05/03/2014

Jeden ersten Dienstag (diesmal ausnahmsweise am Mittwoch) im Monat veröffentlicht GAT in der Kolumne "Aber Hallo!" Anmerkungen von Karin Tschavgova zu aktuellen Themen von Architektur und gebauter Umwelt.

05/03/2014

Karin Tschavgova, Architekturpublizistin und -vermittlerin, Graz

©: Karin Tschavgova

Nach Wikipedia ist der Sitzkreis eine „Sozialform“, bei der hierarchisch hervorgehobene Positionen im Unterricht aufgehoben werden.

Schüler und Lehrer sitzen im Kreis und haben einander im Blickfeld. Offene Diskussionen sollen so besser geführt werden können, der Verfestigung von isolierten Kleingruppen in der Klassengemeinschaft kann besser entgegen gewirkt werden.
Nun hat die ZV Steiermark ein Veranstaltungsformat ins Leben gerufen, das den hiesigen Architekturschaffenden die Möglichkeit gibt, regelmäßig Gedankenaustausch zu betreiben und zu diskutieren - den „Sitzkreis“. Eine Sitzanordnung, die Moderation im Hintergrund, c’est tout! Das Ganze lebt von der Beteiligung jedes Einzelnen und das ist gut so, aber zugleich die Schwierigkeit solcher locker geführten Gespräche. Wie vermeidet man, dass Themen nur angerissen werden, die Auseinandersetzung damit oberflächlich bleibt, weil der Sitznachbar in seinem Wortbeitrag abschweift? Wie verhindern, dass die Resultate solcher Abende beliebig bleiben, ihr Erkenntniswert zu gering, um noch einmal einen Abend zu opfern?
Für außen stehende Beobachter wie mich war der Auftakt informativ und erkenntnisreich. Es ging um Arbeitsmöglichkeiten und -bedingungen junger Architekten und Absolventen in dieser Stadt und diesem Land. Die, hatte man den Eindruck, schlagen sich tapfer, aber vorwiegend allein durch. Sie suchen Nischen für ihre Betätigung und versuchen, darin Experten zu werden oder verleihen ihre Manpower schon mal an andere Büros, wenn Not am Mann ist. Viele schrammen nahe am Prekariat vorbei, Einzelne, die in ländlichen Kommunen eingebettet sind, machten deutlich, dass sie in ihrem pragmatischen Zugang als Dienstleister auch finanziell gut über die Runden kommen.
Alle scheinen so sehr beschäftigt zu sein mit der Bewältigung des Alltags, dass die Grundsatzfrage eines Teilnehmers nach dem Weg, nach dem Wie in der Architektur, kaum Beachtung fand, sondern in der Pragmatik aufgezählter Misslichkeiten gleich wieder unterging. Schade, denn damit wäre der Sitzkreis von der Informationsrunde in den Rang der diskursiven Auseinandersetzung gehoben worden, wäre Anlass zur kritischen Reflexion gewesen, die in den Tieflagen des Alltags mindestens so wichtig ist wie im Studium, das die Mühen der Ebene nicht kennt.
Nun, alles geht nicht auf einmal. Dennoch: gut schiene mir, wenn der Sitzkreis an Stringenz gewänne, wenn Fragestellungen eingegrenzt und Diskurse schärfer wären. Im März und April 2014 finden in Wien eine Konferenz und ein Symposium zum „Berufsfeld Architektur“ statt. Ihre Basis ist eine zweiteilige Studie, die zwischen 2004 und 2014 am Institut für Architekturtheorie an der TU Wien erarbeitet wurde. Sie könnte auch der Ausgangspunkt sein für die Diskussion über die Lage der jungen Architekten hierorts. Ist in Graz immer noch alles anders als anderswo? Oder unterscheiden wir uns gar nicht mehr vom Rest der Welt? Kommt man allein besser durch oder lohnt es, sich für ein Gemeinsames zu engagieren, sich zu vernetzen und voneinander zu lernen? Fragen über Fragen, Themen für viele Sitzkreise. Möge die Übung gelingen.

Terminempfehlungen

Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
GAT+