Straßen in Graz der Stadt gehören weil die Straßen die dem Land Steiermark gehören sind meist nur darauf ausgerichtet die Pendler von ihren landschaftsfressenden Einfamilienhäusern schneller in die Stadt fahren zu lassen.
Zukünftige Generationen werden den Kopf schütteln das es erlaubt war den ländliche Raum um Graz herum zu zersiedeln um dann mit dem Auto in die Stadt zu pendeln und dafür auch noch Steuergeld zu bekommen mittels Pendlerbeihilfe und Wohnbauförderung für umweltfeindliche Einfamilienhäuser.
Jeder neuer höherer Wohnblock in Graz ist das beste für die Umwelt und bekämpft den Klimawandel indem er eine umweltfreundliche, weil städtische, Lebensweise ermöglicht.
Am besten für die Umwelt und Stadtklima sind naturgemäss Hochhäuser solange sie nicht dort gebaut werden wo sie Winde blockieren, was in den 1960er Jahren leider passiert ist wo Hochhauswildwuchs noch gang und gäbe war.

Fr. 05/07/2019 3:52 Permalink
Johannes Eisenberger

Antwort auf von Anonymous

Das Posting des Herrn Anonymus ist offensichtlich der letztwöchigen Hitze geschuldet …
Das Thema der Pendler wäre schon eines, über das man vortrefflich diskutieren könnte; allerdings wird darüber keine Einigkeit zu erzielen sein, solange für die Probleme des Individualverkehrs in Graz vornehmlich "die ach so bösen Pendler" verantwortlich gemacht werden (schreibe ich als Pendler; allerdings als einer, der seit 25 Jahren öffentlich unterwegs ist und daher pro Tag ca. 1 Stunde mehr an Wegzeit in Kauf nimmt!!)!
Mindestens so interessant ist aber das Thema der Straßenbäume - jeder, der sich ein Bild machen will, fährt (nicht mit dem Auto bitte!) den Eggenberger Gürtel entlang und schaut sich die Bäume an, die vor dem neuen Super-Wohnblock Nr.50-56 gepflanzt wurden - im 2-Meter-Abstand zum Gebäude; in die Breite dürfen diese Bäume erst in einer Höhe von +15m wachsen - "Mission erfüllt" sagen die einen, "Verhöhnung des Gegners" die anderen (s. auch https://www.skyscrapercity.com/showthread.php?t=1942548&page=3)!

Di. 09/07/2019 10:01 Permalink
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